Süddeutsche Zeitung

Neuwahl in der Reindlschmiede Bad Heilbrunn:Zurück zu den roten Themen

Der neue SPD-Kreisvorsitzende Klaus Barthel fordert als Grundwerte Solidarität und Wahrnehmung der Interessen von Arbeitnehmern ein. "Wir werden dies auf Landkreisebene übersetzen"

Von Petra Schneider

Weitere Bewerber haben sich dann doch nicht gefunden: Klaus Barthel blieb der einzige Kandidat für den Kreisvorsitz der SPD. Der 64-Jährige wurde am Donnerstag mit 23 Ja-, einer Nein-Stimme und drei Enthaltungen zum Nachfolger von Wolfgang Werner gewählt. Er wird von zwei Frauen unterstützt: Neben der langjährigen Stellvertreterin Angelika Kassner, die einstimmig wiedergewählt wurde, hatte sich am Wahlabend Beatrice Wagner zur Kandidatur für das Vize-Amt entschlossen. Die ehemalige Ickinger Bürgermeisterkandidatin wurde mit 23 Ja-Stimmen bei vier Enthaltungen gewählt. Kassier bleibt Reiner Berchtold. Wolfgang Werner, der nach sechs Jahren nicht mehr als Kreisvorsitzender antrat, bleibt dem Vorstand als Schriftführer erhalten.

Dass die Situation der SPD auch im Landkreis deprimierend ist, wurde bei der Jahreshauptversammlung in der Reindlschmiede nicht beschönigt: Sieben Prozent bei der Kommunalwahl, ein Mitgliederschwund auf derzeit 275, davon 65 Prozent Männer, das Durchschnittsalter bei 64 Jahren. Gerade die Sozialdemokraten müssten aber eigentlich für Menschen, die im Beruf stehen, attraktiver sein. "Wir sind doch kein Club der Rentner", sagte Werner. Warum sich die SPD so schwer tut, macht die Genossen einigermaßen ratlos. An mangelndem Engagement könne es nicht liegen; bei der Kommunalwahl im März habe die SPD mehr Bürgermeisterkandidaten gestellt als 2014, und das Wahlprogramm sei mit 16 Punkten länger gewesen als das aller anderen Parteien und Gruppierungen. Die Hoffnung war groß, die Ernüchterung ebenso. Statt sieben Kreisräte nur noch vier: "Das haben wir so nicht verdient", sagte Werner.

Das Problem ist klar, die Lösung sieht der scheidende Kreisvorsitzende in einer Rückbesinnung auf eine "Antragskultur" - also wieder mehr Anträge auf Landes- und Bundesebene einzubringen, "von unten nach oben".

Keine "Generalentschuldigung"

Sein Nachfolger Barthel, der mit 64 Jahren genau den Altersdurchschnitt seiner Partei repräsentiere, wie er launig anmerkte, ist Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) und war 23 Jahre lang Bundestagsabgeordneter. In seiner Antrittsrede beschwor er sozialdemokratische Grundwerte: Solidarität statt Spaltung, stärkere Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer. Die "Generalentschuldigung" der SPD, dass es den "klassischen Arbeiter" nicht mehr gebe, dürfe man nicht gelten lassen. "Die Arbeiter der Gegenwart sind die, die die Pakete ausfahren, in der Pflege arbeiten, Busse und Lastwagen fahren." Um die müsse sich die SPD wieder mehr kümmern, "sonst nehmen sie uns auch nicht mehr wahr". Barthel forderte Verbesserungen für die steigende Zahl von Pendlern, deren Weg zur Arbeit mindestens zur Hälfte als Arbeitszeit gerechnet werden müsse. Viel Grundlegendes, das seine Genossen mit freundlichem Applaus quittierten.

"Wir werden diese Themen auf Landkreisebene übersetzen", kündigte Barthel an, der im März in den Kochler Gemeinderat gewählt wurde. Die Kreisverbandsarbeit müsse auf neue Füße gestellt werden. "Wir sind in den Gremien sehr wenige geworden." Umso besser müssten Zusammenarbeit und Kommunikation funktionieren. "Wenn jeder wieder bei Null anfängt, verlieren wir viel Zeit und Nerven", betonte er. Über Themen wie Klimaschutz oder Verkehrspolitik könnten auch Leute, die nicht in der Partei sind, zur Mitarbeit motiviert werden.

Lob gab es für seinen Vorgänger. "Der Wolfgang" habe sein Licht unter den Scheffel gestellt, sagte Barthel. "Wenn am 15. Oktober Kommunalwahlen gewesen wäre, wäre das Ergebnis deutlich besser ausgefallen - angesichts dessen, was wir alles im letzten halben Jahr bewegt haben." Als Beispiel wurde die erste Demo in Kochel gegen die hohe Verkehrsbelastung genannt, die der junge Ortsvorsitzende Sebastian Salvamoser organisiert hatte. "Wir können mitreden und uns zu den Dingen, die falsch laufen, verhalten", betonte Barthel. Denn eines sei klar: "Es tut unserem Land nicht gut, wenn die Sozialdemokratie so schwach ist."

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SZ vom 17.10.2020
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