Süddeutsche Zeitung

Naturschutz:Ein Tunnel für den Biberbau

Seit vier Jahren verursacht eine Nagerfamilie rund um das Kloster Schäftlarn immer wieder Überflutungen. Nun glaubt die Gemeinde, eine Lösung gefunden zu haben

Von Marie Heßlinger, Schäftlarn

Es wirkt so, als spielten die Gemeinde Schäftlarn und der Biber seit Wochen ein stoisches Spiel: Der Biberberater oder ein Mitarbeiter des Bauhofs machen einen kleinen Teil des Biberdammes alle zwei Tage kaputt, damit das Wasser wieder abfließen kann, der Biber baut sein Nest über Nacht wieder zu - und fällt dafür alle Bäume, die er im Umkreis finden kann. Mit einem Trick will die Gemeinde diese Endlosschleife aber nun beenden.

Auf der Wiese vor der Kläranlage am Klingenbach etwas oberhalb der Isar steht ein einsamer Baum, angenagt wie ein Apfel, in den nur einmal kurz reingebissen wurde. Dahinter liegen Bäume über Bäume auf dem Boden, viele von ihnen mussten gefällt werden, weil der Biber seine Zähne in sie geschlagen hatte. "Eine typische Biberaktion", sagt Schäftlarns Bürgermeister Christian Fürst (CSU) und zeigt aus dem Autofenster. Wenig später steht er hinter der Kläranlage und blickt über den vom Biber demolierten Zaun: Dort im Klingenbach hat der Nager sein Hauptquartier, einen stattlichen Damm, mit dem er regelmäßig alle umliegenden Wiesen flutet.

Seit rund vier Jahren ist das Tier vermutlich schon auf dem Gelände hinter dem Kloster Schäftlarn unterwegs. Wahrscheinlich handelt es sich um eine ganze Familie. Im vergangenen Jahr regnete es stark und die Isar hatte einen ungewöhnlich hohen Wasserstand. Da machte sich das Treiben der Biberfamilie besonders bemerkbar. Im Herbst hätten die Landwirte den Mais nicht ernten können, sagt Fürst. Alles sei versumpft gewesen, der Keller des Klosterinternats nass. "Wenn er seinen Damm so richtig aufbaut, drückt es das Bachwasser ins Grundwasser", sagt der Bürgermeister. Dabei fluteten die Biber ihre Umgebung nicht mit nur einem Damm, sondern mittels ganzer zwölf Nebendämme in den Bächen auf dem Klostergelände. Der Biberberater des Landkreises München und die Mitarbeiter des Bauhofs montierten sie nacheinander ab. Nur den Hauptdamm hinter der Kläranlage mussten sie stehen lassen - die tierischen Baumfäller stehen unter Naturschutz.

Um den Überflutungen am Hauptdamm Einhalt zu gebieten, lässt die Gemeinde nun alle paar Tage ein bisschen Wasser aus dem Stausee der Biber ab. Die Nager bauen ihr Heim dann umgehend wieder auf. "Der Biber hat sich scheinbar damit arrangiert, dass er hinter einer Kläranlage lebt", sagt Fürst. Und die Gemeinde hat sich, so wirkt es, auch mit ihm arrangiert: "Er hat ja durchaus seine Berechtigung", sagt Fürst. "Er macht uns halt ein bisschen Arbeit." Damit der Biber und die Mitarbeiter der Gemeinde nun ein bisschen weniger Arbeit haben, hat Biberberater Thomas Bernt folgenden Vorschlag gemacht: Wenn die Gemeinde eine Drainage unter den Damm des Bibers legt, fließt das Wasser ab und es kommt zu weniger Überflutungen. Der Staudamm bleibt und der Biber hat seinen kleinen Stausee, in dem er sich sicher fühlt.

"Der Biber baut sich sein Nest gerne so, dass er unter Wasser in seine Höhle tauchen kann", erklärt der Bürgermeister. Er mache das, um sich vor Fressfeinden sicher zu fühlen - Feinde, "die es eigentlich nicht mehr gibt", sagt Fürst. Neben dem Staudamm der Nagerfamilie liegt nun schon eine etwa fünf Meter lange Röhre bereit. Sie soll eingebaut werden, sobald es wärmer wird. Rund 4000 Euro koste das die Gemeinde, schätzt der Bürgermeister. "Ich hoffe, dass der Biber nicht sagt: Ätschibätsch, ich stopf das Rohr jetzt zu."

Schon vor ein paar Jahren hatte es Schäftlarn mit einem außergewöhnlich aktiven Biber zu tun: Von den Klosterbächen kraxelte das Wassertier den Berg hoch, über die B 11 und die Gleise, bis in einen Garten, wo es sich in einem kleinen Teich niederließ. Fürst war damals selbst als Feuerwehrmann im Einsatz. "Es hat ein bisschen gedauert, bis wir eine Idee hatten, wie wir ihn einfangen", erzählt er. Mit einem Netz sammelten die Feuerwehrmänner das verängstigte Tier ein, luden es in eine Kiste mit einem schweren Holzdeckel drauf und brachten es zurück an die Isarauen. Dass es ebendieser Biber ist, der nun mit seiner Familie die Klosteranlagen flutet, schließt Fürst nicht aus.

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SZ vom 23.02.2021
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