Naturschutzprojekt:Zurück zur wilden Isar

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Das Wasserwirtschaftsamt Weilheim renaturiert den Fluss auf dem Weg vom Sylvenstein bis nach Bad Tölz. Nahe der Bibermühle auf Wackersberger Flur werden die Uferverbauung beseitigt und ein beliebter Radweg verlegt.

Von Klaus Schieder, Wackersberg

Der Weg am Fluss für Radfahrer und Spaziergänger ist mit Absperrgittern blockiert. Auch vor dem kleinen Fußpfad, der von der Seite her einmündet, ist ein Schild aufgestellt: "Holzfällung - Durchgang verboten. Lebensgefahr!", steht darauf zu lesen. Das hilft allerdings nicht immer. Auf der schmalen Kiesstrecke entlang der Isar, etwas südlich der Bibermühle im Gemeindegebiet Wackersberg, kommt auch manch ein Radler und Wanderer an die Sperre, der glaubt, dass dies übertrieben sei oder für ihn nicht gelte. Dabei wird es etwa 200 Meter weiter durchaus riskant: Ein Bagger reißt dort Bäume und große Sträucher samt Wurzelwerk aus dem Boden, hebt sie hoch in die Luft und stapelt sie am Flussufer auf. "Wir haben wirklich die Bitte an Radfahrer und Fußgänger, die Trasse nicht mehr zu nutzen, das ist gefährlich wegen des schweren Gerätes", sagt Flussmeister Johann Huber.

Der Grund für die Arbeiten, die am Montag begonnen haben, ist die Renaturierung der Isar auf einem Abschnitt von rund 800 Metern südlich der Bibermühle. Sie sind Teil des Gewässerentwicklungskonzeptes, mit dem das Wasserwirtschaftsamt Weilheim die europäische Wasserrahmenrichtlinie umsetzt. Das bedeutet, dass die Isar auf ihrem Weg vom Sylvenstein bis nach Bad Tölz nach und nach wieder frei fließt, wo immer sich dies so gestalten lässt. Auf den 800 Metern nahe der Bibermühle kann von einem naturnahen Wildfluss schon lange nicht mehr die Rede sein. Das Wasser gurgelt zwischen hohen Uferverbauungen dahin, grüne Algen wallen wie Haarsträhnen in der Strömung. Flussmeister Huber deutet auf die Steine im Flussbett. "Ein Kies, der in Bewegung ist, würde leuchten", sagt er. Aber da sei nichts. Da könnten auch keine Fische leben.

Die Isar wurde in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts reguliert. Damit wollte man vor allem den Flößern helfen. Mit der Begradigung wurde ihnen die Holztransporte auf dem bis dahin verzweigten Wildfluss um einiges erleichtert. Außerdem wurden so auch mehr Ansiedlungen in den Ufergebieten möglich. Dazu errichtete man an den Ufern große Schotterwalzen. Diese Drahtgestelle wurden mit Steinen gefüllt, die man neben dem Fluss fand. Darauf wurden dann große Wasserbausteine gelegt. Der Nachteil: Für Flora und Fauna, vor allem für Fische, verschwanden wichtige Lebensräume. "Das war eine klassische Bauweise, wenn man irgendwas stabilisieren wollte", erzählt Huber.

Die Renaturierung selbst ist deshalb auch alles andere als vertrackt. "Das heißt, wir nehmen die feste Uferverbauung raus", sagt Abteilungsleiterin Dora Schulze, die im Wasserwirtschaftsamt für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zuständig ist. Die Wasserbausteine werden abgetragen, die Drahtgeflechte der Walzen aufgeschnitten und entfernt, der Zement, der seinerzeit verwendet wurde, soll zertrümmert werden. Danach soll sich die Isar ihre beiden Ufer gewissermaßen selbst gestalten. "Wir geben dem Fluss die Möglichkeit, sich zu entfesseln", sagt Schulze. Dazu solle er "viel Raum, viel Fläche" erhalten. Der Abteilungsleiterin zufolge soll nahe der Bibermühle eine Art kleine Pupplinger Au entstehen - "mit vielen Verästelungen".

Bis dahin dürften allerdings Jahrzehnte vergehen. Was die Fische anbelangt, so werde es für sie kleine Rampen, kleine Unterstände und kleine Becken geben, "wo das Wasser hin und her fließen kann", sagt Wasserbaumeister Hartl. Man müsse für die Fische "wieder eine Struktur reinbringen", sagt Flussmeister Huber. Die Arbeiten dürften zumindest bis Ende des Jahres dauern, je nach Wetterlage. Die Kosten belaufen sich auf rund 280 000 Euro.

Um einiges komplizierter war die Verlegung des Rad- und Fußwegs, der bisher schnurstracks am Isarufer entlang führte. Im Grunde ist er nichts weiter als ein Unterhaltungsweg des Wasserwirtschaftsamtes, allerdings erfreut er sich bei Radlern und Wanderern großer Beliebtheit und gilt als Teil des Radwegs "Via Bavarica Tyrolensis". Schulze zufolge bedurfte es einer Reihe an Gesprächen mit Naturschützern und Kommunen, ehe die Route dieses Jahr im großen Bogen um den Renaturierungsabschnitt herum erst nach Westen und dann wieder nach Osten verlegt wurde. Schließlich handelt es sich bei dem Areal um ein FFH-Gebiet mit seltenen Orchideen-Arten, schützenswerten Pflanzen wie Wanzenknabenkraut, Kalkmagerrasen und moorigen Feuchtwiesen. Zwei Jahre lang hätten die Verhandlungen über die neue Radroute gedauert, sagt Schulze: "Wir waren immer auf der Suche nach dem geringsten Eingriff in das Gebiet." Deshalb sei es am Ende auch nicht möglich gewesen, die Trasse näher zum Fluss hin zu planen.

Gepflegt wird der Rad- und Fußweg, der auf dem Grund und Boden des Wasserwirtschaftsamtes, sprich: des Freistaats verläuft, im Übrigen von der Stadt Bad Tölz. "Sie hat ein großes Interesse daran, dass der Weg angenommen wird, vom Tourismus her", sagt Schulze. Der Kies habe von daher auch eine feine Struktur.

© SZ vom 24.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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