Mehr als 30 Jahre lagerte ein Schatz in den Depots des Freilichtmuseums Glentleiten. Nun kommt er zu neuen Ehren: Der Oberländer-Hof aus Oberzeitlbach, Landkreis Dachau, ist nicht nur das erste Ensemble auf dem Gelände aus dem Norden Münchens. Die Dreiseitanlage beleuchtet auch eine bislang noch nicht gezeigte Zeitspanne im ländlichen Leben, nämlich die 1970er-Jahre. Mit dem Wohnhaus und der Remise – der dazugehörige Stallstadel wird erst in den kommenden Jahren aufgebaut – zieht eine neue Architekturform in Südbayerns größtes Freilichtmuseum ein.
Schon auf den ersten Blick unterscheiden sich die beiden Gebäude vom Gros der übrigen historischen Häuser auf der Glentleiten. Steile Dächer, fast kein Dachüberstand, komplett verputzt und weiß gekalkt stehen sie da – etwa 80 Kilometer entfernt vom ursprünglichen Standort. Die Architektur spiegle eine ganz andere Kulturlandschaft wider, sagte Museumsdirektorin Julia Schulte to Bühne bei der Präsentation der neuen Attraktion. „Die Niederschlagsmenge hier ist doppelt so hoch als im nördlichen Oberbayern.“ Weshalb im Dachauer Raum die Dächer nicht so weit auskragen müssten wie etwa im Tölzer Land.


Das Wohnhaus und die Remise mit großem Backofen sind komplett aus Lehmziegeln gebaut: auch eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Höfen auf dem Museumsareal. Die historischen Backsteine wurden wiederverwendet. Die Decken der Räume bestehen aus sogenannten Lehmwickeln. Um sie zu sehen, wurden Teile in den Zimmern nicht neu verputzt. Der Aufbau der beiden Gebäude sei eine Herausforderung für das Handwerker-Team im Museum des Bezirks Oberbayern gewesen, berichtet Schulte to Bühne. „Sie mussten sich erst einmal einarbeiten.“
1982 hatte der damalige Museumsleiter Helmut Keim den Oberländer-Hof unweit von Altomünster auf einer Besichtigungsfahrt entdeckt und für die Sammlung der Glentleiten auserkoren. Abgebaut und eingelagert wurden zunächst Wohnhaus und Remise in den Jahren 1993 und 1994. Der mehr als 32 Meter lange Stallstadl wurde weiterhin genutzt und deshalb erst 2024 zerlegt. Diesen Stein für Stein wieder zu errichten, wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Wenn der Stadl steht, wird die Dreiseitanlage wieder vollständig sein.


Laut dendrochronologischer Untersuchung datiert das Wohnhaus aus dem Jahr 1783. Es gab nur wenige Umbauten. Die Jahre haben dennoch ihre Spuren hinterlassen. 172 Farbschichten konnten an einer Wand in der Stube dokumentiert werden. Die verschiedenen Anstriche sind für Besucher und Besucherinnen sichtbar. Ein weiterer Fund überraschte die Experten bei der Ausgrabung: Ein verschütteter Wassergrand, also ein konischer Behälter aus Ton, kam unter den Holzdielen des Bauernhauses zum Vorschein. Auch er gehört zu den Exponaten.
Nicht nur Ziegel, Decken und andere Bauteile wurden gesichert. Weit mehr als 1000 originale Objekte, von Schuhen über Töpfe, Postkarten bis zu Möbeln, konnte das Freilichtmuseum ebenfalls für seine Sammlung sichern – „was toll ist“, wie Schulte to Bühne betonte. Man habe lange überlegt, welchen Zeitabschnitt man mit den Objekten und Gebäuden abbilden wolle. Letztlich habe man sich für die 70er-Jahre entschieden, weil diese sehr gut dokumentiert seien.

Bewohnt wurde der Oberländer-Hof an der Dachauer Straße 4 zuletzt von den Wagner-Geschwistern: drei Schwestern und ein Bruder, alle unverheiratet und ohne eigene Nachkommen. Sie alle erlebten zwei Weltkriege. Die Mutter Kreszenz habe verhindert, dass ihre Kinder Kreszenz (die Älteste), Lorenz, Maria und Magdalena ehelichten, so die Museumsdirektorin. „Über die Gründe kann man nur spekulieren.“ Bis 1979 bewirtschafteten die Geschwister gemeinsam den Hof mit 25 Hektar und Tieren. „Es war ein unspektakuläres, aber aussagekräftiges Leben.“ Es gab kein Badezimmer. Strom kam erst 1912 nach Altomünster. Das Grundig-Radio in der Stube war der einzige Luxus.
Dank der zahlreichen Objekte werden die Wagner-Geschwister und ihr Wirken auf dem Oberländer-Hof erlebbar. Um ihren Alltag dort für die Nachwelt zu bewahren, wurden auch Nachbarn und Verwandte befragt. Schon beim Abbau hatte das Museumsteam die Dreiseitanlage Zentimeter für Zentimeter dokumentiert. Die Fachleute erstellten genaue Pläne des Anwesens und machten archäologische Untersuchungen. So kommt es, dass der Oberländer-Hof aus dem Dachauer Land gut 40 Jahre, nachdem er aufgegeben wurde, ein zweites Leben auf der Glentleiten bekommt.

