Biotech-Unternehmen will expandieren:"Penzberg spielt eine zentrale Rolle für die Gesundheit der Welt"

Biotech-Unternehmen will expandieren: Das Roche-Werk in Penzberg mit Blick in Richtung Zugspitze. Im Norden - am unteren Bildrand - soll das Werksgelände um 13,6 Hektar erweitert werden. Nicht auf einmal, sondern je nach Bedarf.

Das Roche-Werk in Penzberg mit Blick in Richtung Zugspitze. Im Norden - am unteren Bildrand - soll das Werksgelände um 13,6 Hektar erweitert werden. Nicht auf einmal, sondern je nach Bedarf.

(Foto: Roche Penzberg)

Die Erweiterung des Roche-Werksgeländes in Penzberg ist umstritten. Das Biotech-Unternehmen bemüht sich, die Bedenken auszuräumen. Dennoch bleiben Fragen offen, ob Wohnungsmarkt und Infrastruktur dem Wachstum standhalten.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Wenn es ums Fällen von Bäumen geht, kochen die Emotionen schnell hoch. Handelt es sich dann noch um eine Fläche von etwa 14 Hektar und einen Wald, in dem Gelbbauchunke, Zauneidechse und Co. leben, schrillen nicht nur bei Naturschützern die Alarmglocken. Das Biotech-Unternehmen Roche plant eine Erweiterung im Norden ihres Werksgeländes. Die dazu notwendige Änderung des Flächennutzungsplan hat den Penzberger Stadtrat passiert, an diesem Dienstag, 13. Dezember, steht nun die endgültige Abstimmung über den Bebauungsplan auf der Tagesordnung. Ein einstimmiges Ergebnis ist nicht zu erwarten. Die Fraktionen von Grünen und Penzberg Miteinander können sich schwer mit dem Vorhaben anfreunden. Mit ihren Bedenken sind sie nicht alleine.

Das Gelände, um das Roche seinen Standort im Nonnenwald erweitern möchte, ist nicht ursprünglich gewachsen, wie man denken könnte. Es ist von Menschenhand geschaffen. Es handelt sich um Abraum aus der Bergwerkszeit, der vor vielen Jahrzehnten dort aufgeschüttet worden war und zuwucherte. Das ursprüngliche Bodenniveau liegt teils sechs bis sieben Meter tiefer, weshalb eine einschneidende Neumodellierung nötig ist. Das Areal muss aufgeschüttet werden, um es bebauen zu können. Das sind massive Eingriffe, die Kritik nach sich zogen.

Nicht allein Naturschützer gehen die Erweiterungspläne zu weit: Die Nachbargemeinde Iffeldorf etwa fürchtet die zu stemmenden Lasten durch die Expansion. "Neben dem befürchteten Mehraufkommen an Verkehr erfordert eine stark steigende Zahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen relativ zeitnahen Ausbau auch unserer Infrastruktur. Zudem befürchten wir eine weitere Anspannung des Wohnungsmarkts, der bereits jetzt an seine Grenzen stößt und Wohnen für einen finanzschwächeren Teil der einheimischen Bevölkerung fast unmöglich macht", lautet die Stellungnahme Iffeldorfs.

Mehr als die Hälfte aller Corona-Tests weltweit seien aus Penzberg gekommen

Zunehmender Verkehr, die steigenden Immobilienpreise und Millionen-Investitionen in Kindertagesstätten und Schulen treiben auch die Penzberger um. Sorgen, die Werkleiter Paul Wiggermann angesichts der anstehenden Veränderungen und ihrer Größenordnung nachvollziehen kann. Dennoch ist ihm diese Betrachtungsweise zu einseitig. Penzberg und die umliegenden Kommunen erführen den Druck auf dem Wohnungsmarkt nicht nur durch Roche. Die Landeshauptstadt München sei nah, die Menschen drängten von dort aufs Land. Außerdem sei in der Vergangenheit nicht gerade viel Wohnraum geschaffen worden, was nun spürbar sei. Bei allem Verständnis für die Bedenken: "Man muss bitte aber auch die Chancen sehen", sagt Wiggermann. "Penzberg spielt eine zentrale Rolle für die Gesundheit der Welt." Mehr als die Hälfte aller Corona-Tests weltweit seien aus Penzberg gekommen.

Biotech-Unternehmen will expandieren: Werkleiter Paul Wiggermann kann die Sorgen mancher Bürger verstehen. Doch sie sollten auch die Chancen sehen, die der Roche-Standort für Penzberg bringt.

Werkleiter Paul Wiggermann kann die Sorgen mancher Bürger verstehen. Doch sie sollten auch die Chancen sehen, die der Roche-Standort für Penzberg bringt.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Überdies engagiere sich Roche in vielen Bereichen. Um den Wohnungsmarkt zu entlasten, mietet das Biotech-Unternehmen Boardinghäuser an. Es unterstützt den Kindergarten "Spatzennest" finanziell. Werkswohnungen zu bauen und eine Kinderbetreuung auf dem eigenen Gelände anzubieten, wie in den Stellungnahmen zum Bebauungsplan gefordert, erteilte Wiggermann eine Absage. "Das Immobiliengeschäft ist nicht unser Auftrag." Und als eine Produktionsstätte mit Gefahrenpotenzial sei ein Kindergarten auf dem Areal im Nonnenwald undenkbar.

