Des einen Freud, des anderen Leid:Igel versus Zamperl

Des einen Freud, des anderen Leid: So ein Chihuahua kommt locker unter dem Zaun durch bei zwölf Zentimetern Bodenfreiheit.

So ein Chihuahua kommt locker unter dem Zaun durch bei zwölf Zentimetern Bodenfreiheit.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Der Penzberger Stadtrat hat die zweite Änderung der Ortsgestaltungssatzung beschlossen: ökologisch top, für Halter kleiner Hunde ein Flop.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Würde Justin Bieber in Penzberg ein Haus bauen, hätte er ein Problem. Spätestens dann, wenn der kanadische Pop- und R&B-Sänger sein Grundstück einzäunen wollte. Bieber hat nämlich einen Hund oder besser gesagt: ein zwergenhaftes Zamperl namens Oscar. Der Maltester-Yorkie-Mischling wäre vermutlich nach kürzester Zeit futsch, weg, abgehauen, hätte die Düse gemacht. Denn nach der nun geltenden Ortgestaltungssatzung dürfen Einfriedungen nur ohne Sockel und mit mindestens einem Abstand von zwölf Zentimetern vom Boden weg errichtet werden. Wer also einen Chihuahua, Yorkshire oder einen Vertreter der in Mode gekommenen Teacup-Hunde sein Eigen nennt, hat Pech. Selbst Minischweine oder Klopfer, das geliebte Kaninchen, würden an der Grundstücksgrenze unten durch in die Freiheit entwischen können. Und infolge eventuell unter den quietschenden Reifen eines Autos enden. Unbeaufsichtigt frei laufen lassen auf eigenem Grund und Boden, ist also nicht mehr.

Mit dieser Zwölf-Zentimeter-Bodenfreiheit haben sich die Schöpfer der Ortsgestaltungssatzung durchaus was gedacht. Igel und anderen Kleintieren soll so ermöglicht werden, von Garten zu Garten zu mäandern. Erst kürzlich hat der Penzberger Stadtrat die zweite Änderung der Satzung mehrheitlich beschlossen. Ökologisch top, aber für wohl nicht ganz wenige Bürger und ihre Zamperl ein Flop. Nun könnte man einwenden, dass Klein-Oscar eh in dem vermutlich Parkanlagen-ähnlichem Anwesen seines Herrchens Bieber Gefahr laufen würde, für immer verloren zu gehen und einer grausamen Natur auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein. Wer kann schon sagen, ob sich so ein herumstreunender Igel, ein solch gesetzloser Geselle inmitten von bienentauglichen Blumenrabatten, nicht gar an Oscar und Co. vergreifen würde? Ja, man kann es halt als Stadtrat nicht allen recht machen. Opfer müssen gebracht werden.

Des einen Freud, des anderen Leid: Igel und andere Kleintiere sollen nicht durch Barrieren bei ihrer Futtersuche behindert werden.

Igel und andere Kleintiere sollen nicht durch Barrieren bei ihrer Futtersuche behindert werden.

(Foto: Johannes Simon)

Satzungsflut im Penzberger Stadtrat

Apropos Penzberger Stadtrat. Das Gremium scheint großes Gefallen daran zu finden, Satzungen zu erlassen, umzuändern oder ganz neu zu erfinden. Gefühlt seit Monaten beschäftigen sich die Kommunalpolitiker mit Verve mit nichts anderem, vertagen, diskutieren und streiten. Nicht jedem im Stadtrat gefällt dies. Zu sehr sieht diese Minderheit die Rechte von Grundstücksbesitzern gegängelt. Es geht in der Ortsgestaltungssatzung ja nicht allein um Zamperl, Zäune und wie diese auszusehen haben. Übrigens eine weiße Einfriedung wäre nicht erlaubt. Aber immerhin sind neben Holz- noch dunkelgrüne oder verzinkte Stahlgitter- und Maschendrahtzäune zugelassen. Diese wiederum allerdings nur hinterpflanzt - bitte natürlich mit heimischen Laubgehölzen. Alles andere ist pfui. Schilf- und Strohmatten oder ähnliches als Zaunmaterial ist unzulässig. Und Gabionen, der letzte Schrei - also nein, geht gar nicht.

Vieles in der Satzung dient Flora und Fauna. So sind Schottergärten, diese öden Steinwüsten, verpönt. Vögel finden künftig hoffentlich mehr Nahrung mit Hagebutten und Beeren. Auch Wohnraum unterm Dach ist gefälliger gestaltbar mit entsprechenden Dachgauben.

Da wäre nur noch eine Frage offen. Mathilde, der fette Igel - an dieser Stelle kann allerdings keine Gewähr für das tatsächliche Geschlecht des Säugetiers übernommen werden - lebt in einem Garten, der noch von Zäunen abgegrenzt wird, die vor Jahrzehnten errichtet wurden. An Bodenfreiheit hat damals keiner gedacht. Und dennoch scheint es Mathilde, wie unzähligen anderen Kleintieren in unzähligen alten Gärten im Stadtgebiet mit alten Zäunen bis zum Boden, gut zu gehen. Was für eine Schlussfolgerung ergibt sich daraus? Sind Mathilde und Co. seit Dekaden Gefangene? Sollte zur Kettensäge oder noch schwererem Gerät gegriffen werden, um zwölf Zentimeter hohe Löcher in die Einfriedungen zu stemmen? Die dritte Änderung der Penzberger Ortsgestaltungssatzung wird darauf bestimmt Antworten finden.

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