Mit dem Ausbau des Nahwärmenetzes sind die Tölzer Stadtwerke flott vorangekommen – und jetzt an einer prekären Stelle angelangt. Am Rande des Bolzplatzes vom SC Rot-Weiß Bad Tölz lugen zwei anschlussfertige Rohre aus der Erde, auch gegenüber sind die Rohrleitungen an der Arzbacher Straße hinauf zur B472 so gut wie fertig – dazwischen liegt jedoch die Isar. Knapp zwei Jahre dauerten die Planungen, wie der Nahwärmeausbau durch den Fluss vonstatten gehen soll. Denn das Vorhaben auf gut 100 Meter Strecke von einem Ufer zum anderen ist kompliziert. Wegen des schwierigen Bodens unter der Isar. Wegen der Lage mitten in einem FFH-Gebiet. Wegen des Wetters. Wegen des Zusammenspiels vieler Gewerke. Die Isarquerung, sagt der technische Stadtwerke-Leiter Wolfgang Stahl, sei „eine große Herausforderung“.
Die Kosten für die Isarquerung liegen bei circa 1,3 Millionen Euro
Das Projekt ist notwendig, um die Nahwärmenetze von Bad Tölz-Ost und Bad Tölz-West zu verbinden. Anders ausgedrückt: Die neue Wärmeenergiezentrale, die gerade neben dem Feuerwehrhaus entsteht, wird mit dem Wärmenetz im Kurviertel verknüpft, das in den vergangenen Jahren schon weitgehend ausgebaut worden ist. Das geht allerdings nur quer durch die Isar. Ein komplexes und alles andere als billiges Unterfangen. Die Kosten beziffert die kaufmännische Stadtwerke-Leiterin Andrea Albers auf rund 1,3 Millionen Euro. Wenn diese Summe denn ausreicht. „Das hängt davon ab, auf welche Risiken wir stoßen.“
Ein Problem ist der Untergrund aus Kies und Sand unter dem Flussbett. Wie Projektleiter Andreas Rösch von den Stadtwerken erläuterte, hätten Probebohrungen ergeben, dass diese kiessandige Schicht auf der Ostseite etwa acht Meter dick sei, in der Mitte und auf der Westseite aber nur zwei Meter, weil darunter Ton und Felsgestein lägen. Die Folge: Eine Bohrung oder Pressung für die Nahwärmeleitungen war in diesem Boden nicht möglich. Außerdem sind die Stahlrohre alles andere als klein – zwei haben 60 Zentimeter Durchmesser, eines 40 Zentimeter. Die Isar ist an der Baustelle unterhalb der Brücke mit der Umgehungsstraße zwei Meter tief, die Rohre müssten zumindest zwei Meter unter die Sohle gelegt werden. Das ging nicht.
Der Fluss muss deshalb „in offener Bauweise“ gequert werden, wie Stahl ausführte. Dies bedeutet, dass in den vergangenen Tagen viel Kies vom Ostufer bis über die Flussmitte hinaus gebaggert wurde, um eine Standfläche für das Spundgerät zu bekommen. Mit einem Spezialfahrzeug ist die Firma Georg Häsch aus Dietramszell nun dabei, eine Spundwand zu errichten – mit einer Oberkante, die etwa 20 Zentimeter über der Flusssohle liegt. Außerdem müssen einzelne Stahlträger, sogenannte Dalben, eingesetzt werden. Sie dienen dazu, die Rohrleitungen später im Rohrgraben genau zu positionieren. Wenn das auf der Ostseite erledigt ist, wird das Flussbett so umgeformt, dass diese Arbeiten auch am Westufer stattfinden können – die Isar fließt dann im Osten an der Baustelle vorbei.
