Die Welt ist voller Wunder, man muss sie nur sehen. Der preisgekrönte Naturfotograf und Tierfilmer Konrad Wothe aus Penzberg fängt die Schönheit der Natur vor unserer Haustür ein. In der SZ-Serie "Da schau her" präsentiert er Schätze, die es mit dem Frühling in der erwachenden Natur zu entdecken und zu bewahren gilt.
"Fast jeder hat ihn schon gehört, aber nur wenige bekommen ihn zu Gesicht: Der Schwarzspecht ist eine höchst elegante Erscheinung in unseren Wäldern. Mit seinem langen, geraden und elfenbeinfarbigen Meißelschnabel, den stechenden Augen und dem leuchtend roten Scheitel auf schwarzem Gefieder ist er ein unglaublich stattlicher Geselle, ein toller Vogel! Unterm Jahr ist er kaum zu beobachten, weil er sehr heimlich ist. Im Frühjahr verrät er sich jedoch durch seine Glückglückglück- oder Krükrükrü-Rufe und durch seine langen Trommelwirbel. Die haben die gleiche Funktion wie bei anderen Vögeln der Gesang. Er grenzt sein Revier ab und signalisiert Weibchen: Hier ist einer, der wartet auf dich.
Dass Spechte beim Trommeln und Hacken keine Gehirnerschütterung kriegen, liegt daran, dass Schnabel und Hirnschädel elastisch miteinander verbunden sind, wie durch einen Stoßdämpfer. Beim Höhlenbau fliegen manchmal Späne, die zehn Zentimeter lang sind. Der Schwarzspecht hat richtig Kraft.
Er ist der größte unter den heimischen Spechten und nistet am liebsten in alten Buchen. Der Höhlenbau dauert bis zu vier Wochen. Männchen und Weibchen machen das gemeinsam. Auch beim Brüten und Hudern und Füttern lösen sie sich ab. Wer heimkommt, setzt sich erst einmal etwas unterhalb der Höhle hin und klopft ganz leise an: Tock, tock, tock, sie sind sehr höflich.
Die Jungen schlüpfen schon nach zwölf Tagen. Wenn es kalt wird, kuscheln sie sich zu einer Wärmepyramide zusammen und schlingen die Hälse umeinander. Im Gegensatz zum Buntspecht nutzt der Schwarzspecht seine Höhlen auch mehrmals. Nachmieter sind dann Hohltaube, Dohle und Raufußkauz - sie sind auf ihn als Baumeister angewiesen. Er hat kurze, kräftige Beine, scharfe Krallen und steife Schwanzfedern als Stütze, um perfekt klettern zu können. Wenn er seine Flügel streckt, sieht es fast so aus, als würde er den Stamm umarmen."