Süddeutsche Zeitung

Debatte im Bauausschuss:Roche lässt Penzberg wachsen

Das Biotech-Unternehmen plant eine Erweiterung des Werksgeländes. Der Bauausschuss billigt den Bebauungsplan - doch nicht alle sind glücklich.

Von Alexandra Vecchiato

14 Hektar Wald. Das ist nicht nur sprichwörtlich viel Holz, sondern noch mehr Lebensraum für verschiedene Arten, der verschwindet. Um eine Fläche in dieser Größenordnung plant das Biotechnologie-Unternehmen Roche das Werksgelände in Penzberg nach Norden zu erweitern. Der entsprechende Bebauungsplan, der nun den Namen "Biotechnologiezentrum Nonnenwald Nord" trägt, war, wie auch der Flächennutzungsplan, der für das Vorhaben geändert werden muss, wiederholt Gegenstand der Diskussion in Bauausschüssen und Stadtratssitzungen. Jetzt lagen dem Penzberger Bauausschuss die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange nach der Auslegung der Pläne vor. Auf mehr als 50 Seiten beleuchteten unterschiedliche Ämter, Organisationen und Private die Erweiterungsabsichten. Nicht nur der Naturschutz steht im Fokus. Es geht um mehr. Einige Stadträte treibt um, was eine solche Werkserweiterung, die unter anderem mehr Mitarbeitende, mehr Verkehr und mehr Wohnraumbedarf mit sich bringen wird, künftig für die gesamte Infrastruktur und die Finanzen der Stadt Penzberg bedeutet.

Im Vorfeld hatten Gutachter den Stadträten vorgestellt, was im Bereich Verkehr zu erwarten ist. Harald Spath vom Münchner Büro "Gevas" hatte 2021 den Verkehr untersucht. Im ersten kompletten Corona- und Homeoffice-Jahr seien täglich rund 10.000 Kraftfahrzeuge im Nonnenwald Nord unterwegs gewesen, führt er aus. Davon jeweils die Hälfte über die Dr.-Gotthilf-Näher-Straße und die Nonnenwaldstraße. Laut seiner Prognose werden im Jahr 2035 im gesamten Stadtgebiet rund 6300 Fahrzeuge pro Tag mehr unterwegs sein - allerdings nicht allein infolge der Roche-Erweiterung. Die neuen Wohngebiete brächten 4000 Fahrzeuge mehr in die Stadt, die Erweiterung des Werksgeländes 1200 Fahrzeuge plus. Hinzu kommen noch durch Nachverdichtung auf den bestehenden 46 Hektar von Roche 1100 Kfz. Die beiden letzten Werte seien allerdings nur für den Nonnenwald relevant und tangierten die Innenstadt kaum. Sollte Homeoffice wieder wegfallen und es auch keine Mobilitätsstrategie künftig geben, würden sich die Zahlen um einige Tausend Fahrzeuge deutlich erhöhen. Das treffe auch zu, so Spath, wenn die Anzahl der Roche-Mitarbeiter um weitere bis zu 2000 Personen wachse. Der Experte empfahl, gegebenenfalls den Kreisverkehr an der Seeshaupter Straße zweispurig auszubauen und per Ampel zu regeln; der Knotenpunkt an Nonnenwaldstraße, Wölfl und Nonnenwald sollte dann zu einer abknickenden Vorfahrt umgebaut werden.

Die Roche-Erweiterung schon immer kritisch begleitet hatten die Fraktionen Penzberg Miteinander (PM) und Grüne. das zeigte sich auch in der jüngsten Sitzung. Man dürfe diesen Eingriff nicht auf die leichte Schulter nehmen, sagte Sebastian Fügener (Grüne), und dabei gehe es nicht allein um die Umwelt. Das Vorhaben könne einen Expansionsschub mit sich bringen, der auch städtebauliche Auswirkungen habe. Denn je mehr Menschen bei dem Biotech-Unternehmen arbeiten, desto mehr wollen in Penzberg wohnen. Sie hätten Kinder, die betreut werden müssten. Laut Schätzung soll die Stadt bis zum Jahr 2035 2500 Neubürger haben. Fügener macht sich Sorgen, ob Penzberg angesichts des Zuzugs noch den kommunalen Pflichtaufgaben nachkommen könne. Es geht um zusätzliche Kita-Plätze, auch in den Schulen wird es eng. "Man muss bedenken, dass von 2026 an einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gibt", sagte er. Das alles werde angesichts der angespannten Finanzlage schwer zu stemmen sein. Spath erklärte, dass die zusätzlichen Roche-Mitarbeiter auf den Weg zur Arbeit und wieder nach Hause kaum durch die Innenstadt fahren werden. "Die Erweiterung verändert das Verkehrsaufkommen nicht nachhaltig." Zumal Roche eine eigene Mobilitätsstrategie verfolge. Was die Verkehrssituation "fett" mache, sei der allgemeine Zuzug in die Stadt.

Ob Roche vertraglich abgesichert an die künftigen Kosten für Infrastrukturmaßnahmen beteiligt werde, die ein Mehr an Mitarbeitenden nach sich ziehe, wollte Rüdiger Kammel (Bürger für Penzberg) wissen. "Zum Beispiel, wenn wir den Kreisel am Möbelhaus ausbauen müssen", sagte er. Dies sei Teil eines Vertrages zwischen Roche und Stadt, antwortete Stadtbaumeister Justus Klement. Dieser werde nicht öffentlich beraten.

Er habe immer noch Bauchschmerzen, meinte Martin Janner (PM). Er wolle die Erweiterungswünsche in keinster Weise gefährden, doch die Dimensionen seien für Penzberg "einmalig". Ob man vor der erneuten Auslegung des Bebauungsplans nicht mittels Leergerüst die Maße der künftigen Gebäude aufzeigen könne, wollte er wissen. Die Gebäude sollen samt Aufbauten maximal 38 Meter hoch sein, zum Waldrand hin sind es 29 Meter. Janner störte sich ebenfalls daran, dass Roche keine Aussage getroffen habe, zu welchem Zeitpunkt wie viel der Fläche für neue Gebäude gebraucht würden. Laut dem Unternehmen soll das zusätzliche Areal sukzessive entwickelt werden und somit den Standort, der im Wettbewerb mit den anderen Roche-Niederlassungen steht, für die Zukunft sichern. Ein Leergerüst aufzubauen, funktioniere nicht, da das Gelände uneben sei und der Wald noch stehe, betonte Peter Haberecht von "B3 Architekten" aus Penzberg. Dennoch soll eine Möglichkeit gesucht werden, die Dimensionen für die Stadträte optisch darzustellen.

Der Bauausschuss billigte mehrheitlich den Bebauungsplan "Biotechnologiezentrum Nonnenwald Nord". Fügener, Janner und Ferdinand Disl (Freie Lokalpolitik Penzberg) stimmten dagegen.

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