Süddeutsche Zeitung

Neue Politik:Jung, ökologisch, sucht

Jan-Philipp van Olfen ist mit seinen erst 21 Jahren in den Bundesvorstand der ÖDP aufgestiegen. Der Student aus Benediktbeuern soll der Ökopartei helfen, auch außerhalb Bayerns neue Mitglieder zu gewinnen.

Von Marie Heßlinger

Es lag ein Knistern in der Luft, der unbedingte Wunsch nach Aufbruch und Neuanfang, so beschreiben ÖDP-Mitglieder im Rückblick ihren Bundesparteitag in Thüringen. Da überrascht es nicht, dass ihnen ein Gesicht besonders willkommen war, nämlich das von Jan-Philipp van Olfen. Mit klarer Mehrheit wählten sie den Studenten aus Benediktbeuern zum Dritten Bundesvorsitzenden. Er ist 21 Jahre jung und war im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen bislang bekannt als Kreisvorsitzender der Partei.

Ein sonniger Herbsttag im Klosterdorf Benediktbeuern, Jan-Philipp van Olfen bestellt im Erlebniskräuterladen eine Tasse Familientee, weil der seine Farbe so schön wechselt, von Türkis zu Grün. "Ich hab' dich gewählt", sagt die Studentin mit Dreadlocks hinter der Theke. "Ach echt?" Van Olfen lacht, er könnte in diesem Moment kaum aufrichtiger wirken. Die Studentin weiß noch nicht, dass er statt Kreisvorsitzender jetzt Zweiter Stellvertreter im Bundesvorstand ist.

Gut zwei Meter ist er groß, er trägt Trekkinghose, Karohemd und Pferdeschwanz, sein Gesichtsausdruck wechselt zwischen Lachen und Grinsen. Van Olfen spricht ohne Umschweife, gerade heraus und klar. Und doch, hält er bisweilen inne, bevor er antwortet. Zum Beispiel, wenn man ihn fragt, ob er sich zur Fridays-for-Future-Generation zähle. Denn genau das ist der Auftrag, den ihm seine Ökopartei gegeben hat. Erstens: auf die Fridays-for-Future-Bewegung gezielter zugehen; zweitens: eine bessere Außendarstellung der Partei vorantreiben; und drittens: der ÖDP auch außerhalb Bayerns zu einer besseren Bekanntheit verhelfen. Ob er sich also als Teil der FFF-Bewegung sehe? Er lehnt sich zurück und verschränkt die Arme. "Ja, doch", sagt er. Jedoch: "Ist das Kriterium, dass es plötzlich Trend ist?" - dann nicht. "Ist es Kriterium, dass man Gedankengut teilt" - dann absolut, sagt er.

Van Olfen ist schon seit seiner Jugend sozial und umweltpolitisch engagiert, auf Demos, auf Jugendfreizeiten, als Fußballtrainer, als Deutschlehrer von Geflüchteten. Und auch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ist er seit zwei Jahren überall zu sehen. Sei es in Gummistiefeln auf einem Acker für solidarische Landwirtschaft oder im Wahlkampf Äpfel verteilend an der Loisachbrücke in Wolfratshausen.

Van Olfen hat eine alternative Definition des Begriffs "alternativ." Seine Familie zum Beispiel sei nicht alternativ im Sinne von "sie ziehen sich an wie Sozialarbeiter und rennen in den Hambacher Forst", sagt er. Unkonventionell sei seine Familie aber schon. Der Vater ist Trainer für gewaltfreie Kommunikation, die Mutter Bauingenieurin. Auch wenn nicht viel Geld da gewesen sei, hätten sie regional und bio eingekauft. "Und sie sind überzeugte Christen - ich glaube, heutzutage ist das auch alternativ", sagt van Olfen.

Sein Glaube ist es, der ihn nach Benediktbeuern brachte. Denn da kann er soziale Arbeit in Kombination mit Theologie und Erlebnispädagogik studieren. Der 21-Jährige ist Fan von Papst Franziskus. Er schwärmt von dessen Charisma und davon, dass der Papst zu den sozialen Themen auch die Ökologie zähle. Und wie es um die Frauen in der katholischen Kirche stehe? Der Papst habe "zumindest erkannt, dass wir zu wenig tun".

