Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, mit welch gravierendem Ausmaß ein Virus das öffentliche Leben von einem Tag auf den anderen lahmlegen kann. Und das weltweit. Dabei war und ist Covid-19 bei Weitem nicht die einzige Gefahr für Leib und Leben. Infektionskrankheiten wie etwa Ebola sind ständige Bedrohungen. Um in Zukunft auf Pandemien schneller reagieren zu können, sind eine effektive Prävention und zügige Bekämpfung wichtig. Ein Baustein auf diesem Weg ist das neue Fraunhofer-Zentrum für Immunologie, Infektions- und Pandemieforschung in Penzberg.
Zum symbolischen Spatenstich für den Neubau im Industriepark Nonnenwald waren unter anderem der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger angereist, die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach, der Staatssekretär des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt Rolf-Dieter Jungk sowie zahlreiche Vertreter aus Wissenschaft und Forschung. Gemeinsam mit dem Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Ludwig-Maximilians-Universität, der TU München, dem Helmholtz Zentrum und dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr möchte Fraunhofer am Standort Penzberg diagnostische Systeme entwickeln, um pandemische Erreger zu identifizieren, neue Therapien entwickeln und die Rolle des Immunsystems bei Infektionserkrankungen besser verstehen.

In ihren Grußworten betonten alle Festredner, wie wichtig die Gesundheitsforschung sei. So hob der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in einer Videobotschaft hervor, dass das neue Forschungszentrum ein wichtiger Meilenstein sei. Insgesamt werden in den Aufbau des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie (ITMP) knapp 90 Millionen Euro in Penzberg und München von Bund und Freistaat investiert. Das Zentrum für Immunologie, Infektions- und Pandemieforschung ist Teil des ITMP. Der neue Fraunhofer-Standort sei nicht nur für die Stadt Penzberg von großer Bedeutung, sondern für die gesamte Region, sagte Söder. Die Millionen seien gut angelegt, erklärte Aiwanger, denn Gesundheit sei das Wichtigste in der Welt. „Bayern ist stark bei biomedizinischen Innovationen. Durch die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Forschung und Hochschulen haben wir die Voraussetzungen, die es braucht, um wissenschaftliche Erkenntnisse in wirtschaftlichen Erfolg umzusetzen. Mit dem neuen Standort des Fraunhofer ITMP in Penzberg stärken wir die Gesundheitswirtschaft in Bayern weiter. Zum Nutzen der Gesundheit und der Arbeitsplätze.“
Während in den USA Fördermittel für Forschung reduziert würden, habe man sich in Deutschland und Bayern entschieden, einen anderen Weg zu gehen, betonten Gerlach und Jungk in ihren Grußworten. Man müsse in der Lage sein, auf neue Erreger schnell und effizient reagieren zu können, so der Staatssekretär. „Das ist eine Investition in die Zukunft.“
Voraussichtlicher Einzug im Frühjahr 2028
Baubeginn für das etwa 21 Millionen Euro teure Forschungszentrum soll im Herbst dieses Jahres sein. Ihre Arbeit aufnehmen können die Wissenschaftler voraussichtlich im Frühjahr 2028. Geplant sind auf dem circa 9000 Quadratmeter großen Grundstück neben Büros und einem Seminarbereich unter anderem hochmoderne S2- und S3-Labore. Die Fläche hat die Fraunhofer-Gesellschaft von der Stadt Penzberg (Erbbaurechtsvertrag) erworben. Das fünfgeschossige Gebäude wird circa 30 Meter lang, 23 Meter breit und 21 Meter hoch. Weitere Bauabschnitte auf dem Areal sind möglich. Künftig soll es 50 Mitarbeitende in Penzberg geben.

Forschung allein reicht nicht. Die Theorie muss in die Praxis umgesetzt werden, um Erkrankten helfen zu können. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass der Neubau auf einem Grundstück in unmittelbarer Nähe zum Biotech-Unternehmen Roche entsteht. In enger Kooperation mit Roche, einem weltweit führenden Hersteller von diagnostischen Analysesystemen, und weiteren Industriepartnern sollen wissenschaftliche Erkenntnisse in „klinische Anwendungen und industrielle Innovationen“ münden.
„Medical Valley“ in Penzberg
Bereits im Mai 2022 bezogen Wissenschaftlerinen und Wissenschaftler vom ITMP angemietete Interims-Räume auf dem Roche-Gelände. Die Forscher untersuchen dort unter anderem die Rolle des Immunsystems bei Infektionskrankheiten und versuchen, neue Erreger in der Tierwelt zu identifizieren, damit im Ernstfall schneller Wirkstoffe entwickelt werden können. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Tuberkulose-Forschung. Laut Michael Hoelscher, Standortleiter in Penzberg und München, konzentrieren sich die übrigen Mitarbeitenden am Infektiologikum auf die Impfstoffforschung, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und die Datensammlung. Insgesamt hat das ITMP momentan 72 Mitarbeitende.
Ebenfalls beteiligen sich die Forscher am Abwasser-Monitoring in Kooperation mit der Stadt München, dem Robert-Koch-Institut und dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. So sei man im vergangenen Jahr darauf gestoßen, dass vermehrt Polioviren im Abwasser auftauchten. Die Gefahr, dass es Fälle von Kinderlähmung gehäuft geben könnte, habe sich nicht bestätigt. Aber dieses Beispiel zeige, so Hoelscher, wie wichtig die Arbeit sei, um im „Alert-Fall“ auf solche Gesundheitsbedrohungen schnell reagieren zu können.
Stolz auf das neue Fraunhofer-Forschungszentrum ist Penzbergs Bürgermeister Stefan Korpan. Forschung und Roche würden sich perfekt ergänzen - und die Stadt vielleicht doch zum „Medical Valley“ werden, wie es einst der jetzige Innenminister Alexander Dobrindt prophezeihte.

