77 Jahre danach:Stolpersteine erinnern an die Opfer der Mordnacht

77 Jahre danach: Dieses Denkmal "An der Freiheit" erinnert an die Opfer der Penzberger Mordnacht. Traditionell hält dort die SPD eine Gedenkfeier ab, bei der in diesem Jahr Ortsvorsitzender Clemens Meikis und der frühere Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel sprechen werden.

Dieses Denkmal "An der Freiheit" erinnert an die Opfer der Penzberger Mordnacht. Traditionell hält dort die SPD eine Gedenkfeier ab, bei der in diesem Jahr Ortsvorsitzender Clemens Meikis und der frühere Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel sprechen werden.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Stadt Penzberg gedenkt der 16 von Nazis ermordeten Frauen und Männer mit einem großen Festakt.

Von Alexandra Vecchiato

Am Morgen des 28. April 1945 wurde über Rundfunk der Krieg für Bayern als beendet erklärt. Die 1933 von den Nazis abgesetzten Bürgermeister wurden aufgefordert, ihr Amt wieder aufzunehmen. Für den SPD-Vorkriegsbürgermeister Johann Rummer gab es kein Zögern. Er verhinderte die Sprengung des Bergwerks, sorgte für die Befreiung von Zwangsarbeitern und Gefangenen aus benachbarten Lagern und setzte den nationalsozialistischen Bürgermeister in Penzberg ab. Diesen Mut mussten Rummer und seine Helfer mit dem Leben bezahlen. Die SS griff ein. Sieben Männer wurden festgenommen und wegen Hoch- und Landesverrats sowie Zersetzung der Wehrkraft erschossen. Johann Kastl wurde später in der Heimstättensiedlung auf der Flucht angeschossen und erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Die SA-Einheit "Werwolf Oberbayern" kam in die Stadt - für eine Säuberungsaktion. Sie erhängte acht Frauen und Männer an Balkonen und Bäumen.

Schon 2020 hätte es eine große Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Penzberger Mordnacht geben sollen. Wegen der Corona-Pandemie musste sie jedoch abgesagt werden. Als Ersatz spielten Bläser an 16 Orten im Stadtgebiet das "Steigerlied". Im vergangenen Jahr dann wurde am Rande des Stadtplatzes eine Bronzetafel mit den Namen der Ermordeten in den Boden eingelassen. Damals beschloss der Stadtrat, Stolpersteine in Erinnerung an die 16 Frauen und Männer in Penzberg verlegen zu lassen.

77 Jahre danach: Am Rande des Penzberger Stadtplatzes erinnert diese Bronzetafel an die Mordnacht-Opfer.

Am Rande des Penzberger Stadtplatzes erinnert diese Bronzetafel an die Mordnacht-Opfer.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Nun, 77 Jahre nach der grauenhaften Tat, soll die große Gedenkfeier nachgeholt werden. Man habe das Programm weiterentwickelt, sagte Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) bei der Präsentation des Programms. Die Erinnerung an die Penzberger Mordnacht hochzuhalten sei wichtig, betonte er. Denn solche Gräueltaten gehörten leider nicht der Vergangenheit an, wie man an den Geschehnissen in der Ukraine sehe. Um "wachzurütteln", werden die Namen der Opfer vom 28. April 1945 auf sogenannten Stolpersteinen verewigt. Der Künstler Gunter Demnig, der diese Steine zum Gedenken an NS-Opfer geschaffen hat, kommt dazu am Mittwoch, 27. April, nach Penzberg. Treffpunkt ist um 16 Uhr am Stadtplatz. Wie Tom Sendl, Leiter der Kulturabteilung, erklärte, werden die Stolpersteine vor den Wohnorten verlegt, an denen die Opfer zuletzt gelebt hatten - zumindest in deren Nähe, weil nicht mehr alle Siedlungen existierten. Das Standesamt habe die ehemaligen Adressen ermittelt, was nicht einfach gewesen sei, so Sendl. Ein Opfer etwa lebte in einer Barackensiedlung an der Fischhaberstraße, die es nicht mehr gibt. Dieser Stein wird daher beim Eingang am städtischen Friedhof in den Boden eingelassen. 14 weitere werden im Stadtgebiet verlegt. Der Bauhof treffe hierfür die Vorbereitungen, am 28. April sollen alle Gedenksteine ihren Platz gefunden haben. Ferner habe man auch einen Stolperstein für Michael Schwertl anfertigen lassen. Schwertl lebte im benachbarten Sindelsdorf, weshalb man bei der Gemeinde angefragt habe, ob sie den Gedenkstein haben wolle. "Die Sindelsdorfer sind noch nicht soweit", meinte Sendl. Die Recherchen zu Schwertls Wohnhaus dauerten noch.