Auf die Frauen will auch die ÖDP nun aktiver zugehen, mit einem innerparteilichen Mentoring-Programm. Denn immerhin, ihre ersten drei Vorsitzenden - Christian Rechholz, Peter Schneider und Jan-Philipp van Olfen - sind allesamt männlich. Die Debatte über Geschlechtergerechtigkeit hätten die Grünen offener geführt, gesteht van Olfen. Und doch: Als er an seinem 18. Geburtstag den Mitgliedsantrag der Partei ausfüllte, war das eine bewusste Entscheidung für die ÖDP, und nicht etwa für die Grünen.

Suspekt sei ihm an den Grünen ihr "grüner Kapitalismus" und wie sehr deren Partei auf Technologien setze. "Die machen so weiter wie bisher, nur in grün", sagt van Olfen. "Das, wonach ich mich sehne, ist ein kompletter Bewusstseinswandel." Der Bewusstseinswandel, den die ÖDP anstrebe, sei einer im Sinne von "weniger ist mehr". Van Olfen nennt das Konzept der Gemeinwohlökonomie: Jene Firmen, die ökologisch und sozial im Sinne des Gemeinwohls auftreten, sollten steuerlich entlastest, die unsozialen hingegen sanktioniert werden. Van Olfen spricht von Gesellschaftsmodellen, bei denen alle Menschen das arbeiten, "was sie wirklich, wirklich wollen". Er bezieht sich auf die "New Work"-Philosophie Frithjof Bergmanns. Wer dann in Deutschland noch die Klos putzen werde? "Das machen dann die Leute, die auf dieses Klo gehen", sagt van Olfen. "Ich muss als Student auch mein Klo putzen."

Bildung sieht der Student als Schlüssel zur Transformation, er würde gerne das ganze Bildungssystem revolutionieren. Tatsächlich machte van Olfen selbst Abitur an einem Gymnasium in Oettingen, an welchem sich Schülerinnen und Schüler ihr Wissen selbständig erarbeiten. Ein Lernen nach Maßstäben statt nach festen Lehrplänen schwebt van Olfen für alle Schulen vor. Vergleichbare Abschlüsse? "Braucht man die?", stellt er als Gegenfrage. "Das einzige, was uns diese Abschlüsse sagen, ist, wie gut ein Mensch sich an dieses System anpassen kann."

Schon früh wusste van Olfen, dass er in die Politik gehen wolle. An einen Moment erinnert er sich: Es war eine Zeit, in der er Demonstrationen und Informationsveranstaltungen gegen das Freihandelsabkommen Ceta organisierte. "Dann habe ich die Tagesschau gesehen und da kam Sigmar Gabriel von der SPD zu Wort und erklärte, dass diese Proteste rückwärtsgewandt seien - und es gab keine Gegendarstellung", erinnert sich van Olfen. Er habe mit den Fäusten gegen die Wand geschlagen. "Ich muss in die Politik, ich muss mir Gehör verschaffen", schwor er sich, "ich will, dass mir zugehört wird."

Nun also hört man ihm zu. Er ist das junge Gesicht einer bald 40 Jahre alten Partei, die rund 8000 Mitglieder zählt, davon die meisten in Bayern. Man könnte van Olfen als fotografisches Negativ von Philipp Amthor beschreiben, dem jungen Gesichts der CDU. Wohl hat die 35 Jahre ältere CDU fünfzig Mal so viele Mitglieder, doch dass er der ÖDP zu mehr Bekanntheit verhilft, genau das erhoffen sich seine Parteikollegen von van Olfen.

Und wie er das anstellen will? "Das Tölzer System, das Tölzer Erfolgsmodell, auf ganz Deutschland übertragen", sagt er. Vor drei Jahren sei in Bad Tölz-Wolfratshausen wenig los gewesen. Inzwischen zähle die ÖDP dort mit über 50 Mitgliedern mehr als doppelt so viele wie damals.

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SZ vom 12.10.2020
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