Früher war die Konkurrenz quasi in Blickweite. Der Inhaber eines Trachtenladens, einer Buchhandlung oder eines Juweliergeschäfts wusste, dass es noch jemanden mit dem gleichen Sortiment in der Ortsmitte gab. Aber dann tauchte ein unsichtbarer Rivale auf: der Online-Handel. Der blühte regelrecht auf, als die Einkaufsmeilen in der Corona-Pandemie leergefegt waren – und verschwand danach nicht einfach wieder, sondern spross munter weiter. André Liebe rief deshalb im Vorjahr die Gewerbevereine und Wirtschaftsförderer von fünf Städten und Gemeinden im Oberland zusammen, um Einzelhändler, Dienstleister und Gastronomen mit dem sogenannten „Innenstadt-Freitag“ zu unterstützen.

Die Idee kam gut an, bei den Geschäftsleuten, bei den Kunden. „Die Leute haben gemerkt, dass durch die Aktion die Innenstädte deutlich belebt wurden“, bilanziert der Projektkoordinator. Von Mai bis Oktober gab es jeden ersten Freitag im Monat ein buntes Programm mit Gewinnspielen, Gutscheinen, Musik, Blumen, Verkostungen und ähnlichem – jedes Mal unter einem gemeinsamen Motto. Daran beteiligten sich Bad Tölz, Garmisch-Partenkirchen, Geretsried, Murnau und Penzberg. Dieses Jahr sind Wolfratshausen, Starnberg, Holzkirchen, Bad Wiessee und Oberammergau neu dabei.

In Geretsried hatte das Projekt eine unerwartete Nebenwirkung. Der Gewerbeverein Procit habe dadurch „so richtig Rückenwind“ bekommen, sagt Vorsitzender Rudi Utzinger. 2024 gab es eine neue Vorstandschaft, zwölf Mitglieder kamen hinzu. Der Innenstadt-Freitag habe bewirkt, dass alle an einem Strang ziehen, so Utzinger. „Er hat uns eine wahnsinnige Vernetzung gegeben.“ Für den Neustart im neu gestalteten Stadtzentrum – „wir haben mit Abstand die größte und schönste Tiefgarage“ – sei er sehr zuversichtlich. Außerdem hofft der Procit-Vorsitzende auf eine stärkere Kooperation mit Wolfratshausen, um das Mittelzentrum nach außen zu vertreten. „Die Zeit erfordert es mehr denn je, dass wir nicht nebeneinander, nicht gegeneinander, sondern zusammen arbeiten.“
Wolfratshausen war 2024 noch außen vor. Nun sei man froh, dabei zu sein, sagt Standortförderer Stefan Werner. Der große Mehrwert der Aktionstage sei die Gemeinschaft, „durch den Zusammenschluss haben wir viel mehr Reichweite“. Auf den Austausch mit Geretsried freue er sich. Auf einen anderen Vorteil verweist Andreas Munkert, Vorsitzender des Unternehmervereins „Wir für Tölz“. Viele Förderprogramme hätten dermaßen hohe Einstiegshürden, dass ein einzelner Wirtschaftsverband diese gar nicht nehmen könne, sagt er. Als Aktionsgemeinschaft habe man da eine andere Schlagkraft, auch im Marketing und Online-Marketing.
Rudi Utzinger sieht Fachberatung für Kunden als Trumpfkarten des örtlichen Einzelhandels
Ein Pfund, mit dem Einzelhändler gegenüber dem Online-Verkauf wuchern können, ist für Utzinger die Fachberatung für den Klienten. Die Servicesicherheit und der Kontakt von Mensch zu Mensch seien „unsere Trumpfkarten, die wir spielen müssen“, sagt er. Außerdem hat er festgestellt, dass in Geretsried immer mehr Kunden aus dem Münchner Süden auftauchten, aus Pullach, Solln oder Grünwald, denen das Einkaufen in München zu stressig und zu unpersönlich sei. „Das Gleiche ist mir in den letzten Wochen auch in Starnberg gesagt worden“, ergänzt Liebe.
Noch ist die IG Innenstadt-Freitag nur ein Zusammenschluss ohne Rechtsform. Sie kann auch keine steuerlichen Vorteile geltend machen. Das soll sich rasch ändern, wie Liebe mitteilt. Geplant sei, die Interessengemeinschaft zeitnah in einem Verein zusammenzuführen, damit eine ordentliche Struktur geschaffen werde. Und noch etwas ist neu: die Innenstadt-Freitag-Akademie. Dabei handelt es sich um ein spezielles E-Learning-Programm für Einzelhändler. Die kostenlose Internet-Kurse von Mai bis November drehen sich um den Umgang mit Social-Media-Kanälen wie Instagram oder Facebook, die Bearbeitung von Bildern und die richtige Motivwahl, das Herstellen von Videos und das Thema Künstliche Intelligenz. Dabei werde man aber keinen Online-Shop aufbauen, sagt Liebe. Ziel sei es vielmehr, Einzelhändler für die digitale Zukunft fit zu machen – „sodass es letztlich gar nicht erst zu Leerständen kommt“.

Die Termine für den Innenstadt-Freitag sind dieses Jahr am 2. Mai mit dem Thema „Das Oberland blüht auf“, am 6. Juni („Sport, Spiel und Beauty“), am 4. Juli („Kunst, Kultur und Kulinarik“), am 1. August („Urlaubsfeeling dahoam“) und am 5. September („Einstimmung auf die Wiesn“). Wolfratshausen belässt es nicht bei diesen Aktionstagen, sondern weitet sie jeweils zu einer Einkaufswoche aus. So heißt es „Wolfratshausen blüht auf“ vom 28. April bis 3. Mai, „Sport, Spiel und Spaß“ vom 2. bis 7. Juni, „Kultur-Vielfalt“ vom 30. Juni bis 5. Juli und „Urlaubsfeeling dahoam“ vom 28. Juli bis 2. August. Voriges Jahr fand auch ein Innenstadt-Freitag im Oktober statt. Darauf wurde Liebe zufolge wegen des Feiertags am 3. Oktober verzichtet.