Süddeutsche Zeitung

Penzberg:Drohnenbauer unter Druck

Die Penzberger Firma EMT hatte sich zum international gefragten Hersteller für Luftaufklärungssysteme entwickelt. Doch nun ist plötzlich von drohender Insolvenz die Rede. Über das unstete Geschäft mit der Rüstung

Von Viktoria Spinrad, Penzberg

Manchmal zeigt sich die große Politik im Kleinen. Zum Beispiel bei der Drohnenschmiede EMT. Mit dem sogenannten Krieg gegen den Terror und Konflikten in Nahost wuchs die mittelständische Firma zu einem auch im Ausland gefragten Hersteller von Spionagedrohnen, mauserte sich mit drei Standorten inmitten des süddeutschen Rüstungsgürtels zu einem Vorzeigeunternehmen deutscher Rüstungstechnologie.

Doch zurzeit rumort es. Im Oktober und November hat die Firma mit insgesamt 28 betriebsbedingten Kündigungen etwa jedem achten Mitarbeiter gekündigt. Seit Anfang dieses Jahres ist Thomas Heinze zudem der alleinige Geschäftsführer, so mancher redet gar von drohender Insolvenz. Um die Drohnenbauer in Penzberg scheint es nicht gut zu stehen.

Fest steht, dass sie sowohl unter dem Waffen-Auslieferungsembargo der Bundesregierung gegen Saudi-Arabien als auch unter Verzögerungen für ein Großprojekt für die Bundeswehr leiden. Das bestätigt Wolfgang Brand Ende Dezember, kurz bevor er nach nur zwei Jahren als vorsitzender Geschäftsführer abgelöst wird - einer von mindestens drei Abtritten in den vergangenen drei Jahren in der damals noch mehrköpfigen Geschäftsführung.

Konkret rühren die Schwierigkeiten mit dem Bundeswehr-Auftrag aus zwei Projekten für insgesamt mehr als 200 Millionen Euro. Das bestätigen sowohl das Unternehmen als auch das Verteidigungsministerium. Eigentlich sollte EMT bis 2020 mehrere Exemplare ihres neuesten Modells ausliefern: der Überwachungsdrohne LUNA NG. Fünf Meter breit, 80 Kilo schwer soll sie mehr als 150 Stundenkilometer schnell und mehr als zwölf Stunden lang unterwegs sein können - ein fliegendes Lehrstück aus den vergangenen Bundeswehr-Jahren in Afghanistan. Doch nun gibt es Verzögerungen. Die, wie eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums betont, aber auf eine "einvernehmlich beschlossene Integration erforderlicher, moderner Technik zurückzuführen" seien. Das Gesamtprojekt verschiebe sich dadurch nicht.

Die Historie der "Elektro-Mechanische Technologien GmbH" zeigt, wie sehr das Geschäft mit Auslandseinsätzen und Kriegen Schwankungen mit sich zieht. Als Hartmut Euer 1978 EMT gründete, drohte noch ein Kampf zwischen den hochgerüsteten Nato-Armeen und den Mitgliedern des Warschauer Pakts. Euer verkaufte der Bundeswehr Flugabwehrziele, doch mit dem Ende des Kalten Kriegs musste eine neue Geschäftsgrundlage her. Ein Glücksfall für die Firma, als das Verteidigungsministerium EMT Mitte der Neunzigerjahre beauftragte, eine Spionagedrohne zu entwickeln. Mit Bundeswehreinsätzen in Madezonien und Afghanistan wurde die Kundenliste von EMT internationaler. Nato-Staaten wie Norwegen und die Niederlande, aber auch Malaysia, Pakistan und Saudi-Arabien kamen hinzu. Die Firma machte mehr als vier Millionen Euro Gewinn, stellte Mitarbeiter ein. Ende 2017 waren es 261 - etwa 50 mehr als derzeit.

Hier kommt die große Politik ins Spiel. Nach der Tötung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul unterband die Bundesregierung Ende 2018 die umstrittenen Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Wie viel Verlust die Firma durch den Exportstopp gemacht hat, möchte der neue Geschäftsführer nicht sagen. Auch nicht, warum das Unternehmen bereits 2016 und 2017 rote Zahlen geschrieben hat, welche Arbeitsbereiche wegfallen, ob weitere Entlassungen geplant sind und ob die Insolvenz tatsächlich Thema ist. "Die Fragen betreffen Internes", so Geschäftsführer Heinze, der zuvor Programmleiter bei EMT war.

Fest steht, dass EMT noch die Bundeswehr als Hauptkunden und Pakistan bedient - und dass die Lage bereits im Penzberger Rathaus angekommen ist. Wie Bürgermeisterin Elke Zehetner (SPD) sagt, besuchte sie zusammen mit Wirtschaftsförderin Monique van Eijk die Firma. Sie spricht von einer "Delle im Betrieb". Um für die nun gekündigten Mitarbeiter neue Arbeitsplätze zu vermitteln, habe die Stadt ihre Hilfe angeboten. Unter den verbliebenen Mitarbeitern dürfte derweil Unsicherheit herrschen - zumal es dem Vernehmen nach keinen Betriebsrat gibt. Ein Umstand, der sich angesichts der unsicheren Lage aber bald ändern dürfte.

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SZ vom 13.01.2020
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