Naturschutz:Zwei Bienenvölker für Schäftlarn

Naturschutz: Korbinian Schneeberger (rechts) lernt vom erfahrenen Imker Georg Aigner (links) viel über das Leben seiner Bienen.

Korbinian Schneeberger (rechts) lernt vom erfahrenen Imker Georg Aigner (links) viel über das Leben seiner Bienen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Jungimker Korbinian Schneeberger wollte seine Stöcke nicht im eigenen Garten, sondern auf Gemeindegrund aufstellen. Sein Projekt am Hirtenweg ist deshalb Dorfsache geworden.

Von Marie Heßlinger

Korbinian Schneeberger strahlt über das ganze Gesicht, als er auf den Steg am Schäftlarner Weiher zuläuft. Am Vortag hatte er in seiner jungen Imkerkarriere ein "absolutes Highlight": Ein Nachbar hatte angerufen, weil ein ausgebüchster fremder Schwarm in seinem Baum hing. Altimker Georg Aigner fing die Bienen für Schneeberger ein. "Jetzt habe ich einen neuen Schwarm", sagt Schneeberger. Und seine zwei Bienenvölker begeistern nicht nur ihn, sondern offenbar die ganze Hohenschäftlarner Nachbarschaft.

Das neue Bienenvolk summt hektisch um sein neues Flugloch, Schneeberger drückt eifrig auf den Smoker. "Ich muss ganz ehrlich sagen, die sind mir noch ein bisschen unheimlich." Erst vor zwei Monaten ist der 44-Jährige mit seinem ersten Volk zum Hobbyimker geworden. Er wollte es nicht im eigenen Garten, sondern auf Gemeindegrund am daneben gelegenen Weiher am Hirtenweg aufstellen. "Die Idee war, dass das ein Nachbarschaftsprojekt wird."

Schneeberger wohnt erst seit einem Jahr in Schäftlarn. Als er die Idee mit den Bienen hatte, rief er beim Bürgermeister an und war so aufgeregt, dass er erleichtert war, als dieser nicht gleich abnahm. Stattdessen schrieb er eine Mail. Keine zwei Stunden später antwortete Bürgermeister Christian Fürst - begeistert. Nun haben Nachbarn Blühwiesen in ihre Gärten gesät, bei den Bienenvölkern steht ein Topf mit bienenfreundlichen Blümchen. Schneeberger steckt an mit seiner Faszination.

"Krass, das hab ich noch nie gesehen", sagt er, als er einen Wabenrahmen aus seinem älteren Stock hebt. Im Getümmel der vielen Bienen, die auf der Wabe wuseln, hat eine gelben Blütenstaub an den Beinen. Sie bahnt sich ihren Weg zu einer Zelle und legt die Pollenpäckchen darin ab. "Krass, jetzt liegt es da drin."

Naturschutz: Schneeberger unterhält inzwischen zwei Bienenvölker. Eins davon hat Georg Aigner in einem Nachbargarten eingefangen, nahdem es anderswo ausgebüxt war.

Schneeberger unterhält inzwischen zwei Bienenvölker. Eins davon hat Georg Aigner in einem Nachbargarten eingefangen, nahdem es anderswo ausgebüxt war.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Erwachsene Bienen ernähren sich vorwiegend von Honig. Ihre Brut aber bekommt zudem Pollen als Eiweißquelle. In der Mitte der Wabe, die Schneeberger in der Hand hält, haben die Zellen Wachsdeckel. Dahinter haben sich die Larven verpuppt, ehe sie herausschlüpfen. Drum herum haben die Bienen Honig für sie aufbewahrt. Den stellen sie gemeinsam her.

Saugt eine Biene mit ihrem Rüssel Nektar aus einer Blüte auf, filtert sie in ihrem Honigmagen zunächst das Wasser heraus. "Nektar besteht zu 80 bis 90 Prozent aus Wasser", sagt Schneeberger. Den Nektar aus ihrem Honigmagen gibt die Biene über ihren Mund weiter an andere Bienen, die diesen wiederum verarbeiten - erst nach vier, fünf Durchgängen wird daraus fertiger Honig. Schneeberger setzt den Deckel zurück auf den Kasten. Die Bienen drängeln sich nun um den Eingangsbereich - es sieht nach Regen aus. Auch Schneeberger geht ins Haus.

"Dass es Organismen gibt, die nur eine Mutter und keinen Vater haben", sagt Schneeberger, als er an der Küchenzeile lehnt, sei einer der Gründe, warum er sich für Bienen interessiere. Der 44-Jährige ist Professor für Genetik an der Ludwigs-Maximilian-Universität in München. Er hat schon überlegt, sein neues Hobby auch Teil seiner Forschung werden zu lassen. Denn Drohnen, männliche Bienen, haben nur einen Chromosomensatz. Sie entstehen aus unbefruchteten Königinneneiern.

Braucht ein Bienenvolk eine Königin, züchtet es eine: Es zieht dann in einer besonderen Zelle eine Larve heran und füttert sie mit Gelée Royale. Der Futtersaft aus den Drüsen der Arbeiterinnen enthält Kohlenhydrate, Eiweiße, Vitamine und Spurenelemente und lässt die heranwachsende Biene größer werden als alle anderen - und fortpflanzungsfähig. Nur die Königin ist dazu in der Lage, Eier zu legen.

Naturschutz: Bienen sind faszinierende Tiere: Nur die Königin kann Eier legen, aus den unbefruchteten schlüpfen die männlichen Drohnen.

