Süddeutsche Zeitung

Naturschutz am Fluss:Aus Liebe zum Wasser

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Naturfreunde Wolfratshausen, bayerischer Kanuverband und der WWF machen mit einer Bootsaktion auf die ökologischen Probleme der Isar aufmerksam - sie fordern den Erhalt der Wasserrahmenrichtlinie

Von Benjamin Emonts, Lenggries

Mehr als 30 Kanus formen einen rotierenden, bunten Kreis auf dem Sylvensteinsee. Dann formiert sich der Kreis zu einem Stern. Die Kanuten klopfen mit ihren Händen auf die Boote und machen Lärm. Einige halten Schilder in die Höhe. "Jetzt aktiv werden", steht da geschrieben. Oder: "Für Mensch und Natur." Die Aufmerksamkeit der Passanten ist den Bootsfahrern damit gewiss - und darum geht es ihnen schließlich. "Wir wollen die Bevölkerung für die Flüsse sensibilisieren", sagt Stefan Schmidt, Resortleiter für Umwelt und Gewässer beim Bayerischen Kanuverband. "Für uns sind Naturerlebnis und Naturschutz zwei Seiten derselben Medaille."

Als Termin für ihre dynamische Bootsaktion haben sich die Naturfreunde Wolfratshausen, der Bayerische Kanuverband und der WWF Deutschland bewusst den Sonntag, 8. Juli, ausgesucht: den europäischen Flussbadetag. Alle drei Vereinigungen setzen sich vehement für die hiesigen Gewässer ein: Sie sollen sauber und lebendig bleiben und ausreichend intakte Lebensräume für eine große Vielfalt an Tieren und Pflanzen bieten.

Auch der Ort ihrer Aktion ist nicht zufällig gewählt. Der Sylvensteinspeicher ist ein künstlich angelegter Stausee, der Wasser aus der Isar aufnimmt, um die Region vor Hochwasser zu schützen. Er liegt außerdem in einem sehr beliebten Ausflugs- und Erholungsgebiet. Doch täuschen die malerische Landschaft rund um den Stausee und sein türkisfarbenes Wasser über so manche ökologische Probleme hinweg, mit denen die Isar zunehmend zu kämpfen hat.

"Die Isar wirkt sehr naturbelassen, aber auch sie hat Probleme. Den Flüssen in Deutschland geht es sehr schlecht", betont Sigrun Lange vom WWF Deutschland. Tatsächlich gelten laut eines Berichts des Umweltbundesamts (UBA) nur 6,7 Prozent der deutschen Flüsse und 8,4 Prozent der deutschen Oberflächengewässer als "ökologisch intakt". Für Peter Ludwig von den Naturfreunden sind die Probleme der Isar offensichtlich. Als leidenschaftliche Kajak-Fahrer nutzen sie den Fluss im Bereich der Pupplinger Au regelmäßig zum Training, manche bereits seit mehr als 40 Jahren.

Ludwig stellt fest, dass sich der Fluss stark verändert habe. "Wir beobachten seit Jahren mit zunehmender Sorge, dass aus der wilden Isar ein sich eintiefender Kanal in einer austrocknenden Flussaue wird." Es sei notwendig, wieder mehr Wildflussstrukturen zu schaffen.

Der Sylvensteinspeicher, darin sind sich die Umweltschützer einig, zähme die Isar zusätzlich. Der Speicher halte das Wasser und das Geschiebe zurück, mit dem die Isar neue Kiesbänke gestalten könnte. Zudem engten Deiche den Fluss ein, um Platz für Siedlungen und Straßen zu schaffen. "Auf der Strecke bleibt die Dynamik, die einen Wildfluss ausmacht", sagt Lange. Die nach und nach zuwachsenden Uferbereiche böten nicht mehr ausreichend Lebensraum für Tiere und Pflanzen, die auf die Kiesbänke angewiesen seien. Das Überleben werde für Fische und andere flusstypische Pflanzen und Tierarten dadurch immer schwerer.

Ein Hauptanliegen von WWF, Naturfreunden und Kanuverband ist deshalb der Erhalt der im Jahr 2000 eingeführten Wasserrahmenrichtlinie, in der sich alle EU-Staaten das gemeinsame Ziel gesetzt haben, ihre Flüsse, Seen und Küstengewässer bis 2027 in einen möglichst guten ökologischen und chemischen Zustand zu versetzen. Sie setzt in ihren Augen am genau richtigen Hebel an, indem sie mit strikten Regeln eine Renaturierung und Verbesserung der Wasserqualität auch der hiesigen Flüsse fordert. Erreicht sei dieses ehrgeizige Ziel aber noch lange nicht, betont Lange. "Die Vorgaben müssen konsequenter umgesetzt und in alle relevanten Politikbereiche integriert werden."

Zumal die Schlagkraft dieser europäischen Gesetzgebung, so befürchten Umweltschützer, schon bald abgeschwächt werden könnte. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr auf den Prüfstand gestellt und möglicherweise aufgelockert werden. Die Frist zum Erreichen der Ziele, auf die man sich geeinigt hat, könnte verlängert werden. Projekte könnten sich dadurch länger hinausziehen, andere würden vermutlich gar nicht erst begonnen. Die europäischen Gewässer und Flüsse würden zu den Leidtragenden dieser neuen politischen Ausrichtung. Lange und ihre Mitstreiter wollen das um jeden Preis verhindern.

Das Wasserwirtschaftsamt in Weilheim hat sich bereits bis ins Jahr 2024 sehr viel vorgenommen. Jährlich werden 20 000 Kubikmeter Kies, das entspricht immerhin einem Viertel der gesamten Kiesmenge, die von der Isar in den Sylvensteinspeicher transportiert wird, mit Lastwagen zurück in den Fluss gebracht. Uferverbauungen sollen entfernt und Fischwanderhilfen am Flecker und Leger Wehr errichtet werden. An der Isarburg soll eine sogenannte Sohlgleite Erosion begrenzen und die Durchgängigkeit erhöhen.

Stefan Schmidt vom Bayerischen Kanuverband hofft, dass ihre Bootsaktion am europäischen Flussbadetag ein Problembewusstsein bei den Menschen schafft. Er wünscht sich, dass die unzähligen jungen Bootsfahrer, die sich an den Wochenenden die Isar hinabtreiben lassen, den Fluss respektieren lernen und ihn zumindest nicht vermüllen und verschmutzen. Der aktive Einsatz für den Erhalt der natürlichen Lebensräume sei tief in der "DNA" seines Sports verankert, sagt er, und steigt zurück in sein Kanu.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2018
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