Nikolausabend in Wolfratshausen:Wenn der Nikolaus im VW-Bus kommt

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Nikolaus und Krampus der Kolpingsfamilie besuchen auch dieses Jahr wieder Kinder in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Marinus Vogl und sein Team von der Kolpingsfamilie sind einen Abend lang mit Bart und Bischofsstab unterwegs. Sie bringen Geschenke mit, verteilen Lob und Tadel – und erleben dabei immer wieder kleine Überraschungen.

Von Fiona Fuchs, Wolfratshausen

Ketten klirren, schwere Stiefel schleifen auf dem Holzboden und aufgeregtes Stimmengewirr ist zu hören. Im Obergeschoss des Gasthauses Löwenbräu in Wolfratshausen verwandeln sich Männer für einen Abend in den Nikolaus. Weiße Rauschebärte, schwere Schaffell-Jacken für den Krampus, Bischofsstäbe und Jutesäcke liegen in Kisten bereit. „Weil mein Papa das auch schon gemacht hat“, begründet Marinus Vogl seine Verwandlung. Er ist seit zehn Jahren einer der Nikoläuse von der Kolpingsfamilie Wolfratshausen, auch in diesem Jahr besucht er wieder Kinder und Familien in der Stadt.

„Ich glaube, es ist eine der wenigen Möglichkeiten, wo man als Fremder so intime Einblicke in eine Familie bekommt“, sagt Vogl über seinen alljährlichen Nikolausdienst. „Und das ist schon interessant.“ Normalerweise leitet er eine Firma in der Baubranche. Sobald allerdings der Bart sitzt und die Augenbrauen weiß geschminkt sind, wird die Stimme des 28-Jährigen tief und ernst. Wenn dann noch der rote Mantel angezogen und der Bischofsstab in der Hand ist, bewegt sich Vogl langsam und bedacht. Nun ist er vollends in seine Rolle als Nikolaus geschlüpft.

Mit Handschuhen, Mantel, Bart und Mütze verkleidet ist der Nikolaus bereit, die Kinder zu besuchen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Vogl hat seine ersten Erfahrungen als Krampus gemacht. Das sei so Tradition, dass jeder, der ein Nikolaus werden möchte, erst einmal ein paar Jahre als Krampus mitlaufe, erklärt er. „Wenn der Nikolaus etwas Schlechtes vorliest oder ein bisschen tadelt, dann grummelt er ein bisschen oder lässt die Peitsche ein bisschen rascheln“, sagt der 28-Jährige. Aber die Führung des Besuches habe der Nikolaus inne.

Geschenke für die Kinder vom kleinen Spielzeug bis zum Pony

Vor der ersten Haustür des Abends liegen bereits drei Geschenkesäcke bereit. Einer für jedes Kind, namentlich beschriftet und von den Eltern bepackt. Diese werden nun vom Krampus in den großen Beutel gesteckt. Währenddessen liest der Nikolaus die Zettel durch, die bei den Säcken dabei liegen. Auf ihnen stehen die positiven und negativen Eigenschaften der Kinder. Einmal gelesen und eingeprägt, werden sie ins Buch des Nikolauses gelegt. „Ich versuche es immer möglichst freisprechend“, sagt Vogl und lacht.

Bei den Geschenken sei schon alles dabei gewesen, von riesigen Säcken bis hin zu kleinen Tüten. „Da ist vielleicht ein kleines Spielzeug drin, ein paar Mandarinen, Nüsse und Schokolade“, sagt der 28-Jährige. Manche Geschenke seien aber auch ziemlich ausgefallen: „Wir haben einen Nikolaus, der hat einmal ein Pony übergeben. Das ist dann spannend.“

Die Nikolaus-Teams fahren statt mit einem traditionellen Rentier-Schlitten mit einem weißen VW-Bus von Familie zu Familie. „Wir sind immer zu viert unterwegs: Nikolaus, Krampus, Fahrer, Helfer“, erklärt Vogl. Der Helfer oder die Helferin kümmert sich um die Planung der Route, sammelt das Geld ein und sorgt dafür, dass alles glatt läuft. Das eingenommene Geld wird von der Kolpingsfamilie an verschiedene gemeinnützige Organisationen gespendet. Alle Mitglieder des Teams sind Ehrenamtliche. Als Belohnung gibt es am Ende des Tages ein Abendessen.

Mit dem schweren Nikolaus-Mantel und dem Bischofsstab quetscht sich Vogl auf die Rückbank des Autos. Neben ihm sitzt der Krampus mitsamt Buch, Geschenkesack und Peitsche aus Ästen. Er hat eine schwere Felljacke an und ist im Gesicht mit Kerzenruß schwarz geschminkt. Die Kostüme gehören der Kolpingsfamilie und werden unterm Jahr vom Verein gepflegt und gewaschen. „Vorsicht, der Mantel“, sagt die Helferin und schließt die Seitentür des Wagens.

Der Krampus soll beim Zimmer aufräumen helfen

Bei der nächsten Familie angekommen, finden sich Krampus und Nikolaus erneut in ihre Rollen ein. Konzentriert und ruhig sehen sich die beiden wieder die Geschenkesäcke und Zettelchen der Eltern an. „Wenn ich dann vor der Haustür stehe und klopfe, dann geh ich nochmal kurz durch, was ich jetzt sage“, sagt Vogl. Mit seinem schweren Stab klopft er auf den Boden, als er die Wohnung betritt. Bei den Kindern im Wohnzimmer angekommen, herrscht erst einmal ehrfürchtige Stille. Alle drei sollen den Bischofsstab gemeinsam halten, während sie Vogl als Nikolaus lobt oder schimpft. „Du tust immer schön mithelfen im Haushalt, hab ich gehört, aber beim Zimmer aufräumen, soll dir da der Krampus mal helfen“, fragt Vogl. Sein Begleiter grummelt und klopft mit der Peitsche aus Ästen an seine klirrende Kette. Und wenn der dann so eine Andeutung mache, ins Zimmer zu gehen, dann sehe man schon, wie das ganze Gesicht runterfalle bei den Kindern, erzählt Vogl.

Der Krampus hat klirrende Ketten dabei und fungiert als Gegenspieler zum lieben Nikolaus. (Foto: Hartmut Pöstges)

Seit er 18 Jahre alt war, spielt Vogl jedes Jahr den Nikolaus. Er bemerkt durchaus eine Veränderung bei den Familien und Kindern, die er besucht. „Früher war das Ganze noch ein bisschen traditioneller“, sagt Vogl. Es sei eigentlich in jeder Familie gemeinsam gesungen oder etwas vorgetragen worden. Als der Nikolaus in diesem Jahr ein Kind fragt, ob es denn etwas für ihn vorbereitet hätte, antwortet es: „Ja, lieber Nikolaus. Alexa, spiele dicke rote Kerzen auf Spotify.“ Alle müssen daraufhin kräftig lachen, weil jetzt schon die Weihnachtslieder mit Unterstützung von Alexa gesungen werden.

Nach dem letzten Besuch des Abends werden dann beim gemeinsamen Abendessen die lustigsten und schönsten Geschichten der Nikolaus-Teams ausgetauscht. Dieses Jahr ist eine Familie dabei, die komplett beim Event mitmacht. Die Mama fährt, die Tochter macht Helferin, der Junior ist das erste Mal als Krampus dabei und der Papa spielt noch einmal den Nikolaus. „Das ist dann schön, wenn das weitergegeben wird“, sagt Vogl und lächelt. So ist nicht nur der Besuch für die Kinder ein schönes Familienevent, sondern auch das Nikolaus-Sein.

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