Pandemie in Bad Tölz-Wolfratshausen:Das Corona-Schlamassel

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Vorerst nicht mehr im Sortiment: Das Vakzin von Astra Zeneca, das erst nur Jüngeren und dann allen verabreicht wurde, wird nun auch im Landkreis gar nicht mehr verimpft. Bislang haben 37 Prozent der geimpften Landkreisbürger den britisch-schwedischen Wirkstoff erhalten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Impfkampagne im Landkreis hat noch nicht richtig Tempo aufgenommen. Der Stopp der Impfungen mit Astra Zeneca verlangsamt den Prozess nun zusätzlich - und das bei einer wieder steigenden Zahl an Neuinfektionen.

Von Florian Zick, Bad Tölz-Wolfratshausen

In seinem beruflichen Leben hat Anton Kasparbauer als Gymnasiallehrer Chemie und Biologie unterrichtet. Der wissenschaftlich-analytische Blick ist ihm deshalb immer noch zu eigen. Sieben Thrombosefälle bei rund 1,5 Millionen Impfungen mit Astra Zeneca, das sei statistisch keine relevante Größe, sagt er. Und dennoch beschleicht Kasparbauer nun ein gewisses Unbehagen. Denn nach dem am Montag auch in Deutschland verhängten Stopp für Impfungen mit Astra Zeneca, "da werden die Leute jetzt diesen Impfstoff natürlich reihenweise ablehnen", so seine Prognose.

Kasparbauer wird im Juni 81 Jahre alt. Er und seine Frau sind am Dienstag vor einer Woche geimpft worden. Erst am Tag davor ist Astra Zeneca auch für die Generation Ü 65 zugelassen worden. Auch, als er die schwere Holztüre zum Wolfratshauser Impfzentrum aufgezogen hat, ist der rüstige Geretsrieder deshalb noch fest davon ausgegangen, dass sie mit einem anderen Vakzin geimpft werden. "Wir waren voll auf Biontech", sagt er. Im Impfzentrum wurden sie dann aber für ihn unerwartet für Astra Zeneca eingetragen. Kasparbauer und seine Frau haben sich etwas zähneknirschend dennoch impfen lassen. Als ehemaliger Biologielehrer konnte er das vermeintliche Risiko schließlich gut einschätzen. Und besser irgendein Impfstoff als gar nicht geschützt. "Aber so kann man mit uns Alten doch nicht umgehen", sagt er. Diese Missinformation habe ihn schon sauer gemacht, so Kasparbauer.

Wie der Geretsrieder Pensionär, so sind in den vergangenen Wochen auch viele andere Bürger im Landkreis mit Astra Zeneca geimpft worden. Insgesamt sind in den beiden Impfzentren in Bad Tölz und Wolfratshausen bislang 17 062 Spritzen gesetzt worden. Mit Stand Sonntag hatte Astra Zeneca daran einen Anteil von 37 Prozent. Dieser Wert wird nun kontinuierlich sinken, mit Astra Zeneca wird schließlich vorläufig nicht weiter geimpft. Man habe immer nur für die nächsten 48 Stunden Impftermine im Voraus vergeben, heißt es dazu aus dem Landratsamt. Deswegen habe sich die Zahl der nun nötigen Absagen in Grenzen gehalten. Die stornierten Impfungen könne man allerdings nicht mit den anderen Impfstoffen kompensieren.

Im Landratsamt wartet man nun die weitere Entwicklung ab. Zweitimpfungen mit Astra Zeneca würden zeitnah noch nicht anstehen, sagt Behördensprecherin Marlis Peischer, zwischen den beiden Impfungen müssten schließlich zwölf Wochen vergehen. Die ersten Zweitimpfungen mit Astra Zeneca stehen im Landkreis deshalb theoretisch erst Anfang Mai an. Bis dahin hat sich womöglich auch die bundesweite Impfstrategie wieder geändert.

Anton Kasparbauer kann über das Durcheinander nur süffisant den Kopf schütteln. Schon bei der Zulassung von Astra Zeneca sei es drunter und drüber gegangen, sagt er. Dass ein Impfstoff nicht an über 65-Jährigen getestet wurde, "eine solche Studie würde einem kein Wissenschaftsmagazin der Welt abnehmen", sagt der ehemalige Lehrer. Und nun steigt schließlich auch die Zahl der Infizierten wieder. In Bad Tölz-Wolfratshausen waren es nach Angaben des Landratsamts am Dienstag 74, davon mehr als die Hälfte mit der britischen Virus-Variante.

Kasparbauer und seine Frau haben von der Impfung mit Astra Zeneca übrigens wenig gespürt. Seiner Frau habe in den 48 Stunden danach an der Einstichstelle der Arm geschmerzt, sagt er. Und sie seien sich auch etwas schlapp vorgekommen, "aber auch nur, wenn man in sich hineingehört hat", sagt Kasparbauer. Er jedenfalls habe kein Problem damit, sich auch die Zweitimpfung mit Astra Zeneca zu holen. Diese stehe zwar eben erst in etwa zwölf Wochen an. Und wer wisse schon, ob dieser Impfstoff bis dahin wieder zugelassen sei. Theoretisch sei ja auch eine heterogene Impfung möglich, also eine Nachimpfung mit einem anderen Impfstoff. Doch egal, wie es kommt: "Mir ist das eigentlich wurscht", sagt Kasparbauer.

© SZ vom 17.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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