Zukunftscampus:Roche investiert 600 Millionen Euro am Standort Penzberg

Zukunftscampus: Blick auf das Roche-Werk Penzberg im März 2023: Im Norden ist die etwa 7,5 Hektar große, vorbereitete Fläche zu sehen. Darauf wird ein neues Diagnostik-Produktionszentrum entstehen. Im Süden des Werkgeländes ist das neue Diagnostik-Forschungsgebäude (LEAP) eingezeichnet, das noch nicht fertiggestellt ist.

Blick auf das Roche-Werk Penzberg im März 2023: Im Norden ist die etwa 7,5 Hektar große, vorbereitete Fläche zu sehen. Darauf wird ein neues Diagnostik-Produktionszentrum entstehen. Im Süden des Werkgeländes ist das neue Diagnostik-Forschungsgebäude (LEAP) eingezeichnet, das noch nicht fertiggestellt ist.

(Foto: Roche/OH)

Das Unternehmen plant, noch in diesem Jahr mit dem Bau eines neuen Diagnostik-Produktionszentrums zu beginnen.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Patientin Maria verspürt nach einem gelungenen Tag mit ihrer Familie nachts plötzlich Schmerzen im Magen und einen Druck im Brustbereich. Ihre Sorge ist groß, es könnte sich um einen Herzinfarkt handeln. Noch im Krankenwagen können die Rettungskräfte Entwarnung geben. Der Troponin-Test bestätigt, dass der Verdacht unbegründet war. In diesem Test steckt ein Antikörper, ein sogenannter Einsatzstoff, der aus Penzberg kommt. Er wird im Roche-Werk im Nonnenwald hergestellt, wie mehrere Hundert weitere solcher Stoffe. Von 2027 an sollen sie in einem neuen Diagnostik-Produktionszentrum gefertigt werden. Roche investiert rund 600 Millionen Euro in das neue Gebäude. Es ist damit die bislang größte Einzelinvestition am Standort Penzberg.

Vor gut zwei Jahren starteten die Überlegungen, ein neues Produktionszentrum im Nonnenwald zu errichten. Vor etwa einem halben Jahr gab der Konzern sein "Go". Situiert wird das neue Gebäude auf den Flächen, die das Werk durch die Norderweiterung dazugewinnen konnte. Im vergangenen Jahr erwarb das Unternehmen etwa 14 Hektar vom Freistaat Bayern. Der Penzberger Stadtrat billigte den Bebauungsplan. Das Areal soll teilweise entwickelt werden. In einem ersten Schritt wurden 7,5 Hektar gerodet. An welcher Stelle in diesem Bereich das Produktionszentrum stehen wird, ist noch offen. Es laufen Gründungsbohrungen. Erst wenn diese abgeschlossen sind, gehen die Planungen ins Detail. Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein. 2027 soll das Produktionszentrum in Betrieb gehen.

"Das ist ein deutliches Signal"

Zukunftscampus: Das neue 600-Millionen-Euro-Gebäude sei ein Meilenstein für das Werk in Penzberg, sagt Werkleiter Paul Wiggermann.

Das neue 600-Millionen-Euro-Gebäude sei ein Meilenstein für das Werk in Penzberg, sagt Werkleiter Paul Wiggermann.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

"Das ist ein deutliches Signal für die Stärkung des Standorts Penzberg", sagte Werkleiter Paul Wiggermann bei einem Pressegespräch. Mit dem Neubau soll die Produktionskapazität von Einsatzstoffen einerseits erhöht, gleichzeitig soll er auch alte Gebäude auf dem Werkgelände ersetzen. Wie Marcel Hunn, Head of Diagnostics Operations in Penzberg, ausführte, ist die Produktion der Einsatzstoffe auf 21 Gebäude verteilt. Sie sollen an einem Standort konzentriert werden. 1400 Mitarbeitende sind momentan in diesem Bereich tätig. Da Roche von einem Wachstum bei der Sparte Diagnostik ausgeht, werde wohl auch die Anzahl der Mitarbeitenden "moderat" steigen, sagte Hunn. 1900 Einsatzstoffe werden in Penzberg hergestellt. "Tendenz steigend", weitere Einsatzstoffe seien in der Entwicklung. Die Entwicklung der Stoffe sei eine Kernkompetenz von Roche. Das Unternehmen entwickelt und produziert seine Einsatzstoffe selbst - ein wichtiger Wettbewerbsvorteil auf dem Markt.

