Penzberg:Dreikampf um das Mummert-Erbe

In der viele Jahrzehnte lang zuverlässig roten Stadt bemühen sich eine parteifreie Sozialdemokratin und zwei ehemalige Genossen um das Amt des Bürgermeisters.

Von Alexandra Vecchiato

Es hat eine Zeit gegeben, da hatte die Stadt Penzberg keinen guten Ruf. "Klein-Moskau" wurde sie beschimpft. Es gibt Erzählungen aus dem Loisachtal, dass sich manche Benediktbeurer und Bichler Sünden fürchteten beim Gedanken, die Stadt im Nachbarlandkreis Weilheim-Schongau zu besuchen. War Penzberg doch lange Zeit der einzige rote Fleck auf der ansonsten schwarz eingefärbten politischen Landkarte. Mehr als 80 Jahre lang hat die SPD dort inzwischen den Bürgermeister gestellt: von 1919 bis 1933 und von 1946 bis heute. Das könnte sich an diesem Sonntag ändern. Nach 18 Jahren tritt der amtierende Bürgermeister Hans Mummert aus Altersgründen nicht mehr an.

Zwei Männer und eine Frau wollen Mummerts Nachfolge antreten. Das Kuriose daran: Der CSU-Kandidat Richard Kreuzer und der Bewerber der Bürger für Penzberg (BfP), Wolfgang Sacher, saßen selbst einmal für die SPD im Penzberger Stadtrat. Die Kandidatin der Genossen, Elke Zehetner, ist indes parteifrei - und eine Neueinsteigerin. Drei Menschen, die nach eigenem Bekunden Penzberg fit für die Zukunft machen wollen; drei Charaktere, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Die Unberechenbare

Elke Zehetner, 45, sagt von sich selbst, als Jungfrau-Geborene sei sie fürchterlich ordnungsliebend und kritiksüchtig. Und sie sei sich ihrer Außenseiterrolle bewusst. Außenseiterin deshalb, weil sie nicht die erste Wahl der Penzberger SPD war. Die Oberverwaltungsrätin, die als Büroleiterin im Kreisverwaltungsreferat in München arbeitet, hielt auf Einladung des SPD-Ortsvorsitzenden Markus Kleinen 2011 ein Seminar zur Haushaltskonsolidierung und machte Eindruck dabei. Zur Kandidatin gekürt wurde sie aber erst, als Michael Zöller, der Stadtrat und Lieblingskandidat der SPD, der Fraktionsvorsitzende Adrian Leinweber und auch Kleinen aus beruflichen Gründen abwinkten. Damals war Richard Kreuzer noch bei der SPD, sah aber zunächst von einer Kandidatur ab.

Sie sei schon ein wenig erschrocken gewesen, als der Ortsvorsitzende ihr den Vorschlag machte, als Bürgermeisterkandidatin für Penzberg anzutreten. "An einem ordinären Mittwoch beim Pizzaessen am Sendlinger Tor", erinnert sie sich. Lange hat der Schock nicht angehalten. "Ich bin immer gut damit gefahren, neue Chancen zu nutzen." Im Dezember 2012 stand für sie fest: "Ich mach das." Viel zu verlieren habe sie nicht, sagt Zehetner, sie sei Laufbahnbeamtin. Ende dieses Jahres geht ihr Chef, für den sie 16 Jahre lang gearbeitet hat, in den Ruhestand. "Ich müsste eh einen neuen Job innerhalb der Stadtverwaltung antreten, warum also nicht gleich etwas Neues wagen."

Der Abtrünnige

Es hätte also alles so schön sein können. Wenn nicht doch noch Richard Kreuzer seine Meinung geändert und doch eine Kandidatur angestrebt hätte. Aber der Ortsvorstand und die Stadtratsfraktion der SPD zogen ihm in einer Klausur Zehetner als Kandidatin knapp vor. Es kam daraufhin nicht gleich zum Bruch. Der folgte für viele unerwartet im Sommer 2013, als die Penzberger CSU verkündete, Richard Kreuzer werde ihr Bürgermeisterkandidat. Eine Nachricht, die eingefleischten Sozialdemokraten in der Stadt wie Hochverrat vorkommen musste.