Was die Erweiterungspläne betreffe, so der Werkleiter, habe man stets das Gespräch mit allen Beteiligten gesucht. Der Bund Naturschutz (BUND) etwa sei "sehr früh proaktiv eingebunden" worden mit Anregungen zum Bebauungsplan wie den Verzicht von Eckfenstern, die Fledermäusen gefährlich werden könnten. Zum Eklat kam es, als der BUND dem Unternehmen vorwarf, es habe die für das Bebauungsplanverfahren bestellten Gutachter "gekauft". Das wiederum brachte den Penzberger Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) in Rage, der sich gegen solche Behauptungen verwahrte. Wiggermann nennt die Vorwürfe "absurd". Die Stadt beauftragt in solchen Verfahren nämlich die Gutachter, die zum Beispiel das Vorkommen geschützter Arten kartieren, der Verursacher - in diesem Fall Roche - muss die Kosten tragen.

Biotech-Unternehmen will expandieren: 1971 fegte ein Orkan über das Gelände des ehemaligen Bergwerks im Nonnenwald. Die Schäden sind auf dieser Aufnahme festgehalten. In dem Jahr kaufte der Roche-Vörgänger Boehringer Mannheim das Areal von der Bayerischen Oberkohle.

1971 fegte ein Orkan über das Gelände des ehemaligen Bergwerks im Nonnenwald. Die Schäden sind auf dieser Aufnahme festgehalten. In dem Jahr kaufte der Roche-Vörgänger Boehringer Mannheim das Areal von der Bayerischen Oberkohle.

(Foto: Roche Penzberg)

Wiederholt betonte die Roche-Führung, dass die Erweiterung für den Penzberger Standort wichtig sei. Man stehe innerhalb des Konzerns mit allen Niederlassungen im Wettbewerb, sagt Georg Sindlhauser, Leiter der Real-Estate-Strategie und der Services am Roche-Standort Penzberg. Das Werk im Nonnenwald funktioniere, wäre allerdings "perspektivisch" sehr im Nachteil, könnte man dem Konzern nicht die Option von zusätzlichen Flächen für neue Produktions- oder Forschungsgebäude anbieten.

Der Wald soll viele Jahre noch öffentlich zugänglich bleiben, weil Roche in mehreren Schritten erweitern will

Dabei sollen die 14 Hektar nicht auf einen Schlag gerodet und bebaut werden. Voraussichtlich in drei Schritten soll die Erweiterung erfolgen. "Wir werden die Fläche nicht komplett einzäunen. Sie wird viele Jahre weiterhin als Wald öffentlich zugänglich sein", sagt Sindlhauser. Und niemand müsse fürchten, dass von heute auf morgen 3000 neue Roche-Mirarbeiter am Standort arbeiteten. Ferner erfülle Roche mit seinem Engagement bei Ausgleichsflächen die gesetzlichen Vorgaben weit mehr als erforderlich. Die Stadt spricht von einer Überkompensation im Umfang von etwa 15 000 Wertpunkten, die dem Ökokonto gutgeschrieben werden. So engagiert sich Roche gemeinsam mit der Stadt Penzberg bei der Renaturierung des Kirnbergmoores (rund sieben Hektar).

Dass die Ausgleichmaßnahmen möglichst ortsnah erfolgen, ist Sindlhauser wichtig. Das Moor an der Gotthilf-Näher-Straße würden Tausende Mitarbeiter auf ihrem Weg von und zu Roche sehen, sagt er. Auf Seeshaupter Gemeindegebiet werden mehr als fünf Hektar Mischwald aufgeforstet. Nördlich des Brünnlesbachs wird eine intensiv genutzte landwirtschaftliche Fläche durch ein "Waldrandkonzept" aufgewertet. Mehr als zwei Hektar sollen so Tieren neuen Lebensraum bieten. Mit der Maßnahme wird voraussichtlich von April 2023 an gestartet. Gemeinsam mit dem Zentrum für Umwelt und Kultur in Benediktbeuern plant Roche ein Trockenbiotop an der Loisach zu schaffen. Hinzu kommen die Ersatzflächen für die Tiere, die im Erweiterungsgebiet leben.

Die Erweiterung bietet dem Standort die Möglichkeit, "grüner" zu werden. Etliche Gebäude hätten das Ende ihres Lebenszyklus erreicht. Modernere und effizientere Nachfolgebauten sollen sie ersetzen. Aber erst wenn diese an anderer Stelle errichtet und der Umzug von Mitarbeitern und Einrichtung vollzogen ist, könnten die alten Gebäude abgerissen werden. Erst dann könne auf dem bestehenden Werksgelände eine Nachverdichtung geplant werden. Dabei gehe es auch um die Optimierung von Abläufen, sagt Sindlhauser. "Nicht jedes Bauprojekt passt auf jedes Raster, da gibt es Funktionszusammenhänge zu beachten."

Mit dem Ende des Bauleitverfahren wäre der Weg für Roche frei, Bauanträge zu stellen. Doch zunächst muss der Stadtrat den Bebauungsplan "Biotechnologiezentrum Nonnenwald Nord" als Satzung beschließen. Die Grünen sprechen von einer "enormen Naturzerstörung". Sie plädieren für eine stärkere Innenverdichtung. Ähnliche Kritik kommt von Penzberg Miteinander.

Sitzung des Stadtrates Penzberg, 13. Dezember, 18.15 Uhr, Sitzungssaal Rathaus

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