Schäftlarner erinnert sich an die Spiele 1972:Feuer und Flamme für Olympia

Schäftlarner erinnert sich an die Spiele 1972: Erich Rühmer aus Schäftlarn war dabei, als 1972 das olympische Feuer auf auf der B 11 durch Schäflarn getragen wurde.

Erich Rühmer aus Schäftlarn war dabei, als 1972 das olympische Feuer auf auf der B 11 durch Schäflarn getragen wurde.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Schäftlarns Altbürgermeister Erich Rühmer war vor 50 Jahren als Fackelträger und Fotoreporter mit dabei, als die Spiele nach München kamen.

Von Susanne Hauck

Da ist es ja. Ein weißes Turnleibchen aus Baumwolle, mit dem blauen Aufdruck "München 1972" auf der Brust, darüber die verschlungenen Olympiaringe und darunter die markante Strahlenspirale. Marke Schiesser, wie das eingenähte Etikett verrät. Erich Rühmer hat es aus dem Schrank gezogen, wo es 50 Jahre lang unter der Wäsche verschwunden war. Ein einziges Mal hat er das ärmellose Shirt getragen. Aber das war ein ganz besonderes Mal: Damals war Rühmer einer der Fackelträger, die das olympische Feuer Richtung München brachten, wo es am 26. August entzündet wurde. Das offizielle Trikot durfte er behalten. Er hat es gewaschen, weggelegt und irgendwann vergessen. Nun, als er es zum ersten Mal nach so langer Zeit wieder in den Händen hält, kommen die Erinnerungen.

Der Schäftlarner Altbürgermeister hat die Schwarz-Weiß-Fotos von damals in ein Album eingeklebt. Rühmer lacht als fescher junger Mann in die Kamera, neben ihm stehen seine Co-Läufer Alois Auer und Wolf-Peter Schulte, alle ganz in weiß, mit besagtem Trikot und kurzer Turnhose. Rühmer war 1972 35 Jahre alt und wohnte mit der Familie in Ebenhausen. Seit 1954 ist er Mitglied im TSV Schäftlarn, wo er eine halbe Ewigkeit im Vorstand und über 50 Jahre Jugendtrainer war. Nach wie vor ist er sportlich fit, fährt zusammen mit seiner Frau lange Radtouren. Das Olympiahemd könnte glatt noch passen.

Schäftlarner erinnert sich an die Spiele 1972: Die Fackelläufer aus Schäftlarn: Links Erich Rühmer, mittig Alois Auer und rechts Wolf-Peter Schulte.

Die Fackelläufer aus Schäftlarn: Links Erich Rühmer, mittig Alois Auer und rechts Wolf-Peter Schulte.

(Foto: Repro: Harry Wolfsbauer)

Die olympische Flamme durfte nicht jeder tragen. Die lokalen Sportvereine hatten die Aufgabe, alles zu organisieren und die Läufer auszuwählen, in Schäftlarn übernahm das der TSV Schäftlarn. Es sei aber nicht schwer gewesen, sich zu qualifizieren, so Rühmer, als Fußballer seien sie schließlich fit gewesen. Alle, die sich gemeldet hätten, hätten auch mitmachen dürfen. 42 Läufer seien sie gewesen. Lange geübt wurde vorher nicht, ein Probedurchlauf musste reichen. Sie liefen immer im Trio, jeder durfte die silberfarbene, dank Flüssiggas brennende Fackel abwechselnd halten, und nach 300 Meter übernahm schon die nächste Gruppe. Die Schäftlarner Etappe begann an der Hofstelle in Schützenried am Ortsausgang Icking und verlief entlang der B11 bis in die bewaldete Senke vor Baierbrunn. Rühmer und seine Kumpels hatten den letzten Abschnitt. "Wahnsinnig anstrengend war das nicht, es ging ja den Berg runter", schmunzelt Rühmer. Etwas aufgeregt seien sie vorher schon gewesen, aber alles sei gut gegangen. Am strengsten wurde darauf geschaut, dass keiner den Zeitplan durcheinanderbrachte, die Kette durfte schließlich nicht reißen. "Man durfte nicht zu spät oder zu früh eintreffen." In Ebenhausen warteten einige Dutzend olympiabegeisterte Zuschauer, wie sich Rühmer erinnert. Dort machte der Fackellauf nämlich am Kriegerdenkmal Station und es gab Reden. "Aber sonst waren wir ganz allein auf der Straße." Drei der Fackeln durfte der TSV übrigens als Souvenir behalten.