Zukunftscampus: Marcel Hunn, Head of Diagnostics Operations in Penzberg, erklärte die Bedeutung des neuen Produktionszentrums.

Marcel Hunn, Head of Diagnostics Operations in Penzberg, erklärte die Bedeutung des neuen Produktionszentrums.

(Foto: Quirin Leppert/Roche/oh)

Einsatzstoffe, zum Beispiel Enzyme, Antikörper oder Partikel, sind wichtige Bestandteile für diagnostische Tests. Durch ihre Reaktion im Test kann ein Arzt eine Krankheit diagnostizieren. "Penzberg ist das globale Zentrum für die Produktion von Einsatzstoffen", betonte Hunn. Vom Nonnenwald aus werden alle Roche-Produktionsstandorte weltweit beliefert. 2022 wurde circa 29 Milliarden diagnostische Tests auf Roche-Systemen vorgenommen. "Mehr als 80 Prozent der Einsatzstoffe darin stammen aus Penzberg", ergänzte Wiggermann. "Sie können Überlebenschancen erhöhen." Mit den diagnostischen Tests können unter anderem Infektionen, Tumor- oder Alzheimermarker, Erbkrankheiten, Krebsarten in Gewebeproben und Hormone nachgewiesen werden. Auch werden sie beim Drogen-Monitoring oder bei der Untersuchung von Blutspenden aus Viren eingesetzt. "Neben diesen gibt es noch 300 weitere Tests", sagte Hunn. Die Entwicklung und Herstellung von Einsatzstoffen sei ein langfristiger Prozess. "Wir denken da in Dekaden", sagte der Penzberger Diagnostik-Leiter. Das Produktionsvolumen werde sich in den kommenden zehn Jahren verdoppeln. Deshalb sei der Bau des neuen Produktionszentrums so wichtig. Und Penzberg bleibe mit dieser Investition "der Standort" für Einsatzstoffe bei Roche. Mit den bestehenden Anlagen sei dies nicht möglich. Die Gebäude stammten aus den 1970er- und 1980er-Jahren. In der neuen "Fabrik" werden in Zukunft 500 bis 600 biochemische Einsatzstoffe gefertigt. Bis alle Produktionsstätten am Standort in den Neubau umgezogen sind, werde es nach der Inbetriebnahme 2027 noch zwei Jahre dauern, betonte Hunn.

Investitionen stehen auf dem Prüfstand

Die 600-Millionen-Euro-Investition in Penzberg war auch Thema beim Jahresmediengespräch von Roche Deutschland in Mannheim. Zur Sprache kam dabei das Finanzstabilisierungsgesetz der gesetzlichen Krankenversicherung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Er sehe das Gesetz und dessen Auswirkungen mit großer Sorge, sagte Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG. "Wer Investitionen in Forschung und Produktion für Pharma und Diagnostik in Deutschland nicht nur heute, sondern auch morgen halten und die Lieferketten- und Versorgungssicherheit für Patient gewährleisten will, sollte alles daran setzen, den Standort Deutschland zu stärken. Andernfalls drohen einseitige internationale Abhängigkeiten, Versorgungslücken und eine schleichende Deindustrialisierung." Die Politik habe seiner Meinung nach kein Verständnis dafür, wie Innovationen entstünden. Sie kämen nicht "in Sprüngen", wie Lauterbach denke, sondern zu 99 Prozent in kleinen Schritten. Pfundner kündigte an, dass sich das Unternehmen rechtliche Schritte gegen das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorbehalte und alle Optionen ausschöpfen werde. Neue Investitionen müssten unter diesen Rahmenbedingungen auf den Prüfstand gestellt werden. Auch in Penzberg sei man nicht frei von Sorgen, was künftige Investitionen betreffe, sagte der Penzberger Werkleiter Wiggermann auf Nachfrage. "Aber heute ist ein guter Tag."

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