Bienen sind faszinierende Tiere: Nur die Königin kann Eier legen, aus den unbefruchteten schlüpfen die männlichen Drohnen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ist die Königin geschlechtsreif, begibt sie sich auf ihren Hochzeitsflug. Viele Kilometer ist sie unterwegs, um an einen Ort zu fliegen, an dem männliche Bienen auf sie warten. In einer Höhe von rund 150 Metern, wo nur die stärksten Drohnen hinkommen, paart sich die Königin mit mehreren von ihnen. Woher Drohnen und Königinnen wissen, wo dieser Hochzeitstreffpunkt ist? "Das ist mir auch ein bisschen ein Rätsel", sagt Schneeberger.

Nach ihren Hochzeitsflügen verlässt die Königin ihr Bienenvolk für lange Zeit, manchmal Jahre. Sie trägt nun für den Rest ihres Lebens die Spermien in sich. Damit befruchtet sie einen Teil der rund 2000 Eier, die sie jeden Tag legt. Die Eier der Drohnen jedoch bleiben unbefruchtet. Und die Aufgabe der Drohnen wiederum besteht nur darin, Königinnen zu befruchten. Im August jedes Jahres beginnen deshalb die Drohnenschlachten: Arbeiterinnen drängen die männlichen Bienen aus dem Stock, sie sind nun unnötige Futterkonkurrenten. Ihre Königin indes, die die Fortpflanzung im Stock sichert, füttern, waschen und pflegen sie. Schneeberger findet trotzdem: "Der Name Königin ist eigentlich nicht gerechtfertigt. Weil sie permanent gefragt ist, Eier zu legen."

Jedes Frühjahr zieht das Volk neue Königinnen heran. Die alte Königin wird derweil auf Diät gesetzt, damit sie fliegen kann: Ein Teil des Volkes schwärmt mit ihr aus, um eine neue Kolonie an einem neuen Ort zu gründen. Das alte Zuhause überlassen sie einer jungen Thronfolgerin. Auf diese Weise ist auch Schneeberger zu seinem zweiten Schwarm gekommen. Und zu diesem stiefelt er nun zurück. Es hat aufgehört zu regnen. Ein Mann mit Hut tritt zu ihm und seinen Bienen hinzu.

Georg Aigner, 62 Jahre alt, ehemals Koch im Kloster Schäftlarn, hatte seine ersten Bienen, als er noch ein "Bursche" war, wie er sagt. Nun ist er Schneebergers Mentor geworden. Mit ruhiger Stimme und in tiefem Bairisch scheint er auf jede Bienen-Frage eine Antwort zu haben. Kaum hat er den Deckel von Schneebergers neuem Bienenvolk gehoben, kommt ein weiterer Mann hinzu, ein Nachbar offenbar. "Wie viele waren das, die du eingefangen hast?", fragt er Aigner. "15- bis 20 000", sagt der.

Naturschutz: Rauch gegen Stiche: Mit dem Smoker halten die Imker sich die Bienen vom Leib.

Rauch gegen Stiche: Mit dem Smoker halten die Imker sich die Bienen vom Leib.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ein Großteil dieser Bienen sind Arbeiterinnen. Ihr Leben folgt, wenn keine Notfälle eine Planänderung erfordern, klaren Aufgaben: Nach 21 Tagen schlüpfen die Bienen aus ihren Zellen. Daraufhin füttern und wärmen sie die Brut, putzen den Stock, produzieren Wachs, nehmen Nektar entgegen. Am Ende ihrer Arbeitszeit im Inneren des Stocks sind sie Türsteherinnen: Am Geruch erkennen sie, ob jede eintretende Biene zum Volk gehört. Erst nach drei Wochen im Stock werden die Jungbienen schließlich zu Flugbienen. Bis zu ihrem Lebensende - Sommerbienen werden etwa 35 Tage alt, Winterbienen leben länger - sind sie nun damit beschäftigt, Pollen und Nektar nach Hause zu bringen.

Über den Schwänzeltanz kommunizieren Flugbienen miteinander. Sie teilen einander mit, wo sich gute Futterstellen finden: Die Ausrichtung ihrer Bewegungen mit dem Hinterteil geben den Winkel einer Futterquelle zur Sonne wieder. Die anderen Arbeiterinnen errechnen dann vermutlich, wie sich der Sonnenstand in der seitdem vergangenen Zeit verändert hat. Ihre Farbwahrnehmung ist dabei anders als die von Menschen: Sie sehen schwarz statt rot, und um die 20 verschiedene Weißschattierungen. Selbst bei bewölktem Himmel können sie sich so an der Sonne orientieren. Doch in ländlichen Gegenden wird die Futtersuche immer schwieriger. "Mittlerweile finden Bienen in der Stadt mehr Futter als auf dem Land", sagt Schneeberger. Monokulturen böten oft, wenn überhaupt, nur für eine begrenzte Dauer Blütennahrung. In Städten hingegen gebe es Gärten, Alleen und Friedhöfe. Auch Pestizide gefährden das Leben von Landbienen. Durch die Pflanzenschutzmittel habe er schon einmal ein Volk am Schäftlarner Kloster verloren, sagt Aigner: Die Bienen seien wegen der Pestizide orientierungslos geworden, kurz darauf sei der ganze Stock leer gewesen. Schneeberger dürfte so etwas nicht passieren. Zumindest nicht, wenn die Schäftlarner weiterhin so viele Blumen für seine Bienen pflanzen.

Zuchtbienen und Wildbienen konkurrieren oft um Nahrungsquellen. Wer Wildbienen etwas Gutes tun will, kann Pflanzen mit Schmetterlingsblüten setzen - an deren Nektar kommen nur Wildbienen mit ihren längeren Rüsseln heran.

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