Süddeutsche Zeitung

Kundgebungen:"Unsere Moschee gehört zu Penzberg"

300 Demonstranten stellen sich dem Protest von sechs Pegida-Anhängern entgegen - und verteidigen das friedliche Zusammenleben in ihrer Stadt.

Von Viktoria Spinrad

Einer von ihnen spricht gerade von der "freundlichen Schauseite" der als liberal gefeierten Penzberger Moscheegemeinde, da fasst sich Muammer Verep ein Herz und macht einen Schritt zum Pegida-Stand. "As-Salaam-Alaikum", sagt er zu Karl Richter, "Friede sei mit dir." Richter, NPD-Mitglied und Münchner Stadtrat für die "Bürgerinitiative Ausländerstopp München", entgegnet denselben Gruß. "Schön, dass ihr hier seid", antwortet der 23-jährige Verep und erklärt das so: Auch die Pegida-Anhänger hätten das Recht auf ihre Meinung. Die stimme im Übrigen nicht. "Sonst wäre ja überall in Penzberg Gewalt und Krieg", sagt Verep.

Es ist der einzige sichtbare Annäherungsversuch an diesem Montagvormittag in Penzberg, wo anlässlich von Steinmeiers Moschee-Besuch sechs Vertreter der islamfeindlichen Pegida und 300 Verteidiger der Toleranz gleichzeitig demonstrieren. Achtzig Meter beträgt der scheinbar unüberwindbare Abstand zwischen denjenigen, die eine multikulturelle Gesellschaft befürworten, und denjenigen, die vor eben dieser warnen. Auf der einen Seite die Bürger, die die alte Bergarbeiterstadt Penzberg als Vorzeigemodell für eine bunte, integrative, bereichernde Gemeinschaft sehen; auf der anderen Seite die Menschen, für die der Zuzug von Muslimen der Anfang vom Ende des christlichen Abendlandes ist.

Gegen diese Ideologie richten sich diejenigen, die dem Aufruf der örtlichen SPD zur Gegendemonstration gefolgt sind. Da sind nicht nur Schüler, die für ihren Besuch einen symbolischen Verweis mit Hinweis auf die "Verteidigung der demokratischen Grundrechte" kassieren, sondern auch Vertreter von SPD, der Bürger für Penzberg, des Bundes der Antifaschisten, der Grünen, der Linken, von ÖDP, "Fridays for Future", Verdi und der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung.

Ein Münchner Aktionskünstler hat 70 seidene Mohnblumen mitgebracht

Sie tragen Schilder mit Sprüchen wie "Wir sind alle Töchter und Söhne Adams und Evas" und "Unsere Moschee gehört zu Penzberg". Gleichzeitig badet die Gruppe förmlich in einem Meer aus 70 seidenen Mohnblumen, die der Münchner Aktionskünstler Walter Kuhn als Zeichen gegen Rechts mit nach Penzberg gebracht hat. Im Minutentakt betreten Redner die Bühne. Sie kritisieren die islamfeindliche Pegida-Bewegung und loben das Zusammenleben zwischen etwa 80 Nationen in Penzberg.

74 Jahre ist es her, dass hier in der sogenannten Penzberger Mordnacht Nationalsozialisten 16 Widerständler ermordeten. Umso mehr versteht man den Besuch von Pegida in der alten Bergarbeiterstadt als Provokation. "Hier zählt nicht die Hautfarbe. Sondern dass man sich hilft, zusammen arbeitet und lebt", ruft Raimund Novak von den Naturfreunden Loisachtal unter Applaus ins Mikrofon.

Eine weniger feierliche Atmosphäre findet sich 80 Meter die Straße aufwärts. Über dem Pegida-Stand prangt ein Banner, darauf fordern die Islamgegner einen "Politikeraustausch, keinen Bevölkerungsaustausch!" Darunter läuft ein Fernseher, der mal den hetzenden AfD-Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio und mal einen offenbar gegen das Christentum hetzenden Imam zeigt.

Links davon steht Heinz Meyer. Der Münchner Pegida-Chef, der von Sicherheitsbehörden als rechter Gefährder eingestuft wird, ist kürzlich wegen Besitzes von Schwarzpulver sowie Volksverhetzung verurteilt worden. In Penzberg spricht er über eine "unabänderliche Scharia" und darüber, dass Deutschland in 100 Jahren islamisiert sein könne. Sein Fazit: "Wir passen nicht zusammen."

Auf der Gegendemo sieht Andreas Kohl eine ganz andere Unvereinbarkeit: "Ein christliches Menschenbild und rechtsextreme Positionen gehen nicht zusammen", ruft er unter Jubel ins Mikrofon. Der Betriebsseelsorger der KAB Augsburg zitiert Papst Franziskus: "Die europäische Identität ist und war immer eine dynamische und multikulturelle Identität." Eine Aussage, die auch Ulla Pfannkuch-Schneider unterschreiben würde, nicht aber die "Nazis raus!"-Parolen. Kein Stück besser als "Moslems raus" seien diese, ermahnt sie ihre Mitstreiter. Eine Anmerkung, die Pegida auf der anderen Seite nicht hören kann. Als der hohe Besuch gerade wieder abreist, spielt die Gruppe die erste Strophe des Deutschlandlieds.

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SZ vom 03.12.2019/vfs/vfs
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