Schäftlarner erinnert sich an die Spiele 1972: Das Kriegerdenkmal, an dem sich Franz Samuel am olympischen Feuer bedient hat.

Das Kriegerdenkmal, an dem sich Franz Samuel am olympischen Feuer bedient hat.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Mindestens ebenso spannend wie den Fackellauf fand er seinen Einsatz als olympischer Fotoreporter. 1972 war Erich Rühmer noch nicht Bürgermeister, sondern im Verlag seines Vaters Karl Rühmer in Holzen beschäftigt und machte als Fischereisachverständiger Gutachten, weswegen er eine Kamera mit allen Schikanen besaß. Nebenbei verdiente er sich als freiberuflicher Lokalreporter etwas dazu. Eines Tages kam der Anruf von der Zeitung, "kannst du für uns das Radfahren fotografieren". Das 100-Kilometer-Mannschaftsradfahren ging von Schäftlarn bis Penzberg. Auf der nagelneuen Autobahn, die eigens dafür gesperrt wurde. Bei Schorn waren Zuschauertribünen aufgebaut, dort fand auch die Siegerehrung statt, die Russen machten den ersten Platz. Rühmer wundert sich heute noch, wie unbekümmert das alles organisiert war. "Ein großes Polizeiaufgebot gab es nicht, auch keine Abschirmung." Auf dem Foto, das Rühmer noch hat, sind in der Zuschauermenge am Fahrbahnrand nur ein paar der Olympia-Ordner mit Schirmmütze und hellblauen Polyesteranzügen zu sehen. "Man konnte einfach ganz nah hingehen und ein Foto machen, niemand hat einen gehindert." Hinterher fuhr er ins Fotogeschäft Stamm in Ebenhausen, das es damals noch gab, um die Bilder sofort entwickeln zu lassen. Das Fotografieren war damals noch so teuer, dass er die acht Aufnahmen, die er gemacht hatte, eigens aus dem Filmstreifen schneiden ließ. Rühmer hat noch eine andere Geschichte auf Lager, die Schäftlarns olympische Vergangenheit dokumentiert: Silvia Sommerlath, die als Olympiahostess den Schwedenkönig Carl Gustav bezauberte, soll seinerzeit als Au-Pair in einer Villa in der Zeller Max-Rüttgers-Siedlung gearbeitet haben. "Kennengelernt habe ich sie leider nicht."

Schäftlarner erinnert sich an die Spiele 1972: Das Fotolbum Erich Rühmers zeigt noch die Eintrittskarten von damals, die zum Teil um die 10 D-Mark kosteten.

Das Fotolbum Erich Rühmers zeigt noch die Eintrittskarten von damals, die zum Teil um die 10 D-Mark kosteten.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Wie wohl jeder damals war auch Rühmer vom Olympiafieber angesteckt. Viele Male fuhr Rühmer zu Wettkämpfen ins Stadion, schaute Schwimmstar Mark Spitz zu, wie er eine Goldmedaille bekam. Gerade mal zehn Mark kostete ein Stehplatz damals. An das Attentat hat der Schäftlarner wenig Erinnerungen, er hat den Eindruck, dass alles ziemlich heruntergespielt wurde. "Das war irgendwie ziemlich weit weg, auch in der Presse und im Fernsehen wurde eher wenig berichtet." Auch er sei kurz danach wieder im Stadion gewesen. "Die Stimmung war etwas gedämpft, aber sonst ist alles ganz normal weitergegangen."

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