Süddeutsche Zeitung

Winterspektakel 2022/2023:Getrübter Kufenzauber

Während sich viele über "Hannis Eismärchen" freuen werden, sind die lärmgeplagten Anwohner enttäuscht von nicht eingehaltenen Versprechen der Stadt Penzberg.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Die Stadt Penzberg trägt dem Klimaschutz Rechnung. Die Besucher des Winter-Events "Hannis Eismärchen" auf dem Stadtplatz werden in dieser Saison auf Synthetik-Eis ihre Bahnen ziehen. Mit einer Energieeinsparung von bis zu 50 Prozent rechnet Alexander Bergel von der Stadtverwaltung. Wegen der Kunststoffpaneele fällt nämlich die Kühlung weg, die bei der Natureisfläche nötig war. Auch habe man auf größere Veranstaltung verzichtet, berichtete Monika Engel, verantwortlich im Rathaus für das Programm, um den lärmgeplagten Anwohnern entgegenzukommen. Doch eine Entspannung in der Auseinandersetzung zwischen Stadt und Beschwerdeführern ist noch nicht in Sicht. Wie der Anwalt der Anwohner, Markus Fürst, mitteilte, fühlten sich seine Mandanten nach wie vor nicht ernstgenommen von der Stadt. Zusagen wie eine Prognose der Schallimmissionen oder ein kommunales Veranstaltungskonzept seien nicht eingehalten worden, so Fürst.

Zwei Jahre lang konnte das Eismärchen pandemiebedingt nicht stattfinden. Er freue sich besonders für die Kinder, dass man dieses Jahr wieder das Winterspektakel veranstalten könne, sagte Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) bei der Vorstellung des Programms. Schlittschuhläufer können sich von 3. Dezember 2022 bis 8. Januar 2023 auf dem Stadtplatz austoben. Weitere Informationen zu Öffnungszeiten, Eintrittspreisen und mehr sind von Mitte der Woche an im Internet zu finden. Nur an einem Samstag, dem 10. Dezember, rockt DJ Clut den Platz. Ansonsten wird an zwei Tagen, 16. und 17. Dezember, eine sogenannte Silent Disco angeboten. Dabei tragen die Eisläufer Kopfhörer. Unter drei Kanälen kann gewählt - je nach persönlichem Musikgeschmack - und dazu auf dem Eis gekauft werden. Auch die Öffnungszeiten bis maximal 21.30 Uhr seien auf die Bedürfnisse jener Anwohner abgestimmt, die sich durch die Geräuschkulisse beim Eismärchen belästigt fühlten, sagte Engel.

300 Kunststoffpaneele bilden eine 600 Quadratmeter große Synthetik-Eisfläche. "Das ist für uns eine Premiere", betonte Bergel. Man werde damit Erfahrungen sammeln müssen, speziell in punkto Lärm. Der große Vorteil des künstlichen Eises ist die Unabhängigkeit von der Witterung. Weil es auf den Paneelen mehr Abrieb gibt, soll ein Schleifservice für Schlittschuhe angeboten werden. Obschon die Stadt Strom sparen wird dank der neuen Fläche, wird es für sie nicht kostengünstiger. Etwa 120.000 Euro lässt sich Penzberg das Eismärchen kosten. Das sind 50.000 Euro mehr als in früheren Jahren. Dagegengerechnet werden müssten allerdings das Sponsoring und die Einnahmen, so Bergel.

Dass das Herumgleiten auf dem Synthetik-Eis tatsächlich leiser ist, glaubt Bergel nicht. Das könnte mit ein Knackpunkt sein. Ein Gutachten des TÜV Süd, das dem Stadtrat im Herbst 2020 vorgestellt wurde, belegt, dass nicht allein die Live-Musik beim Eismärchen eine erhebliche Lärmbelästigung darstellt, sondern auch die Kufengeräusche und die Stimmen der Besucher deutlich hörbar sind. Bei dem Event 2019/2020 wurde auf dem Balkon eines zurückgesetzten Hauses (achter Stock) am Rathausplatz gemessen. Streng ausgelegt würde das Gutachten das Aus der Partymeile auf dem Stadtplatz bedeuten - denn dessen Ergebnisse gelten für alle Veranstaltungen.

Bürgermeister Korpan stellte mehr als einmal in Aussicht, das Eismärchen auf die Berghalde zu verlegen. Davon war nicht mehr die Rede, als der Stadtrat im Sommer beschloss, das Winter-Event erneut im Zentrum zu veranstalten. Ein herber Schlag für die Anwohner, die seit Jahren darum kämpfen, dass ihre Belange berücksichtigt werden. Mittlerweile vertritt Anwalt Fürst fünf Mandanten. Sie hätten das Vertrauen in Verwaltung und Stadtrat verloren, so Fürst. Denn beide täten nichts, um die rechtlichen Vorgaben einzuhalten und die Anwohner vor "unzumutbaren und unnötigen Lärmbelästigungen" zu verschonen. Schließlich gehe es nicht um "persönliche Befindlichkeiten", sondern um einen Rechtsanspruch, der sich aus der Freizeitlärmrichtlinie ergebe und durch das vorliegende Gutachten untermauert werde.

Wenig erfreut zeigte sich Fürst, dass das Eismärchen-Programm der Presse und somit der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, die versprochene Vorab-Information seiner Mandaten allerdings nicht stattfand. Erst nach dem Pressegespräch im Rathaus, bei dem der Bürgermeister auf Nachfrage der SZ sagte, er habe mit dem Anwalt unter anderem über die Silent-Disco-Veranstaltungen bereits gesprochen, rief Korpan bei Fürst an, um ihm das Programm mitzuteilen. "Auch das stärkt nicht das Vertrauen", sagte Fürst. Er höre zum ersten Mal von einer Silent Disco. Fürst möchte abwarten, ob Korpan tatsächlich noch die versprochenen Lärmmessungen in Auftrag geben wird. Wenn nicht, dann behielten sich seine Mandanten gerichtliche Schritte vor, teilte er mit.

www.hannis-eismaerchen.de

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