Süddeutsche Zeitung

Öffentlich ins Karwendel:Bergsteigerbus statt Blechlawine

Lesezeit: 3 min

Der Deutsche Alpenverein verdichtet den Fahrplan für "die schönste Linie" des RVO, die von Bad Tölz in die Eng führt. Mehr als doppelt so viele Verbindungen soll es vom kommenden Jahr an geben - um dem "Overtourism" entgegenzuwirken.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Mit seinen jahrhundertealten Bäumen steht der Ahornboden in der Eng in jedem Reiseführer. Wenn sich die Blätter im Herbst gelb-rötlich färben, drängen sich an sonnigen Wochenenden schon einmal knapp tausend Kraftfahrzeuge auf der zwölf Kilometer langen Mautstraße bis an das Ende des Rißtals in Tirol. Wesentlich weniger nutzen den öffentlichen Verkehr. Mit dem sogenannten "Bergsteigerbus" fahren derzeit nur 1300 bis 1400 Leute pro Wandersaison von Bad Tölz oder Lenggries in den Talschluss und wieder zurück. Das möchten der Deutsche Alpenverein (DAV) und die Regionalverkehr Oberbayern (RVO) GmbH ändern: Kommendes Jahr soll es am Wochenende mehr als doppelt so viele Busverbindungen wie bisher in die Eng geben.

Das gilt zumindest für Wochenenden und Feiertage zwischen Pfingsten Ende Mai und Oktober 2020. Statt dreimal wird der Bus dann sieben Mal täglich den bayerischen Isarwinkel mit der Eng im österreichischen Tirol verbinden. Der DAV will damit vor allem Tagesausflügler motivieren, ihr Auto zu Hause zu lassen. "Wir hoffen, mehr Leute erreichen zu können", sagt DAV-Klima- und Umweltschutzexperte Tobias Hipp. "Mit dem intensivierten Wochenendfahrplan können die Leute einen Zehn-Stunden-Tag im Karwendel mit öffentlicher Anreise verbringen."

Im DAV diskutiert man über den Klimaschutz und nachhaltige Formen der Mobilität. Die Menschen seien sensibler geworden, sagt Hipp. Es gebe allerdings Stimmen, die zweifelten, ob der DAV als Umweltschutz- und Bergsportverband auch noch Mobilitätsanbieter sein solle.

Für Hipp steht das außer Frage. Aus seiner Sicht müsse der Verein gerade zur Freizeitmobilität Angebote schaffen. Der Bergsport boome, der Andrang in die Alpen sei sehr hoch. In einzelnen Gebieten führe dies zum sogenannten "Overtourism". Dort wachsen die Konflikte zwischen Einheimischen und den stetig mehr werdenden Touristen. Grenzwertig belastet ist für Hipp zwar auch die Eng im Naturpark Karwendel. Doch die Landschaft leidet seiner Ansicht bislang nicht unter dem Ausflügleransturm. "Der Großteil ist auf den geregelten Wegen unterwegs."

Mit Kraftfahrzeugen ist der Talschluss in Österreich nur vom bayerischen Vorderriß aus erreichbar. Ab Hinterriß führt eine zwölf Kilometer lange Mautstraße Richtung Ahornboden. Dass diese für den Autoverkehr geöffnet ist sei durchaus Thema, sagt Hipp. Der DAV sei in einer schwierigen Position. Die Organisation wolle den Zugang zu den Bergen nicht verbieten oder restriktiv einschränken. "Wir sehen die Alpen als allgemeines hohes Gut."

Eine nachhaltige Alternative zur Anreise mit dem eigenen Kraftfahrzeug könnte aus seiner Sicht der Bergsteigerbus sein. Finanziell ist der intensivierte Wochenendfahrplan für drei Sommersaisonen gesichert. Kooperationspartner ist der RVO. Laut Hipp übernehmen die DAV-Bundesorganisation sowie die Sektionen München und Oberland in Lenggries und Bad Tölz den Großteil der Kosten. Auf deren Seite fielen jährlich etwa 10 000 Euro für das Projekt an. Finanziert werde dies durch Werbeplakatierungen an den Bussen.

Seit 2001 fährt die Linie 9569 als Bergsteigerbus zwischen der Kreisstadt Bad Tölz und der Eng - auch montags bis freitags von Juni bis Oktober zweimal täglich. Für RVO-Regionsleiter Ralf Kreutzer ist es die "schönste Linie" seines Unternehmens. Schon in den 1960er Jahren habe es eine Verbindung in die Eng gegeben, sagt er. Doch als sich private Kraftfahrzeuge immer mehr verbreiteten, sei der Bergsteigerbus schließlich eingestellt worden. Vor knapp zwei Jahrzehnten sei er dann wiederbelebt worden.

Das verbesserte Angebot soll die Nachfrage stimulieren. Schon gegen 6 Uhr früh sollen Ausflügler, die mit der bayerischen Oberlandbahn (BOB) Richtung Lenggries und Bad Tölz fahren, dort in den Bergsteigerbus umsteigen können. Das Kombiticket für die Hin- und Rückfahrt mit Zug und Bus kostet bisher 30 Euro für Erwachsene. Nur für den Bus zahlen Wanderer 15 beziehungsweise 13 Euro ab Bad Tölz oder Lenggries. Die Preise sollen laut Kreutzer in etwa gleich bleiben.

Die Beschilderungen an den Haltestellen haben der DAV, der Naturpark Karwendel und die Deutsche Bahn Regio AG, deren Tochtergesellschaft die RVO ist, vor kurzem erst vereinheitlicht. Für das Interreg-Projekt wurden sogenannte Schilderbäume aufgestellt. Dort können sich die Ausflügler mittels topografischer Umgebungskarten, kurzer Tourentipps und Informationen zu Berghütten orientieren.

Vor Mai soll der Bergsteigerbus künftig nicht mehr fahren. Ein entsprechendes Angebot wird der RVO wieder streichen. Heuer ist es zum zweiten Mal gelaufen, wurde aber kaum in Anspruch genommen. "Wir haben keine gute Erfahrungen gemacht", sagt Kreutzer. In den beiden vergangenen Mai-Monaten seien nur sehr wenige Wanderer mit der Linie gefahren. Das sei natürlich immer sehr wetterabhängig. Heuer habe es im Mai noch bis weit in die Täler hinunter geschneit.

Mit dem verdichteten Takt konzentrieren sich die Projektträger des Bergsteigerbusses jetzt auf das Wochenende. "Weil da am meisten los ist", wie Kreutzer sagt. Dafür gelte es intensiv zu werben. "Es wird spannend, ob sich das auszahlt." Vor allem müsse man aufpassen, dass die Region vor lauter Autos nicht ihren Charme verliere.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2019
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