Süddeutsche Zeitung

Erneuerbare Energien in Penzberg:Milliardenprojekt im Nonnenwald

Die Marvel Fusion GmbH präsentiert die Pläne für ein Forschungszentrum zur sauberen Energiegewinnung erstmals öffentlich. Der Penzberger Stadtrat muss dem Verkauf der Industriefläche noch zustimmen.

Von Alexandra Vecchiato

In naher Zukunft könnte die Kleinstadt Penzberg zum bedeutenden Hightech-Standort avancieren. Die Marvel Fusion GmbH möchte sich im Nonnenwald ansiedeln. Die Firma forscht auf dem Gebiet der kohlendioxidneutralen Energiegewinnung auf Basis der Trägheitsfusion. Geplant ist zunächst der Bau einer Demon-strationsanlage. Sollte das Verfahren, bei dem hochmoderne Laser eingesetzt werden, erfolgreich sein, ist der Bau des Prototyps eines Fusionskraftwerks im Nonnenwald vorgesehen. Der Stadtrat ist trotz Zweifel angetan von dem Projekt - zumal die Ansiedlung von Marvel Fusion auf lange Sicht Gewerbesteuereinnahmen in die Stadtkasse spülen könnte. Ein Beschluss steht noch aus.

Proxima und Antares - was wie die Namen zweier Raumschiffe aus "Star Trek" klingt, ist vielmehr das Versprechen auf saubere und unbegrenzt verfügbare Energie und damit Strom. So sollen künftig die Demonstrationsanlage und das Fusionskraftwerk heißen, die Marvel Fusion auf mehr als 29 000 Quadratmetern städtischer Industriefläche in der Nähe des Druckzentrums errichten möchte. Zum ersten Mal öffentlich präsentierten Vertreter des Unternehmens die Pläne am Dienstag im Stadtrat. Transparenz stand dabei im Fokus.

Seit Bekanntwerden des Projekts mehren sich die Bedenken - nicht nur unter den Stadträten. Weshalb man in der vergangenen Woche etwa 50 Penzberger angeschrieben habe, sagte Bürgermeister Stefan Korpan (CSU), die Marvel Fusion auf den Zahn fühlen und Fragen per E-Mail stellen können. "Es können noch Bürger teilnehmen", so Korpan. Konkret geht es darum, dass auch bei einer Trägheitsfusion radioaktives Material anfällt. Allerdings bei Weitem nicht in dem Maße wie bei einer Kernspaltung. Trotzdem lässt das beim ein oder anderen die Alarmglocken schrillen, weshalb das Rathaus drei Experten des TÜV Süd eingeladen hatte, um Bedenken auszuräumen. Korpan selbst hat sich beim Bayerischen Landesamt für Umweltschutz rückversichert. Sowohl die Landesbehörde als auch der TÜV Süd sind am Genehmigungsprozess beteiligt. Beide betonen, dass Marvel Fusion gesetzliche Vorgaben einhalten und entsprechende Nachweise führen müsse. "Sonst gibt es keine Genehmigung", sagte Josef Schober vom TÜV Süd. Er ist Mitglied der Strahlenschutzkommission. Für die Bürger bestehe keine Gefahr, sagte er. Sollte das Unternehmen den Standort aufgeben, sei der Rückbau der Anlagen gewährleistet.

Wie wenig "aktiviertes Material" anfalle, könne man aus der Größe des sogenannten Abklingraums ablesen, sagte Moritz von der Linden, Chief Executive Officer von Marvel Fusion. Der Raum sei 30 Quadratmeter groß, die Abklingzeit betrage 20 Tage. Er führte aus, dass sein Unternehmen den Firmensitz von München verlegen werde. Geht alles nach Plan, soll um den Jahreswechsel der Notarvertrag unterschrieben werden. Spatenstich für den ersten Bauabschnitt ist im Mai 2021. In den Jahren 2030 und folgende könnte dann die Realisierung des Fusionskraftwerks folgen. Laut von der Linden werde die "stärkste Laseranlage der Welt" in Penzberg in Betrieb gehen. Um die Forschung zum Ziel, der wirtschaftlichen Gewinnung sauberer Energie, zu führen, wurden international renommierte Experten an Bord geholt.

Marvel Fusion ist dank der Kontakte von Stadtkämmerer Johann Blank auf den Standort Penzberg gestoßen. Die Firma findet nach eigenem Bekunden ideale Bedingungen im Nonnenwald vor. Da die Hochleistungslaser vibrationsempfindlich seien, habe man vorab Tests durchgeführt, sagte Jörn Meissner, der für die Sicherheit bei Marvel Fusion zuständig ist. Die Bodenbeschaffenheit sei perfekt. Mit der vorhandenen Infrastruktur werde es leicht sein, Personal zu bekommen. "Penzberg ist attraktiv für Mitarbeiter."

Bis 2023 sollen 150 neue Arbeitsplätze am Standort geschaffen werden, 500 bis zum Jahr 2028. Von der Linden rechnet damit, dass sich Zulieferbetriebe ebenfalls ansiedeln möchten. Proxima wird 200 bis 300 Millionen kosten, die Kosten für den Prototyp von Antares werden auf 1,5 bis zwei Milliarden geschätzt.

Fragen an Marvel Fusion unter medien@penzberg.de; die Firmenpräsentation ist auf der Webseite www.penzberg.de zu finden

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SZ vom 29.10.2020
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