StadtentwicklungEin kleiner Hauch von Hundertwasser

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Die Jury entschied sich für die Fassaden-Variante drei, in der alle vier Gebäude unterschiedlich ausgestaltet sind.
Die Jury entschied sich für die Fassaden-Variante drei, in der alle vier Gebäude unterschiedlich ausgestaltet sind. (Foto: Quelle: Grassinger Emrich human architecture, oh/ Foto: Harry Wolfsbauer)

Penzbergs Flaniermeile könnte in Zukunft „bunt“ werden: Fassadenjury kürt Entwurf des Büros Grassinger/Emrich für Neubau-Komplex zum Sieger.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Penzberg könnte in Zukunft nicht nur „bunt“ sein, was die verschiedenen Nationalitäten betrifft, die in der Stadt leben. Auch in der Architektur tut sich wohl etwas in dieser Richtung. Unterschiedliche Materialien, verschiedene Gebäudehöhen und außergewöhnliche Dachformen machen den Siegerentwurf für die Fassade des geplanten Neubaukomplexes an der Bahnhofstraße aus. Das Büro „Grassinger Emrich human architecture“ hatte drei Varianten für das Vorhaben des Immobilienunternehmens „Bayernwohnen“ erarbeitet. Mehrheitlich entschied sich eine Jury für den Entwurf „Verschieden“. Laut Architekt Wolfgang Emrich steht er für Lebendigkeit und Freude.

Die Stadt Penzberg hatte mit dem Format am Mittwochabend einen neuen Weg beschritten. Kein Preisgericht aus reinen Experten kam in der Stadthalle zusammen. Schüler, Stadträte, Handwerker und interessierte Bürger durften entscheiden. 16 Juroren und Jurorinnen waren ausgewählt worden, um über das weitere Vorgehen auf dem Areal Bahnhofstraße 21 - 25 zu beraten. Ziel der Sitzung war es, eine Fassaden-Variante auszuwählen, die Grundlage für einen städtebaulichen Vertrag sein soll, um eine „qualitätvolle architektonische Ausführung“ der neuen Gebäude zu sichern. Von dem Bayernwohnen-Projekt geht eine Signalwirkung für weitere Bauvorhaben in der Innenstadt aus.

Etwa 50 Penzbergerinnen und Penzberger waren zur Präsentation in die Stadthalle gekommen. Vorne der Reigen der Jury-Mitglieder.
Etwa 50 Penzbergerinnen und Penzberger waren zur Präsentation in die Stadthalle gekommen. Vorne der Reigen der Jury-Mitglieder. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ferner fand die Jury-Sitzung öffentlich statt. Etwa 50 Bürgerinnen und Bürger waren gekommen. Auch sie durften die Entwürfe kommentieren. Fast greifbar war die Erleichterung der meisten Anwesenden, als die Varianten vorgestellt wurden. Denn das Architekturbüro hat sich sichtlich bemüht, der harschen Kritik am ersten Modell für den Neubau-Komplex Rechnung zu tragen.

Obschon die endgültige Höhe der Gebäude noch nicht vom Stadtrat festgelegt wurde, zeigen alle Varianten vier Häuser entlang der Bahnhofstraße mit einer Erdgeschosszone mit bodentiefen Fenstern (Läden, Cafés), drei Wohngeschosse (auch Büros und Praxen möglich) sowie einer Dachzone. Man habe sich die bestehende Architektur in Penzbergs Zentrum angeschaut, sagte Emrich. Auffallend sei ihre Verschiedenartigkeit. So gebe es Vordächer, Ansätze von Arkaden, aber auch Sondermaterialien. Deutlich hätten er und sein Team vernommen, dass sich die Penzbergerinnen und Penzberger von dem Neubau ein Mehr an Aufenthaltsqualität wünschen. Auch sei ihnen die historische Bedeutung des Menagehauses bewusst.