Nicht jeder im Stadtrat konnte sich mit den Stolpersteinen anfreunden. Schließlich werden die in den Gehwegen eingelassenen Bronzesteine im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten. Eine Kritik, die auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, vertritt. Die Landeshauptstadt München hat sich deshalb gegen "Stolpersteine" entschieden. In Penzberg fiel das Votum letztlich anders aus, weil diese Form des Gedenkens auch "ein gutes Zeichen" sei.

77 Jahre danach: Im Jahr 2020 fand die Kranzniederlegung an den Ehrengräbern wegen der Corona-Pandemie im kleinen Kreis statt.

Im Jahr 2020 fand die Kranzniederlegung an den Ehrengräbern wegen der Corona-Pandemie im kleinen Kreis statt.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Am Donnerstag, 28. April, lädt traditionell die Penzberger SPD an jenen Ort ein, an dem sieben der Mordnacht-Opfer, darunter Johann Rummer (Bürgermeister bis 1933), erschossen wurden. Bei der Feier am Denkmal "An der Freiheit" (Beginn 17 Uhr) sprechen SPD-Ortsvorsitzender Clemens Meikis und der frühere Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel aus Kochel. Den musikalischen Rahmen gestaltet der Jugendchor der Musikschule Penzberg, Voice happenZ. Anschließend zieht ein Friedensmarsch zum städtischen Friedhof, wo um 18 Uhr Kränze an den Ehrengräbern der Ermordeten niedergelegt werden. Das ökumenische Friedensgebet sprechen die Pfarrer Bernhard Holz, Philipp Roß und Imam Benjamin Idriz. Es spielt die Stadt- und Bergknappenkapelle.

77 Jahre danach: Die Autorin Kirsten Boie liest aus ihrem Werk "Dunkelnacht", das die Penzberger Mordnacht thematisiert.

Die Autorin Kirsten Boie liest aus ihrem Werk "Dunkelnacht", das die Penzberger Mordnacht thematisiert.

(Foto: Oetinger/oh)

Nach der Feier auf dem Friedhof geht es zurück in die Penzberger Stadthalle. Der Festakt beginnt um 19 Uhr. Gezeigt wird der Film von Günter Bergel "28. April 1945 - die Penzberger Mordnacht". Die Autorin Kirsten Boie liest aus ihrem Buch "Dunkelnacht", das die Geschehnisse in Penzberg als Roman aufarbeitet. Zum Abschluss ist eine Podiumsdiskussion vorgesehen. Sie hat das Gedenken an den 28. April 1945 in Gegenwart und Zukunft zum Thema. Auf dem Podium sitzen Kirsten Boie, Bürgermeister Stefan Korpan, Altbürgermeister Hans Mummert (SPD) und die Schüler Jan Röntgen (Gymnasium), Jasmin Banani (Heinrich-Campendonk-Realschule) und Lukas Hezel (Mittelschule). Es moderiert Niels Beintker vom Bayerischen Rundfunk. Es musizieren das Vocalensemble und das Kammerorchester Penzberg unter der Leitung von Günther Pfannkuch.

Es sei der Stadt wichtig gewesen, junge Menschen einzubinden, sagte Sendl, um "das Thema in die Zukunft" zu bringen. Auch seien alle Bürger willkommen. "Es handelt sich um offene Veranstaltungen."

Um 16.45 Uhr steht an der Stadthalle ein kostenloser Bus für die Fahrten zum Ehrenmal, zum Friedhof und zurück zur Stadthalle bereit.

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