Danach wird es richtig kompliziert. Wenn die Spundwand gesetzt ist, muss darunter der Rohrgraben ausgehoben werden. Das Baggern unter Wasser „geht nicht auf Sicht, sondern über eine 3D-Steuerung“, sagt Bodo Dreisbach, Bauleiter der Firma Willibald. Dabei müsse man sich auf die Elektronik verlassen – und auf den Baggerführer. Dieser Feinarbeit folgt ein Kraftakt: Fünf Bagger und zwei Autokräne sollen die beiden, jeweils rund 35 Tonnen schweren Rohrleitungen in den Graben hieven, ebenso das etwas leichtere Schutzrohr für die Stromleitungen. Vor allem in dieser Phase hoffen die Planer der Stadtwerke, dass es nicht regnet. Gerade dann sei man auf einen sehr niedrigen Wasserpegel angewiesen, so Stahl. Außerdem stehe man während der gesamten Bauphase in Kontakt mit dem Wasserwirtschaftsamt Weilheim, das den Sylvensteinspeicher und damit die Wassermenge reguliert, die in die Isar abgelassen wird.
Am Rand der Baustelle wurde ein Schutzzaun für Eidechsen verlegt
Ganz zum Schluss des Bauprojekts sind Taucher an der Reihe. Sie verankern die Rohre an den Dalben. Danach werden die Spundwände entfernt, der Rohrgraben verfüllt, das Flussbett in seinen ursprünglichen Zustand gebracht, die Rohre der Ost- und der Westseite verbunden. Für die beteiligten Firmen ist dies ein ungewöhnlicher Auftrag. Das sei eine Maßnahme, bei der man „nichts aus der Schublade ziehen“ könne, sagt Dreisbach: „Jedes Detail braucht Sonderlösungen und viele Überlegungen.“ Für Georg Häsch handelt es sich um eine Baustelle, „die sehr speziell ist“ und „monatelange Vorbereitungen“ erfordere. Was den Umweltschutz angeht, wolle man das Gebiet „möglichst wenig belasten“, erklärt Projektleiter Rösch. Das Konzept sei unter anderem mit der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt und dem Wasserwirtschaftsamt abgesprochen. Zum Schutz der Eidechsen wurde entlang der Baustelle ein langer Zaun nahe des Sportplatzes verlegt.
Die Isarquerung wird auch den Straßenverkehr auf einer der Hauptrouten in Bad Tölz belasten. Wenn die Arbeiten am Westufer beginnen, muss die Bockschützstraße ab der Einmündung Arzbacher Straße komplett gesperrt werden. Wer von Arzbach her in den Tölzer Badeteil fahren möchte, kann allerdings die südliche Arzbacher Straße nehmen. Mit einer Ausnahme: Wenn die Rohre mit Baggern und Kränen gelegt werden, ist auch die Arzbacher Straße für einige Tage nicht mehr befahrbar. „Uns ist klar, dass das nicht gut ist“, sagt Stadtwerke-Leiter Stahl. Außerdem könne man den Termin für die Sperrung angesichts all der Unwägbarkeiten auch erst kurzfristig bekannt geben. Dafür bitte man um Verständnis. Und noch einen Appell hat Stahl: „Wir haben es nicht gerne, wenn zum Einbringen der Rohre zu viele Leute kommen und zuschauen – das ist nicht ungefährlich.“
Der Nahwärme-Ausbau wird von 2025 an in Nord-Süd-Richtung fortgesetzt
Das Bauprojekt an der Isar soll bis Weihnachten abgeschlossen sein. Mit dem Ausbau des Nahwärmenetzes geht es in den nächsten beiden Jahren jedoch weiter. Dann sei der Nord-Süd-Strang an der Reihe, so Stahl. Die Leitungen sollen vom Heizwerk an der General-Patton-Straße ins Stadtgebiet verlegt werden. Ein Problem dabei ist ein anderes Millionenprojekt: der Bau der Nordumfahrung. Vom Staatlichen Bauamt Weilheim hätten die Stadtwerke jedoch die Zusicherung, mit den Rohrleitungen die Bahngleise an der Allgäuer Straße queren zu dürfen, ehe die Umgehungsstraße weiter gebaut werde. Wie Stadtwerke-Leiterin Abels mitteilt, sollen in den nächsten fünf bis zehn Jahren nochmals 30 Millionen Euro in das Nahwärmenetz fließen. Ebenso viel kostet auch das Schlüsselprojekt des Ausbaus: die neue Wärmeenergiezentrale, die mehr als 80 Prozent CO₂-neutrale Wärme erzeugen soll.