Ökosystem Wald:"Die Fichte wird sich bald verabschieden"

Infolge des Klimawandels setzen Hitze, Trockenheit und Stürme den Bäumen massiv zu. In der Münchner Schotterebene sind die Folgen nach Einschätzung der Waldbesitzer dramatisch

Von Michael Morosow, Wolfratshausen

Die Medizin hat den Wald schon längst als Therapieraum entdeckt. Seine gesundheitsfördernde Kraft ist verbürgt. Sauerstoff, ätherische Duftstoffe und die sprichwörtliche Waldesruh tun Leib und Seele gut. Jetzt aber ist der Wald selbst ein Pflegefall. War es in den Achtzigerjahren der saure Regen, der ihn aufs Krankenlager warf, sind es dieses Mal der Klimawandel, verbunden mit Hitze, Trockenheit und Stürmen, sowie sein Erzfeind, der Borkenkäfer, die ihn stressen. Die Prognose des Sauerlacher Waldbauern Johann Killer klingt dann auch wenig hoffnungsfroh: "Lustig wird's nicht."

Noch so ein Sommer wie heuer, dann bekäme das Ökosystem Wald "ein echtes Problem", sagt Killer. Und mit dem Wald leiden auch die Waldbesitzer, in ökonomischer und ökologischer Hinsicht. Sie befinden sich aktuell in einer bedrohlichen Situation. Zum einen müssen sie auf die veränderten klimatischen Bedingungen reagieren. Zum anderen bleiben sie derzeit auf ihrem Holz sitzen oder müssen es zu sehr niedrigen Preisen abstoßen. Grund ist auch das Sturmtief Vaia, das am 30. Oktober über Mitteleuropa hinwegfegte und ganze Wälder in Österreich und Norditalien verwüstete.

"Südlich der Alpen lagern jetzt riesige Mengen an Schadholz", sagt Johann Killer, der als Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung Wolfratshausen die damit verbundenen Probleme der 1300 Mitglieder kennt. Er rechnet mit einer Größenordnung von bis zu 30 Millionen Kubikmetern Holz, das nach und nach den Markt nördlich der Alpen überschwemmen werde, zumal es in südlichen Ländern kaum eine Sägeindustrie gebe. "Das setzt den Holzmarkt massiv unter Druck." Schon jetzt seien die Preise beim Kurzholz, also Stämmen von vier bis fünf Metern Länge, um ein Drittel unter dem Vorjahresniveau. "Das reicht kaum mehr, um die Kosten für das Fällen und den Transport zu decken."

Wald bei Grünwald, 2013

Um die Waldbauern auf die veränderten Bedingungen einzustellen, gibt es Schulungen.

(Foto: Claus Schunk)

Beim Kurzholz sei der Preis von 100 Euro für den Kubikmeter auf 70 und weniger gefallen, berichtet auch Klaus Widmann, Inhaber des mittelständischen Sägewerks Kogler in Kreuzpullach, in dem vor allem Langholz verarbeitet wird. Hier seien die Preise noch relativ stabil, weil die Großsägewerke im Moment viel exportierten. Aber die würden über kurz oder lang auch auf den heimischen Markt drängen. Bei den Bayerischen Staatsforsten rechnet man mit noch mindestens zwei Jahren, in denen der heimische Holzmarkt unter dem Angebotsüberhang leiden müsse. Johann Killer sieht das ähnlich. "Zwei bis drei Jahre wird die Situation noch anhalten", glaubt der Sauerlacher, der selbst knapp 70 Hektar Wald bewirtschaftet und gerade eine besonders akkurat gewachsene, neuneinhalb Meter hohe Weißtanne zur Bayerischen Staatskanzlei lieferte, wo sie als geschmückter Christbaum steht.

Die aktuell wenig ersprießliche finanzielle Lage bedrückt den 57-Jährigen indes nicht gar so sehr wie die Sorge, dass der Klimawandel den bereits angeschlagenen Wäldern weiter zusetzen und es Wälder, wie man sie heute kennt, bald nicht mehr geben wird. Vor allem nicht auf der Münchner Schotterebene, auf der Wasser viel schneller und tiefer versickert als andernorts. "Die Fichte wird sich bald verabschieden", ist sich Johann Killer sicher. Der Grund für dieses Menetekel ist die Tatsache, dass Fichten Flachwurzler sind und auf dem Trockenen sitzen, wenn das Grundwasser so weit absinkt, dass sie ihre Wurzeln vergeblich nach ihm ausstrecken und ihnen nach und nach Saft und Kraft ausgehen.

"Der Käfer hat dann leichtes Spiel", sagt Killer. Wobei ihm der Borkenkäfer in jüngster Zeit Rätsel aufgibt. Zu Beginn des Jahres hatten er und alle anderen Waldbauern sich auf das dritte schlimme Borkenkäferjahr in Folge eingestellt. Messungen an der Messstation in Eglfing im Frühjahr schienen eine abermals starke Population des Baumschädlings zu bestätigen: Pro Woche und Falle wurden laut Killer 6000 bis 8000 Käfer gezählt. Schon bei 3000 Käfern sprechen Experten von einer großen Gefahr. Zur allgemeinen Überraschung hielt sich der Borkenkäfer im heißen Sommer aber zurück, und die Waldbauern hegten bereits die Hoffnung, dass "der Käfer in sich zusammenbricht", wie Killer sagt. Aber im späten Herbst habe er wieder Schwung bekommen, weshalb auch für nächstes Jahr keine Entwarnung gegeben werden könne.

Ökosystem Wald: Johann Killer (li.) und Förster Robert Nörr.

Johann Killer (li.) und Förster Robert Nörr.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Was auch der Bayerische Waldbesitzer-Verband mit Sorge betrachtet, ist die stetige Zunahme von Klein- und Kleinstwaldbesitzern, die nicht so fest im Wald verwurzelt sind wie etwa Johann Killer, und denen vor allem das forsttechnische Wissen fehlt oder auch die Bereitschaft, die dringenden Ratschläge der Forstbehörden zu befolgen. Für seine 1300 Mitglieder hat die Waldbesitzervereinigung Wolfratshausen alleine im Frühjahr vier Schulungen veranstaltet. Das Jahr über wurden laut dem Vorsitzenden circa tausend Leute geschult, auch von ihm selbst.

Sie sollen mithelfen, dass der notwendige Umbau vieler Forststücke in Mischwäldern vorankommt, und bekommen genügend Wissen vermittelt, das es ihnen leichter macht, ihren Wald gesund zu erhalten - durch einen perfekten Umgang mit Licht, Wasser und Nährstoffen, "und mit viel Arbeit", wie Johann Killer sagt. Wenn es nach ihm geht, dann regnet es in den nächsten Tagen durch. Denn wenn der Winter ähnlich trocken wird wie der Sommer war, dann wird es tatsächlich nicht lustig.

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