Weil im Grundwasser bundesweit zu viel Nitrat steckt und die EU-Kommission Deutschland verklagen will, plant die Bundesregierung eine neue Düngeverordnung. Das stinkt dem Bauernverband im Landkreis: Es sei zu erwarten, dass mit der neuen Verordnung "grundsätzlich wieder alles über einen Kamm geschoren" werde, sagt Kreisobmann Peter Fichtner. Dabei sei die Nitratbelastung des Trinkwassers zwischen Lenggries und Icking unproblematisch, weil der Landkreis überwiegend von extensiver Landwirtschaft geprägt sei. Zwar müsse man nicht darüber diskutieren, dass es in einigen Regionen Deutschlands mit intensiver Landwirtschaft und Tierhaltung Probleme gebe. Dennoch müssten die Bauern hier die Konsequenzen tragen. "Über die schwarzen Schafe wird ein ganzer Berufsstand in Verruf gebracht."
Mit der Düngeverordnung soll eine Verurteilung Deutschlands wegen zu hoher Nitratwerte vor dem Europäischen Gerichtshof abgewendet werden. Die EU-Kommission bemängelt seit Jahren die Grenzüberschreitungen im deutschen Trinkwasser. Beim Ausbringen von Gülle gelangt oft mehr Stickstoff auf die Felder, als die Pflanzen aufnehmen können. Der Rest versickert im Boden, wo er in Nitrat umgewandelt wird. Das wiederum kann im menschlichen Körper zu krebserregendem Nitrit werden. Der zulässige Nitrat-Grenzwert beträgt 50 Milligramm pro Liter, der für Babynahrung empfohlene Richtwert liegt bei 25 Milligramm pro Liter.
Im Landkreis sind die Nitratwerte des Trinkwassers jedoch überall unbedenklich. Laut dem zuständigen Wasserwirtschaftsamt Weilheim findet sich die maximale Belastung aktuell in der Gemeinde Münsing - mit 22 Milligramm Nitrat pro Liter. Kreisbauer Fichtner aber befürchtet, dass die regionalen Werte bei der neuen Düngeverordnung keine Rolle spielen werden - und die Bauern hier mit denselben Restriktionen rechnen müssen wie in anderen, hoch belasteten Regionen.
Dabei seien die Voraussetzungen ganz andere. "Wir haben hier überwiegend Grünland", sagt Fichtner. "Das hat ganz andere Strukturen als Ackerland." So werde beim Grünland zu jeder Nutzung Gülle, Jauche oder Festmist ausgetragen. Auf Äckern sei das hingegen nur im Frühjahr und dann nach der Ernte möglich. Es komme also leichter zu Überdüngung, weil die Gülle in deutlich kürzerer Zeit ausgebracht werden müsse. Die sei in den problematischen Regionen mit Massentierhaltung auch deutlich höher. Im Landkreis sei ihm indes kein Bauer bekannt, der den Schwellenwert eines angemessenen Nutztierbestands von zirka zwei Stück Großvieh pro Hektar Land überschreite, sagt Fichtner.
Die EU-Kommission hat unter anderem kritisiert, dass die gesetzlichen Zeiträume, in denen in Deutschland nicht gedüngt werden darf, zu kurz seien. Derzeit gibt es laut Fichtner eine Sperrfrist von Dezember bis Mitte Februar. Weil aber zudem vorgeschrieben sei, dass man bei wassergesättigtem Boden, Schnee und Frost nicht düngen dürfe, sei eine kalendarische Sperrfrist unnötig, findet Fichtner. Die EU moniere auch die Ausbringungstechniken. "Das normale Güllefass ist mehr oder weniger dem Tod geweiht." Unter dem Stichwort "bodennahe Ausbringung" sollten künftig nur noch Spezialgeräte zum Einsatz kommen. Die aber seien zu teuer, die meisten Bauern müssten also Spezialfirmen beauftragen, die auch nachts und bei unpassender Witterung arbeiteten und den Boden so deutlich mehr belasteten.
Den genauen Inhalt der neuen Düngeverordnung kennt der Bauernverband noch nicht. Schon vor Jahren habe es beim Kreisbauerntag eine Anfrage an die Bundesregierung gegeben - ohne Antwort. "Seit der letzten Bundestagswahl wird um die Düngeverordnung gehackelt", sagt Fichtner. "Das ist schon ein Trauerspiel." Dass nun "alles pauschalisiert" werden soll, sei eine weitere Demoralisierung. "Man möchte wohl mit Gewalt einige Bauern zum Aufhören bringen", sagt Fichtner.
Anders sieht das der Bund Naturschutz . Zwar sei die Intensivierung der Landwirtschaft im Landkreis geringer als anderswo, sagt der Vorsitzende der Kreisgruppe, Friedl Krönauer. Es sei aber durchaus auch die Entwicklung zu Ställen mit "einigen Hundert Tieren" zu beobachten. Dass das Trinkwasser im Kreis kaum belastet ist, habe vor allem geografische Gründe: Es stamme aus landwirtschaftlich nicht genutzten Flächen und Hochbehältern. Er wolle "keine Schelte gegen die Landwirtschaft betreiben", sagt Krönauer. Aber es sei "vermessen zu glauben, dass Gülle, die in immer größerem Umfang ausgebracht wird, ohne Folgen bleibt". Wasser gelange stets zum tiefsten Punkt und über Flüsse auch in andere Gegenden. Bis sich die Folgen zeigten, dauere es. "Was wir jetzt feststellen, ist vor einigen Jahren passiert", sagt Krönauer. "Und was wir jetzt machen, wird man erst in Jahren spüren."