Auf diesen radikalen Bruch in seinem Lebenslauf angesprochen, folgt eine lange Pause, dann ein tiefes Räuspern. Er habe sich in den vergangenen zwei Jahren sehr verändert, beginnt Kreuzer. Entweder man entwickle sich weiter oder man bleibe so, wie man eben sei. Er kritisiert die aus seiner Sicht nicht vorhandene "offene und breite Zusammenarbeit" im Stadtrat. Im Vergleich zur SPD sei die Penzberger CSU viel aufgeschlossener, viel beweglicher. Und allein das zähle, um die Stadt voranzubringen. Kreuzer schwärmt geradezu von den Möglichkeiten, die ihm nun als CSU-Mitglied offen stünden. Optisch hat er sich ebenfalls angepasst mit Dobrindt'scher Brille, seinen Bart hat er abrasiert. Die Partei sei super organisiert und bei Problemen könne man das Wissen anderer CSUler anzapfen - eine völlig neue Erfahrung für ihn. Mehr als 20 Jahre lang war er für die SPD Mitglied im Stadtrat, und als Fraktionssprecher spielte er die Rolle des Wadlbeißers gut. Künftig will er seine Erfahrung für die CSU einsetzen. Denn ein Wunsch war stärker als alles andere: Bürgermeister zu werden. "Dieses Amt hat mich immer wahnsinnig gereizt, da kann man am meisten bewegen."

Der Quertreiber

Über seinen Konkurrenten Wolfgang Sacher sagt Kreuzer, der sei ein guter Sportler, aber halt nicht Teamplayer bei einer Mannschaftssportart. Das Bild trifft zu, wenn der Penzberger Stadtrat einem Team gleichgesetzt wird. In diesem Gremium fallen die Bürger für Penzberg eher als ewige Nein-Sager auf. Dieses Klischee, das seiner Ansicht nach nicht stimmt, bringt Sacher auf die Palme. Nein, vielmehr seien die BfP alleinige Garanten für einen Neustart in Penzberg. Damit werben sie auch auf ihren Plakaten und in ihren Info-Broschüren. Sacher, der Radrennfahrer und Paralympics-Sieger, liebt Vergleiche aus der Sportwelt. Er müsse nicht Sieger werden in diesem Rennen, sagt er. Bronze habe er auf alle Fälle sicher. Nein, es gehe ihm um Fairplay. Ihm, dem Kämmerer der Gemeinde Schäftlarn, gehe es um nackte Zahlen, um den Haushalt der Stadt. Es gehe um Ehrlichkeit und Transparenz. Ihm, dem Querdenker, habe man in der SPD zu wenig Gehör geschenkt. Wer dem Mainstream bei den Sozialdemokraten nicht folge, der sei unten durch. Er unterwerfe sich aber keinem Mandatszwang. 2012 trat Sacher aus der SPD aus und schloss sich den BfP an.

Der Kampf ums Rathaus

Sachers Leib- und Magenthema, die Finanzen der Stadt, treibt auch Zehetner und Kreuzer um. Sacher - der Schwarzmaler, der keiner sein möchte - will angesichts des Ausfalls der Roche-Gewerbesteuer, der aus seiner sich der absolute Super-GAU ist, die Modernisierung des Wellenbads abblasen und sieht den Anbau ans Stadtmuseum auf der Kippe. Auch sonst müsse die Stadt vor allem ans Sparen denken. Ein Szenario, das Zehetner - die Dauerwahlkämpferin, die mit ihrer Kontaktfreudigkeit zu punkten versuchte - gar nicht zusagt. Schließlich stehe die Stadt gut da, habe rund 200 Millionen Euro an Grund- und Immobilienbesitz. Richard Kreuzer - der Spröde, der sich um mehr Leutseligkeit bemühte - präsentierte ein finanzpolitisches Aktionsprogramm, will als Bürgermeister 20 Millionen Euro auf die hohe Kante legen und die interkommunale Zusammenarbeit forcieren. Denn Penzberg müsse nicht immer denken, alles alleine bewerkstelligen zu müssen.

Das Fazit: Seit Langem kursieren Prognosen in der Stadt. Sicher dürfte sein, dass sich zwei der Bewerber bei einer Stichwahl noch einmal gegenüberstehen werden. Vielleicht sind ja die Sympathisanten der Grünen das Zünglein an der Waage. Die Ökopartei hätte mit Stadträtin Kerstin Engel eine eigene Bürgermeisterkandidatin ins Rennen schicken können. Engel entschied sich dagegen. Die Grünen unterstützen Zehetner, die Kandidatin der SPD. "Die muss jetzt nur noch ihre Chance nutzen", sagt Grünen-Stadtrat Johannes Bauer.

Was die Finanzen angeht - das sehen viele Penzberger gelassen: Mal gibt es schlechte Jahre, mal gute. Und 2015 will Roche wieder brav Gewerbesteuer zahlen.

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