Wer eine Berghütte bewirtet, prägt das Erlebnis für die Gäste maßgeblich, und da Hütten oft ihre dazugehörige Alpenvereinssektion im Namen tragen, sind sie auch deren Aushängeschilder. Für die Wolfratshauser war Werner Blaßl eine solche Institution. Etwas mehr als drei Jahrzehnte hatte er die Wolfratshauser Hütte am Grubigstein südwestlich von Lermoos in Tirol gepachtet. Seine Nachfolger Andreas und Mathias Lehner waren etwa vier Jahre am Berg, ehe sie zum Ende der Wintersaison 2024/2025 kündigten. Die Tölzer Nachbarsektion musste auf ihrer Hütte am Tiroler Schafreuter verkraften, dass zwei Pächter nach jeweils einer Saison aufhörten, ehe nun offenbar eine längerfristige Lösung gefunden wurde.
Im Gespräch äußert sich der Vorsitzende der Wolfratshauser Alpenvereinssektion Gerhard Hofmann über die veränderten Ansprüche der Gäste, was einen guten Hüttenwirt ausmacht, und wer die neuen Pächter am Grubigstein sind.

SZ: Herr Hofmann, Bergsport ist so populär wie nie. Über zu wenig Gäste dürfte sich ein kompetenter Wirt kaum beklagen. Trotzdem ist der subjektive Eindruck, dass die Pächter in jüngster Zeit öfter wechseln. Wie erklären Sie sich das?
Gerhard Hofmann: Die Zeit hat sich sehr geändert. Die Beständigkeit hat in allen Dingen abgenommen. Dass Leute heutzutage 30, 40 Jahre in einer Firma arbeiten, gibt es praktisch nicht mehr. Es gehen auch viele Leute ins Gebirge, die dort eigentlich gar nichts verloren haben. Denen steht der Sinn überhaupt nicht nach dem Natur- und Bergerlebnis, sondern vor allem nach Feiern und Partygaudi. Teilweise gibt es auch Vandalismus. Zudem sind die Gäste in den Hütten anspruchsvoller und rücksichtsloser geworden.
Inwiefern?
Manche nutzen nur die Toilette und gehen wieder. Andere lassen einfach ihren Abfall dort. Das sind zwar Kleinigkeiten, die aber einen Hüttenwirt ganz schön nerven können. Den Müll zu entsorgen, ist eben nicht so einfach wie im Tal. Das kostet Geld und ist zeitaufwendig. Schließlich muss der Müll ja vom Berg heruntergefahren werden. Manche Leute sind auch sehr ungeduldig, wenn nicht sofort eine Bedienung da ist. Wenn viele Gäste auf einmal kommen, braucht das am Berg aber einfach seine Zeit. Dann müssen die Gäste eben einfach einmal ein bisschen warten. Die Gemütlichkeit, die früher da war, gibt es nicht mehr so oft.
Nach einem Traumjob hört sich das nicht an. Halten aus Ihrer Sicht viele Pächter auch deshalb nicht mehr so lange durch?
Ja, das liegt für mich schon daran.
Stellen sich manche Pächter den Alltag eines Hüttenwirts zu romantisch vor und sind dann enttäuscht, auch weil sie sich womöglich finanziell mehr erwarten?
Die ernsthaften Bewerber wissen genau, wie viel Ertrag sie erwarten können. Reich wird damit keiner. Als Sektion kommen wir aber den Pächtern entgegen. Wir schauen darauf, dass jeder seinen Lebensunterhalt gut bestreiten kann. Bei uns auf der Wolfratshauser Hütte zahlen die Wirte eine Umsatzpacht. Wenn also kein Gast kommt, wie etwa während der Pandemie, wo das teils nicht erlaubt war, zahlt niemand drauf. Das zweite Standbein sind die Übernachtungen. Die Gebühren gehen an die Sektion. Der Hüttenwirt bekommt pro Gast ein paar Euro, etwa für bereitgestellte Bettwäsche.
Ein Hüttenwirt ist ja das Gesicht einer Sektion nach außen. Schadet es, wenn derjenige öfter wechselt?
Das macht nichts aus, denke ich. Es spricht sich doch schnell herum, wenn ein Pächter nett und freundlich ist. Genauso wenn einer grantig ist.
Ist so eine Pächtersuche für eine Sektion nicht ziemlich zeitaufwendig?
Sicher ist das ein zeitlicher Aufwand. Hauptsächlich ist erst einmal der Hüttenreferent gefordert. Er muss die Stellenausschreibung formulieren und die verschiedenen Medien bedienen. Wir haben das Gesuch auf der Plattform des Deutschen Alpenvereins veröffentlicht. Weil die Wolfratshauser Hütte in Tirol und damit in Österreich liegt, war das auch gleichzeitig mit dem Portal des österreichischen Alpenvereins verschaltet. Wir hatten die Anzeige schon im Herbst 2024 veröffentlicht. Es gab an die 20 Bewerbungen. Am Anfang war das aber ein zäher Prozess. Die meisten Bewerbungen sind erst im Januar und Februar 2025 eingegangen. Wir haben dann vier Bewerber eingeladen. Im Vorstand haben wir uns dann schnell für ein Paar entschieden.

Der allseits beklagte Personalmangel scheint also kaum für Hüttenwirte zu gelten.
Dass es so viele Bewerbungen gab, liegt auch daran, dass unsere Hütte relativ günstig gelegen und damit gut zu bewirtschaften ist. Selbst im Winter ist für ein paar Monate offen, weil die Hütte zwar am Rand, aber im Skigebiet liegt. Als Hüttenwirt ist man da auch schnell im Tal, wenn man das will.
Was macht denn einen kompetenten Hüttenwirt aus?
Die Hauptsache ist, guten Kontakt zu den Gästen zu haben. Wenn möglich, sollte ein Bewerber zudem schon Hüttenerfahrung haben. Für Tirol ist auch eine Gastronomiebewilligung nötig. Es kann nicht jeder von einem Tag auf den anderen Wirt werden. Im Team sollte es auch jemanden geben, der kochen kann. Handwerklich geschickt zu sein, schadet ebenso wenig, um auch einmal etwas selbst reparieren zu können. Handwerker dafür auf den Berg zu bekommen, ist eher schwierig.
Ein so langjähriger Wirt wie Werner Blaßl war also schon gut für die Wolfratshauser Sektion?
Das ist auf jeden Fall ein absoluter Glücksfall. Ein solcher Wirt kennt irgendwann alles in- und auswendig. Der hat die Hütte hundertprozentig im Griff. Bei uns haben sich etwa auch Manager beworben, die aussteigen wollen und darauf verwiesen haben, dass sie einen Betrieb mit so und so viel Personal und Umsatz geleitet haben. Mit Gastronomie und Übernachtungen ist eine Hütte aber so etwas wie ein Hotelbetrieb. Da kommt es nicht in erster Linie darauf an, mit wie viel Geld ich wirtschaften kann.

Und wer sind nun die neuen Pächter auf der Wolfratshauser Hütte?
Marina Lesacher aus Schattwald im Tannheimer Tal hat die Hütte gepachtet. Sie und ihr Team stammen aus der Region, kennen die Lieferketten und wissen genau, wo sie was am besten einkaufen. Ende Mai ist die Eröffnung geplant. Da gibt es mit Christi Himmelfahrt praktisch ein verlängertes Wochenende. Mal sehen, ob das klappt.
In einer ersten Version des Interviews hieß es, ein Paar habe die Wolfratshauser Hütte gepachtet. Richtig ist, dass Marina Lesacher die Hütte als Einzelunternehmerin gepachtet hat.