Penzberger Jazz-Festival:"Das ist wie in einer Beziehung"

Penzberger Jazz-Festival: Top-Jazz-Musiker: Benedikt Jahnel (Piano), Antonio Miguel (Bass), Owen Howard (Drums).

Top-Jazz-Musiker: Benedikt Jahnel (Piano), Antonio Miguel (Bass), Owen Howard (Drums).

(Foto: Hartmut Pöstges)

Benedikt Jahnel, gefeierter Musiker und promovierter Mathematiker, erklärt, was gute Improvisation ausmacht

Von Stephanie Schwaderer

Dieses Jubiläumsprogramm kommt alles andere als altbacken daher: Zur hundertjährigen Stadterhebung der einstigen Bergarbeitersiedlung Penzberg hat die "Jazz-Zeche" unter Federführung von Thomas Grubert ein Festival auf die Beine gestellt, das frische Töne verspricht. Von 10. bis 12. Mai verwandelt sich die alte Stallung auf Gut Hub in einen Jazzkeller mit handverlesenen Musikern und einem Programm, das von eingängig bis "knackig" (Grubert) reicht. Einen besonderen Akzent setzt Benedikt Jahnel. Der gefeierte 38-jährige Pianist und Komponist (Max.bab, Benedikt Jahnel Trio, Cyminology, JOB), der zugleich promovierter Mathematiker ist, leitet am Samstag, 11. Mai, ein Gesprächskonzert unter dem Motto "Was Sie schon immer über Jazz wissen wollten".

SZ: Herr Jahnel, muss man Jazz verstehen, um ihn genießen zu können?

Benedikt Jahnel: Nein, sicherlich nicht. Das Gesprächskonzert richtet sich an Leute, die gerne einmal hinter die Kulissen schauen. Ich werde weder einen musikwissenschaftlichen Vortrag halten noch über die Geschichte des Jazz referieren. Die Idee ist vielmehr, dass Zuhörer interagieren und nachfragen können: Moment, was ist da gerade auf der Bühne passiert? Wir zeigen, wie so ein Zusammenspiel, wie Improvisation funktioniert. Grundsätzlich ist das im Jazz ja nicht anders als in anderen Teams.

Viele Musikliebhaber können sich ja durchaus für ein melodiöses Thema begeistern, steigen aber beim zweiten Solo aus. Könnten Sie denen einen Tipp geben?

Zum einen würde ich sagen: Ein gutes Solo nimmt einen mit, man folgt ihm gerne. Bisweilen erliegen Jazzmusiker aber der Versuchung, sich selbst abzufeiern. Ein Kollege von mir hat es vor kurzem so formuliert: Auch wenn man mit den tollsten Musikern zusammenarbeitet, sollte man nicht vergessen, das die Sonne über dem Publikum aufgeht, nicht über der Bühne. Gutes Improvisieren heißt: ein Thema aufnehmen, es weiterentwickeln und variieren, ohne dass der Spannungsbogen abreißt.

Genau das passiert bei Zuhörern zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten. Die einen kommen gerade allmählich in Fahrt, während andere längst ausgestiegen sind.

Das stimmt, und hier kommt der zweite Teil meiner Antwort. Ein Jazzstück ist wie ein Gespräch in einer anderen Sprache. Es gibt Buchstaben, Vokabeln, Sätze. Je besser ich diese Sprache verstehe, desto müheloser kann ich folgen. Mir selbst geht es manchmal in klassischen Konzerten so: Alles wird mir zu dicht, erscheint überfrachtet. Wenn ich jedoch vertraut mit dem Aufbau einer Komposition bin, kann ich einen Schritt zurückgehen und sagen: Das war die Durchführung, jetzt kommt die Reprise. Dann wird das Ganze zugänglich.

Wie lässt sich die Sprache des Jazz erlernen?

Hörerfahrung ist enorm wichtig. Aber vielleicht ist es für den einen oder anderen auch hilfreich, einmal erklärt zu bekommen, dass ein Stück in der Regel nach dem Schema Thema - Soli - Thema aufgebaut ist und ein Thema wiederum aus mehreren Teilen besteht, zum Beispiel AAB, über die dann soliert wird. Es kann ein richtiges Glücksgefühl sein, wenn man merkt: Ah, da kommt das Thema zurück.

Ein Glücksgefühl, das einem im Free Jazz verwehrt bleibt. Können Sie nachvollziehen, dass diese Musik Menschen aggressiv machen kann?

Ja (lacht), Free Jazz ist extrem expressiv. Und die höchste Kunst des Improvisierens. Man beginnt quasi ein Gespräch, ohne sich vorher auf ein Thema festgelegt zu haben - und bisweilen redet man sich in Rage. Da gibt es Hitzköpfe, die einem Sachen an den Kopf schmeißen, und dann schmeißt man etwas zurück, und am Ende sind alle schweißgebadet. Auch da gibt es leider das Phänomen, dass Musiker ihr eigenes Spiel in den Vordergrund stellen, aber ich habe auch schon sehr gute Free-Jazz-Konzerte gehört.

Als Profi können Sie im Jazz sofort mit jedem anderen Profi kommunizieren. Wie lange dauert es, bis Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben?

Ich würde sagen, nach dem ersten Stück weiß ich ganz gut Bescheid. Das Besondere im Jazz ist ja, dass es einen Kanon gibt, den jeder kennt, einfache Stücke, die auf amerikanische Schlager zurückgehen. Auf dieser Basis kann man sofort zu musizieren beginnen. Es ist unglaublich, wie schnell und klar sich dabei eine Persönlichkeit offenbart; wie unterschiedlich zum Beispiel Bassisten sein können. Diese Persönlichkeit muss aber nicht unbedingt mit jener identisch sein, der man später am Tresen begegnet.

Kommt es vor, dass man sich musikalisch bestens versteht, aber menschlich nicht zusammenkommt?

Durchaus. Als junger Musiker hab ich mir das nicht vorstellen können. Mittlerweile habe ich einige schwierige Menschen kennengelernt, die wunderbare Musik machen. Und umgekehrt gilt das Gleiche.

Was passiert, wenn sich zwei Jazzer auf der Bühne begegnen?

Das ist wie in einer Beziehung. In manchen Dingen ist man sich ähnlich, in anderen konträr. Der eine macht gerne eine Ansage, der andere reagiert lieber. Im Prinzip geht es darum, sich gegenseitig zu überraschen, ohne sich zu überfordern.

Welche Rolle spielt das Publikum?

Mir persönlich ist es unheimlich wichtig, auch wenn ich mich von ihm nicht abhängig mache. Idealerweise gibt es ein Energie-Ping-Pong, bei dem man am Ende jeder mehr Energie als vorher hat. Genauso wichtig wie das Publikum sind der Raum und die Akustik. Wenn es viel Hall und Nachklang gibt, lässt sich auch damit wunderbar spielen.

Wie steht es darum auf Gut Hub?

Bislang habe ich dort nur ein einziges Mal gespielt, das war vor 15 Jahren. Ein Konzert mit Max.bab im alten Kuhstall. Eine wunderbare Erfahrung!

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