"Ass-Dur" mit Parodien und Klaviernummern:"Sie müssen mich anrufen, Susanne!"

"Ass-Dur" mit Parodien und Klaviernummern: Hosen runter: Das Duo "Ass-Dur" hatte die Zuhörer in der Loisachhalle am emotionalen Zügel.

Hosen runter: Das Duo "Ass-Dur" hatte die Zuhörer in der Loisachhalle am emotionalen Zügel.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Beifallsstürme im halbleeren Raum: Das preisgekrönte Duo "Ass-Dur" nimmt es im Programm "1. Satz - Pesto" mit der Loisachhalle auf.

Von Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

Was wäre dieser Abend ohne Susanne aus Wolfratshausen gewesen? "Nicht halb so lustig", resümiert Dominik vor einem johlenden Publikum. Und da hat er nicht ganz Unrecht. Susanne, 60 Jahre, flotte Kurzhaarfrisur, ist die arme Frau in der ersten Reihe, die sich Dominik und Benedikt gleich zu Beginn ihres Programms "1. Satz - Pesto" gegriffen und zur "Publikumssprecherin" erklärt haben. Eigentlich, sagen sie, hätten sie an diesem Abend in Las Vegas auftreten können. Den Gästen in der Loisachhalle würden sie deshalb eine zweite Chance geben, sie beim Betreten der Bühne entsprechend zu begrüßen. Susanne solle also aufspringen und rufen: "Darauf habe ich mein ganzes Leben gewartet!" Und ihre Nachbarin bekommt einen riesigen, fleischfarbenen BH in die Hände gedrückt. Den soll sie bitte im gleichen Moment auf die Bühne werfen.

Das klappt dann auch recht gut: Die zwei jungen Männer schreiten erneut hinter dem roten Vorhang hervor, Susanne springt auf, der BH fliegt, das Publikum jubelt - und Ass-Dur, so nennt sich das Duo, hat die Zuschauer am emotionalen Zügel. Eine erstaunliche Leistung in der Loisachhalle, die mit geschätzt 180 Leuten immerhin passabel gefüllt ist. Dass es den beiden Musik-Komödianten gelingt, diesen Zügel in den kommenden zwei Stunden nicht schleifen zu lassen, liegt vor allem an ihrem nicht unbedingt tiefsinnigen, dafür aber höchst vergnüglichem Programm. Und, ja, nicht zuletzt an Susanne.

Die Rollenverteilung auf der Bühne ist von Anfang an klar: Da ist zum einen Benedikt (blond, blauäugig, geschniegelt), ein Schöngeist, der sich darauf versteht, unheimlich schnell unheimlich gescheit daherzureden. Und da ist Dominik. Puh. Verstrubbelt. Neben der Kappe, als hätte er die letzte Nacht an der Playstation verbracht. Er ist der Mann fürs Flache, für "Was ist"-Witze, die er Benedikt gerne von der Seite wie Prügel zwischen die Füße wirft. "Was ist rot und steht am Straßenrand?" - "Dominik! Ich versuche gerade, etwas Anspruchsvolles . . ." "Eine Hagenutte." "Dominik!" "Ich fand's lustig." Und das geht dem Publikum genauso.

Blödsinn, Parodie und Zauberei wechseln in rasantem Tempo mit Klaviernummern. Da setzt sich etwa Benedikt an den Flügel, klimpert ein endloses Intro und erzählt von seinem Opernstudium, das er abgebrochen habe, weil er diesen kurzen Moment so liebe: Wenn man sich ans Klavier setzt, ein Intro anstimmt und dem Publikum in ein paar Worten erzählt - was, nebenbei gesagt, ganz schön schwierig ist, während man Klavier sitzt und spielt, - wie es zu diesem Song gekommen ist. Und dann intoniert er: ein Pfannkuchen-Rezept. In Form einer romantischen Pop-Ballade, mal zart, mal fettig.

Zur Höchstform laufen die beiden auf, wenn sie sich gemeinsam am Flügel austoben, um die Tasten streiten, die Plätze wechseln, mal überkreuz, mal mit dem Hintern spielen. Da sitzt jeder Griff, jeder Triller, jedes Augenbrauenzucken. Und obwohl dieses Programm schon einige Jahre alt ist (und den beiden viele Preise eingebracht hat), kommt es frisch daher. Das liegt offenkundig daran, dass sie nicht nur bestens aufeinander eingespielt, sondern extrem spielfreudig sind. Jede menschliche Regung aus dem Saal wird von ihnen dankbar aufgenommen. Und in der ersten Reihe sitzt: Susanne. Was sie denn da in ihr Notizheftchen schreibe, will Benedikt nach der Pause wissen. "Das Pfannkuchen-Rezept", antwortet sie prompt. Und was für sie der emotionale Höhepunkt der ersten Hälfte gewesen sei? Susanne: "Die drei Eier." Da muss sogar Dominik lachen.

Ein paar Minuten später, beim Happy-Birthday-Wunschkonzert, kommt es zur Offenbarung. Dominik fragt: "Susanne, kennen Sie ein paar klassische Komponisten? Dann nennen sie mir doch vier." Sie wünscht sich Mozart und Beethoven (Dominik lächelt) - und dann noch Rachmaninow und Liszt. Dominik lächelt nicht mehr. Rachmaninow und Liszt? "Ja", sagt Susanne. "Mozart und Beethoven habe ich ja schon das letzte Mal gehört." Und da ist es raus: Susanne ist ein eingefleischter Fan. Sie sieht die beiden zum dritten Mal. Zuletzt hat sie sich mit ihnen vor vier Jahren in der Lach- und Schießgesellschaft vergnügt. Dominik: "Susanne, Sie müssen mich anrufen, wenn Sie kommen!"

Der restliche Abend ist ein Fest, die Abschlussnummer fulminant: Da lassen die beiden Spielsüchtigen zwischen "Für Elise" und "Türkischem Marsch" die Socken fliegen, ziehen sich gegenseitig bis auf die Unterhose aus und dann wieder an. Dominik, auf dem Rücken liegend, jagt mit überkreuzten Händen Mozarts Sonate C-Dur über die Tastatur, bis Benedikt, breitbeinig über ihn gebeugt, mit der "Sendung mit der Maus" übernimmt (so dass Dominik von unten ihm das Hemd zuknöpfen kann). Das ganze endet kurz nach dem Untergang der Titanic - tadellos gekleidet - bei einem Bi-Ba-Butzemann a la Beethoven. Tosender Applaus, Trampeln, Pfeifen, überall glückliche Gesichter - fast wie in der Lach- und Schieß. "1. Satz - Pesto"? Da Capuccino!

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