Neue Asylunterkunft in Geretsried:Erste Annäherung

Jugendliche und Lehrer von Realschule und Gymnasium Geretsried wollen den Flüchtlingen beistehen. Bei einem Besuch verschaffen sie sich einen Eindruck von den Räumen.

Von Felicitas Amler

Die strahlende Frühlingssonne begünstigt alles noch: Als eine Gruppe aus dem benachbarten Schulzentrum am Montagmittag zum ersten Mal die neue Asylsuchenden-Unterkunft in Geretsried besucht, haben alle einen unerwartet guten Eindruck: "Ich hätte nicht gedacht, dass es so groß ist und so modern", sagt die 17-jährige Katja aus dem Praxis-Seminar Fotografie am Gymnasium. "Auch der Hof sieht von innen sehr schön aus. Bisher kannte ich ihn ja nur von draußen, und da wirkte alles sehr eingeengt."

Neue Asylunterkunft in Geretsried: Die Geretsrieder Asyl-Häuser.

Die Geretsrieder Asyl-Häuser.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Monatelang konnten Schüler und Lehrer beobachten, wie nebenan die Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Flüchtlinge wuchs: Zwei funktionale, aber dennoch ganz schmucke Holzhäuser, deren Zugang nicht wie der zu den Schulen über die Adalbert-Stifter-Straße führt, sondern über die Jahnstraße. Zum Schulgelände hin ist die Anlage mit einem Zaun abgegrenzt. Bisher leben erst 25 Flüchtlinge, vor allem Familien, in der GU, die von der Regierung von Oberbayern betrieben wird. Sobald aber der Rund-um-die-Uhr-Sicherheitsdienst engagiert ist, werden die beiden Häuser mit ihren jeweils drei Etagen nach und nach belegt: 75 Zwei-Bett-Zimmer und 20 Fünf-Bett-Zimmer bieten Platz für 250 Flüchtlinge.

Neue Asylunterkunft in Geretsried: Die neuen Räume der Asyl-Unterkunft konnten erstmals besichtigt werden.

Die neuen Räume der Asyl-Unterkunft konnten erstmals besichtigt werden.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Eine Ethikgruppe der Realschule und eine bunt zusammengewürfelte Gruppe interessierter Jugendlicher aus dem Gymnasium besichtigen die Häuser an diesem Tag. Was noch nicht bewohnt ist, dürfen sie ohne Weiteres anschauen: Über blitzblanke Treppen und Gänge geht es in nagelneue Gemeinschaftsküchen und Sanitärräume, nach frischem Holz duftende Zimmer und wieder zurück auf den Hof mit dem Spielplatz rund um einen Sandkasten.

Drei kleine Kinder, dunkelhäutig und schwarz gelockt, öffnen einem Mann im Rollstuhl die schwere Eingangstür zu einem der Häuser. Jalal Abdallah sagt betont gedehnt: "Dankeschööön." Der 45 Jahre alte Iraker zeigt sich gern von seiner freundlichen Seite. Hier in Geretsried ist er erst seit einer Woche, hat aber schon zu Klein und Groß Kontakt. Abdallah wurde aus Germering hierher verlegt, weil die dortige Unterkunft geschlossen wurde. Dabei hatte er sich in eineinhalb Jahren so gut eingelebt, war als "Asylmittler" bei der Stadt engagiert und mit dem Bürgermeister befreundet. Mehrere Lokalzeitungsartikel, die er aus einem Köfferchen auf dem Schoß herauszieht, belegen seine Beliebtheit.

Neue Asylunterkunft in Geretsried: Verwaltungsleiter Rainer Gramann.

Verwaltungsleiter Rainer Gramann.

(Foto: Hartmut Pöstges)

"Der Dolmetscher" ist einer der Berichte überschrieben. Denn Jalal Abdallah spricht Arabisch, Kurdisch, Farsi, sehr gut Englisch und ausreichend Deutsch. Ein Mann für alle Fälle, das weiß auch der Geretsrieder GU-Verwaltungsleiter Rainer Gramann schon. Scherzhaft sagt er: "Herr Abdallah ist unser fahrbarer Helfer." Und genau das ist es, was der Iraker, der bei einem Terroranschlag seine Schwester verlor und selbst schwer angeschossen wurde, gern sein möchte. Er wolle arbeiten, sagt er. Aber was? "I love Helfer", erklärt er. Und auf den Hinweis, das sei eine ehrenamtliche, nicht bezahlte Tätigkeit, zuckt er die Schultern: "So what! When you make people happy and make them smile - it's wow!" Leute glücklich machen und zum Lächeln bringen: Das wär's für ihn.

Neue Asylunterkunft in Geretsried: Irak-Flüchtling Jalal Abdallah.

Irak-Flüchtling Jalal Abdallah.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das hatte Veraltungsleiter Gramann schon bei der Begrüßung der Gäste an diesem Tag gesagt: Die Flüchtlinge seien froh, wenn die Einheimischen Kontakt zu ihnen suchten. Gramann ist bei dem sozialen Dienstleistungsunternehmen European Homecare beschäftigt, das von der Regierung mit der Leitung der Gemeinschaftsunterkunft beauftragt wurde. Ergänzend sind die Asylsozialberater des Vereins Hilfe von Mensch zu Mensch hier im Einsatz, die städtische Geretsrieder Asyl-Koordinatorin Suzan Jarrar kümmert sich, und es werden gerade zwei Helferkreise aufgebaut, ein allgemeiner und einer aus Schülern, Lehrern und Eltern des Schulzentrums. Hermann Deger, Direktor des Gymnasiums, sagt, die Schule könnte einen Raum für Deutschkurse zur Verfügung stellen. Und wie Gramann berichtet, hat Deger der Unterkunft bereits einen Fernsehreceiver organisiert. Deutsch- und Englischlehrerin Jutta Söller, Schulpsychologin des Gymnasiums, tastet sich am Besuchstag langsam vor. "Ich möchte für mich schauen: Gibt es etwas, was ich beitragen kann? Ich möchte Kontakt, um ein Gefühl dafür zu bekommen." Die Nachbarn in den Schulen hätten so lange gewartet, dass es losgeht in der Unterkunft, sagt sie: "Das Engagement ist groß."

Auch bei den Schülern. Katja sagt, sie wolle mal mit Lehrern darüber sprechen, ob man nicht irgendein Projekt für Kinder anbieten könne: "Damit da eine Verbindung entsteht." Nachdem sie nun alles angeschaut und vieles über die weitere Belegung gehört hat, revidiert sie ihren ersten Eindruck ein wenig. "Es ist mir aufgefallen, dass der Boden sehr laut ist, und es könnte sehr eng werden, wenn da viele wohnen." Auch Christian Zingler, Direktor der Realschule, macht sich bei aller Begeisterung über die "wirklich tolle" Unterkunft seine Gedanken. Es sei ja für viele Flüchtlinge doch eine lange Zeit, die sie da verbringen müssten. Wenn man bedenke, was die Menschen oft hinter sich hätten, sehe alles doch etwas anders aus.

Und die Ängste, die etwa auf der Informationsveranstaltung der Schulen Anfang März laut wurden? Einige Mütter hatten da ausgerufen: "Wir haben eine wahnsinnige Angst um unsere Töchter." Die 17-jährige Katja schüttelt den Kopf und sagt, sie könnte weinen, wenn sie so etwas hört. "Das sind doch normale Menschen."

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