Nantesbuch:Das doppelte Dorf

Mit 34 Einwohnern ist Nantesbuch der kleinste, aber auch der älteste Ortsteil von Penzberg. Und voller Geschichten, wie ein Stadtteilfest im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums von Penzberg zeigen soll. Ein Vorab-Rundgang mit einem echten Nantesbucher.

Von Viktoria Spinrad

Früher muss der Bär gesteppt haben im kleinen Nantesbuch. Weil es im kleinsten Ortsteil Penzbergs die einzige Schule in der Region gab, kamen die Schüler aus kilometerweit entfernten, umliegenden Dörfern in das idyllische Höfe-Dorf an der Loisach. 65 Jahre später steppt hier zum Unmut mancher wieder der Bär - vor allem aber wegen der vielen Ausflügler, die auf der Terrasse des idyllischen Märznhof den Blick auf die Alpen genießen wollen und die Straße zuparken. Was steckt eigentlich hinter der kleinen Siedlung vor den Toren Penzbergs?

Einer, der sich mit dem Thema auskennt, steht wenige Tage vor dem Dorffest zum 100-jährigen Jubiläum Penzbergs auf dem Hügel hinter der kleinen Kirche und zeigt gen Osten, dahin, wo es östlich der Loisach noch ein scheinbar anderes Nantesbuch gibt. Johannes Bauer ist 70, Grüner, Zweiter Bürgermeister von Penzberg - und Nantesbucher. Zumindest, wenn man so will. Er malt einen Kreis in die Luft. Früher hieß die Ansammlung aller Höfe im Umkreis Nantesbuch. "Auch die östlich der Loisach", sagt Bauer. Also auch dort im Langen Haus, wo BMW-Aktionärin Susanne Klatten heute mit ihrer Nantesbuch-Stiftung Natur und Kunst bewahrt. Heute gehört das östliche Nantesbuch zu Bad Heilbrunn, das westliche mit seinen 34 Einwohnern zu Penzberg. "Die zwei Nantesbuchs sind also eigentlich eins", sagt Bauer.

Klar ist auch: Nantesbuch, also der Hügel (Bichl) des Nantweins oder des Nandolds, ist steinalt. Als Urbesitz des Kloster Benediktbeuern wurde der Name bereits im 13. Jahrhundert erstmals erwähnt. Damals ging es vor allem um die Abgaben der wenigen Höfe ans Kloster: hier fünf Hühner, dort sechs Schilling, da fünf Scheffel Haber für die hungrigen Mönche. Mägde und Knechte belebten den kleinen Ort - heute betreibt keiner der Höfe eine Landwirtschaft mehr.

Was es aber nach wie vor gibt, ist eine Kirche, wenn auch eine sehr kleine. Wenn Bauer hier an der Orgel sitzt, hört man das schon beim Aufstieg auf die Hügelkette. Er steht jetzt unten und deutet auf den Altar: Hier wurde er vor 70 Jahren getauft; für die Madonnen an der Wand ließen sich seine Tanten extra die Haare abschneiden. Und auch hier ist es so eine Sache mit der Zugehörigkeit. Weil die Bauern im 18. Jahrhundert müde waren, zur Messe stets ins zehn Kilometer entfernte Benediktbeuern zu pilgern, forderten sie eine eigene Kirche. Die sie mit tatkräftigem Anpacken 1759 auch bekamen - bis das kleine Kirchlein 77 Jahre später zusammen mit drei anliegenden Höfen abbrannte. In nur vier Jahren schufen sie einen Neubau, in dem auch Bauers Vater bereits die Orgel spielte.

Maria Himmelfahrt Nantesbuch

Johannes Bauer, 70, ist Grüner, Zweiter Bürgermeister von Penzberg und bekennender Nantesbucher.

(Foto: Manfred Neubauer)

Es geht nun ein paar Meter hinauf, vorbei am alten Schulhaus und einem Bauhaus-ähnlichen Neubau. "Ist natürlich immer die Frage, was in so ein Dorf passt", sagt Bauer. Als Stadtrat kennt er die Diskrepanzen, das Ringen um Umbauten und Erweiterungen, die immer wieder die Grundsatzfrage stellen: Wohin sollte sich ein uriges Dorf wie Nantesbuch entwickeln? Zu einem großen Dorf? Oder sollten die alten Höfe, deren Besitzer mit "Märzn-Resi" oder "Zistn-Hans" immer noch nach den alten Hofnamen genannt werden, möglichst strikt konserviert werden? Fragen, die wohl noch weit weg schienen, als der kleine Johannes Bauer an der 13-köpfigen Dorfzwergschule lernte und seine Talente eruierte: Während er bei den Kleineren mitschrieb, durfte der heutige Diplom-Informatiker bei den Älteren mitrechnen.

Dorfrundgang mit Johannes Bauer am Mittwoch, 14. August, ab 18 Uhr. Treff ist an der Kirche Maria Himmelfahrt. Buch zum Jubiläum: Reinhard Heydenreuter, "Geschichte mit Zukunft: 100 Jahre Stadt Penzberg in Oberbayern", 24,90 Euro

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