Ungewöhnliche Dachformen

Dass das Menagehaus - wie auch die übrigen Gebäude - abgerissen wird, daran gibt es keine Zweifel. Als Vorsitzender des örtlichen Denkmalvereins appellierte Max Kapfer, der einen Sitz in der Jury hatte, die geschichtsträchtige Bausubstanz zu erhalten. Er vermisse einen Entwurf, der dies berücksichtigte, sagte Kapfer. Aus diesem Grund verzichtete er letztlich auf sein Stimmrecht als Juror. Da waren es nur noch 15.

Und die hatten allerhand Diskussionsbedarf. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, was an den Redebeiträgen deutlich wurde. Moderiert wurde die Abstimmung von der Stadtplanerin Barbara Hummel. „Ich hoffe, wir kommen heute Abend bereits zu einem Ergebnis“, betonte sie. Ihr Wunsch sollte sich bewahrheiten.

Variante eins
Variante eins (Foto: Quelle: Grassinger Emrich human architecture, oh/ Foto: Harry Wolfsbauer)

Bei Variante eins ist der Titel „Einheitlich“ Programm. Alle vier Häuser haben eine helle Farbgebung und eine Fensterform. Die Front ist nicht durchgängig geschlossen. Ein Verbindungsweg soll den hinteren Grundstücksbereich mit der Flaniermeile verbinden.

Variante zwei
Variante zwei (Foto: Quelle: Grassinger Emrich human architecture, oh/ Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Planer nennen Variante zwei „Wechselnd“. Es gibt Brüstungsfenster, wie sie öfters in der Stadt vorkommen. Der Wechsel zwischen den vier Hausfassaden und den nach hinten versetzten „Fugen“ ist stärker akzentuiert. Heller Klinker und dunkler verputzte Wände sollen sich abwechseln.

Variante drei
Variante drei (Foto: Quelle: Grassinger Emrich human architecture, oh/ Foto: Harry Wolfsbauer)

Variante drei trägt die Überschrift „Verschieden“. Jedes der vier Gebäude soll eine Fassade aus anderen Materialien erhalten. Holz käme infrage, so Emrich. Auch glasierte Fliesen könne er sich vorstellen. Alle Fenster sind verschieden ausgeformt. So entstehe Lebendigkeit, die guttue, sagte Emrich, weil alles nicht so „stur“ sei.

Das Besondere an den Entwürfen sind die steilen Blechdächer mit Fenstern - denn auch in diesen Etagen soll gewohnt werden. Sie sind verschieden ausgeprägt und unterschiedlich schräg geneigt. Das stelle kein Hindernis dar, die Dachflächen zu begrünen und mit PV-Anlagen zu bestücken, so Emrich. Mit dem „Durcheinander“ der Dachgestaltung konnte sich etwa Elke Zehetner (SPD) nicht anfreunden. Genau in diesem ungewöhnlichen Element sah indes Anette Völker-Rasor (PM) eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum ersten „monströsen“ Modell: „Das nimmt die Wuchtigkeit heraus.“ Allerdings vermisste sie eine Botschaft, die Architektur als Sprache vermitteln sollte. Emrich betonte, dass er gerne Vorschläge dazu aufgreifen würde.

Wer der Favorit der meisten Anwesenden ist, wurde schnell klar. Die „fröhlichen Dächer“ würden ihn sehr erfreuen, sagte etwa Johannes Bauer. Er sei von Variante drei fasziniert, denn sie würde die Eigenart Penzbergs widerspiegeln. Uniformität in der Stadt der 100 Nationen und Bauformen den Weg zu bereiten, halte er für den falschen Weg.

Johannes Bauer sprach sich für „fröhliche Dächer“ aus.
Johannes Bauer sprach sich für „fröhliche Dächer“ aus. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Letztlich entschieden sich acht von 15 Juroren für die Variante „Verschieden“. Was von dem Entwurf letztlich übrig bleibt nach den noch folgenden Beratungen in den Gremien, wird sich erst noch zeigen. Schon an dem Abend erklärten einige Stadtratsmitglieder, dass sie sich Nachbesserungen wünschten. Vor allem die in jedem Gebäude anders gestalteten Fenster stießen nicht geschlossen auf Gegenliebe. Man sollte nicht am Grundgedanken des Entwurfs herumdoktern, mahnte Völker-Rasor.

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