Naturvölkertreffen:Die Welt retten - in der Loisachhalle

Beim "Ältestentreffen 2018" in Wolfratshausen beraten Vertreter indigener Völker aus Nord- und Südamerika und Europa über die Zukunft der Erde.

Von Konstantin Kaip

Die Loisachhalle in Wolfratshausen hat schon viele illustre Gäste beherbergt. Kubanische Musiker oder japanische Opernensembles standen dort auf der Bühne und haben die große weite Welt in die Stadt am Fluss gebracht. Die Veranstaltung, die nun am Samstag, 2. Juni, stattfindet, ist allerdings auch für ein so international bespieltes Haus ungewohntes Neuland: Beim "Ältestentreffen 2018" kommen dort Weise, Schamanen und Medizinmänner mehrerer indigener Völker zusammen - und erklären, was zu tun ist, um die Natur zu bewahren. "Mutter Erde braucht Hilfe" ist das Treffen betitelt, an dem Abgesandte von Stämmen aus Bolivien, Peru, Ecuador, Mexiko, den USA, Kanada und europäischen Ländern teilnehmen.

Naturvölkertreffen: Tacan `sina, Sohn eines Dakota Indianers und Schamane organisiert in der Loisachhalle das Ältestentreffen 2018.

Tacan `sina, Sohn eines Dakota Indianers und Schamane organisiert in der Loisachhalle das Ältestentreffen 2018.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Initiiert hat das ganze Tacan 'sina. "Es ist bei den indianischen Völkern eine alte Tradition, dass sich die Ältesten der Völker zusammensetzen und Probleme der Zukunft besprechen", erklärt der 72-Jährige, der seine indigene Herkunft stolz präsentiert: Er trägt sein schlohweißes Haar lang, an fast jedem Finger einen schweren Ring, und über seinem Jeanshemd baumelt eine massive Silberkette mit einer Grizzly-Kralle. Die habe er von Navajo-Indianern anfertigen lassen, erzählt Tacan 'sina. Sein Name bedeute in der Sprache der Mandan, dem Stamm seiner Vorfahren, "großer oder starker Bär".

Seine Muttersprache allerdings ist eine andere: Der Mann, der wie ein Häuptling aus einem Reservat aussieht, spricht Deutsch mit unüberhörbar schwäbischer Färbung. Und wenn Tacan 'sina seine Lebensgeschichte erzählt, klingt es ein bisschen nach modernem Karl-May-Roman: Er sei als Sohn einer deutschen Mutter und eines amerikanischen Soldaten mit indigener Abstammung in der Schwäbischen Alb bei Ulm aufgewachsen, berichtet er. Erst mit zwölf Jahren habe er überhaupt erfahren, dass sein Vater aus dem Volk der Mandan stamme. Deren Kultur habe er aber erst als Erwachsener mit Anfang 30 kennengelernt: Als Radiogeologe sei er in Kanada tätig gewesen und habe dann kurzerhand beschlossen, seinen Großvater zu suchen. Gefunden habe er ihn schließlich in einem Reservat der Cree im Norden des Landes im Yukon-Territorium, wo er Medizinmann gewesen sei. Dort sei er dann geblieben, habe seine Firma aufgegeben und seine damalige Frau in Deutschland zurückgelassen. 20 Jahre lang habe er von seinem Großvater Tunka 'shila gelernt, bis er auf Beschluss des "Rates der Zwölf" selbst zum Schamanen berufen worden sei. 1997 sei er auf Rat seines Großvaters nach Europa zurückgekehrt, wo er seitdem sein Wissen auf Seminaren weitergebe. Kurz darauf sei Tunka 'shila gestorben - im Alter von 112 Jahren.

Heute lebt Tacan 'sina in München und ist mit einer Münchnerin verheiratet. Er hält Seminare und Vorträge, baut Schwitzhütten, richtet Zeremonien aus und bietet Ausbildungsgruppen in Deutschland und Österreich an. Er verwende nur seinen indianischen Namen, der als Ordensname in seinem Ausweis stehe, sagt Tacan 'sina. Unter seinem bürgerlichen Namen Michael Kalagin kenne ihn kaum einer.

Auf die Idee, ein Ältestentreffen in Deutschland zu veranstalten, sei er vor einem Jahr in Grönland gekommen, erzählt Tacan 'sina. Dort habe er an einem Symposion mit Ältesten und Schamanen teilgenommen, bald sei es nur noch um die Natur und das Problem der Gletscherschmelze gegangen. Auf dem Rückflug habe er beschlossen, "das Thema weiter zu fassen". Sein Verein "Canglesa Takata" (Kreis der Zukunft) mit Sitz in Österreich habe sich dem Austausch der indigenen Völker und ihrem Grundgedanken vom respektvollen Umgang mit der Erde verschrieben. Schließlich sei die belebte Natur für die Indianer das Göttliche. Und die sei immer mehr in Gefahr. "Wenn wir so weiter machen, wird es in 50 Jahren weder Eisbären noch Nashörner oder Elefanten geben", sagt Tacan 'sina. Und weil Beschlüsse auf Regierungsebene stets auf die Zukunft vertagt würden, sei es nun Zeit für die Naturvölker, etwas zu unternehmen. "Wir müssen herausfinden, was in unseren Möglichkeiten liegt. Und das wollen wir mit den Ältesten in das Bewusstsein ihrer Völker und der Zivilisation bringen."

Passieren soll das auf einem dreitägigen Kongress im Tagungshaus Linden in der Gemeinde Dietramszell, wo Tacan 'sina schon zahlreiche Seminare gehalten hat. Dort sollen sich die von ihren Völkern berufenen Ältesten und Schamanen intensiv austauschen und gemeinsam eine Art Resolution erstellen. Diese werde dann in der Loisachhalle der Öffentlichkeit präsentiert. "Die Bevölkerung soll erfahren, was die Ergebnisse sind", sagt der 72-Jährige. Die Veranstaltung soll von 10 bis 17 Uhr dauern und von zahlreichen Ritualen begleitet werden. Zu Beginn werde gemeinsam die Gebetspfeife geraucht, sagt Tacan 'sina. Die anschließenden Vorträge, die simultan aus dem Englischen und Spanischen übersetzt werden, sollen von Musik und Gesang begleitet werden. Das Publikum habe zudem die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Die Veranstaltung richtet sich jedoch eher an sehr interessierte Gäste. Schließlich verlangt der Verein auf seiner Homepage pro Person einen "Kostenbeitrag / Energieausgleich" von 100 Euro, mit Mittagessen (Chili con Carne) zehn Euro mehr. Das ist teurer als ein Parkettplatz der Kategorie eins in der Münchner Staatsoper und liegt nur knapp unter dem Ticketpreis für die Rolling Stones im Berliner Olympiastadion.

Warum sich die Ältesten der indigenen Völker ausgerechnet in Wolfratshausen treffen, hat laut Tacan 'sina vor allem praktische Gründe: Man habe einen Ort in der Nähe des Tagungshotels gesucht. Und weil in München, wo die Abschlussveranstaltung ursprünglich stattfinden sollte, keine Räumlichkeiten verfügbar gewesen seien, sei die Wahl auf die Loisachhalle gefallen. Die Botschaft, die er mit den anderen Teilnehmern formulieren will, gilt ohnehin der ganzen Welt.

www.ältestentreffen.de

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