Nach der Wahl:Brücken bauen vom Chefsessel aus

Nach der Wahl: Der 46-jährige Toni Ortlieb war bis zum 14. Juli dieses Jahres Kommunalbetreuer bei der Sparkasse in Bad Tölz, zwei Tage später Bürgermeister von Benediktbeuern.

Der 46-jährige Toni Ortlieb war bis zum 14. Juli dieses Jahres Kommunalbetreuer bei der Sparkasse in Bad Tölz, zwei Tage später Bürgermeister von Benediktbeuern.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Seit rund acht Wochen ist Toni Ortlieb Bürgermeister von Benediktbeuern. Das Amt bietet für ihn die Chance, Themen anzupacken, von der Dorferneuerung über Wohnraum bis hin zur Stimmung im Gemeinderat

Von Petra Schneider, Benediktbeuern

Bestens gelaunt bittet Toni Ortlieb zum Gespräch ins Bürgermeisterzimmer. Weißes Hemd, schwarze Hose - die Lederhose, die der Zweite Vorsitzende der Benediktbeurer Gebirgsschützenkompanie gerne trägt, hat er im Schrank gelassen. Er muss noch schnell ein Telefonat führen; "habe die Ehre, Servus", meldet er sich und organisiert kurzfristig einen Termin neu. Ein hölzerner Herrgott wacht über dem Bürgermeisterschreibtisch, ein Foto von seiner Familie und zwei abstrakte Bilder mit grafischen Motiven hat Ortlieb aufgehängt. Bis 14. Juli dieses Jahres war der 46-Jährige noch Kommunalbetreuer bei der Sparkasse in Bad Tölz, zwei Tage später Bürgermeister von Benediktbeuern. Bei der Stichwahl hat er sich als Kandidat der Bürgervereinigung mit einer denkbar knappen Mehrheit von 41 Stimmen gegen Hanns-Frank Seller (CSU) durchgesetzt.

Mit seinem Kontrahenten, der ihn bis zur Kommunalwahl im März als Zweiter Bürgermeister vertritt, arbeite er gut zusammen, sagt Ortlieb. Dass seine Frau und die drei Buben wegen vieler Abend- und Wochentermine künftig öfter auf ihn verzichten müssen, sei klar. Seine Kandidatur sei aber keine "Schnellschussentscheidung" gewesen, seine Frau akzeptiere das. Und schließlich habe der neue Job auch Vorteile: "Ich kann Mittag zum Essen heim gehen", sagt er und lacht.

Ortlieb ist nicht der einzige Neue im Rathaus: Am 1. September hat Petra Süsens die Stelle als Geschäftsleiterin angetreten, weil ihr langjähriger Vorgänger Franz Pölt zur Gemeinde Gaißach gewechselt ist. Auch Bauamtsleiter Robby Wagenknecht ist neu im Rathaus. Zwar sei mit dem Wechsel viel Erfahrung in Schlüsselpositionen weggebrochen, aber Veränderungen böten die Chance, Dinge neu zu organisieren. Eine gute Zusammenarbeit mit den 15 Mitarbeitern im Rathaus ist Ortlieb wichtig, "Brücken bauen", nennt er das.

Das gilt auch für die Verbindung zu Bichl. Denn mit der Nachbargemeinde ist Benediktbeuern seit der Gebietsreform von 1972 in einer Verwaltungsgemeinschaft verbunden. "Keine Liebesheirat", wie Ortlieb sagt. Die beiden Gemeinden haben einen gemeinsamen Kämmerer, eine Kläranlage und eine Schulturnhalle. So könnten Synergieeffekte genutzt werden. Aber nicht immer sei man sich mit dem Bichler Bürgermeister Benedikt Pössenbacher einig, sagt Ortlieb, der seit 2014 Mitglied im Gemeinderat ist. Mit seinem Bichler Amtskollegen habe er sich bereits zusammengesetzt, "wir konzentrieren uns auf die Sachthemen". Kürzlich wurde Ortlieb zum Vorsitzenden der Verwaltungsgemeinschaft gewählt.

Nicht immer zum Besten stand es auch um die Stimmung im Gemeinderat. Ein Streitthema sei die Dorferneuerung gewesen, die zwar vom Amt für ländliche Entwicklung gefördert werde, aber immer teurer geworden sei. Am 7. Oktober ist nun Spatenstich für den Gemeindepark, der durch eine veränderte Wegeführung, Liegeflächen und neue Sitzmöglichkeiten mehr Aufenthaltsqualität bekommen soll. Ebenfalls im Zuge der Dorferneuerung wird dann voraussichtlich 2020 die Asamstraße saniert, ein Jahr später die Dorfstraße. Diese Verschönerung könnte auch "Impulse" für den Gasthof Post bringen, der seit November leer steht, hofft Ortlieb. Die Gemeinde hat den Postsaal für ein Jahr angemietet, damit dort wenigstens das Vereinsleben stattfinden kann, vor allem die legendären Faschingsbälle. Für die Veranstaltungen wurde ein Catering von verschiedenen Wirtshäusern organisiert. Aber ein Pächter muss her, "für eine Dorfwirtschaft hofft man natürlich auf eine gut geführte, bayerische Küche", sagt Ortlieb. Das Thema bezahlbarer Wohnraum steht ganz oben auf seiner Agenda. Die Gemeinde stehe unter "massivem Druck von Außen". Die Metropolregion München sei "Fluch und Segen", denn es gebe immer Leute, "die jeden Preis zahlen können." Im Rahmen eines Einheimischenmodells an der Karl-Abt-Straße weist die Gemeinde 19 Parzellen aus, mehr als hundert Bewerbungen seien eingegangen. Ein kommunales Wohnungsbauprojekt, das der Freistaat mit 30 Prozent fördert, war westlich der Bahn vorgesehen, ist aber gescheitert, weil die Baugrenzen dort zu eng waren. Ortlieb will für das Projekt nun einen anderen Standort finden: Sechs bis acht Familienwohnungen, die die Gemeinde baut und zu Mieten unter dem Marktpreis vergibt. Auch die Studenten der Katholischen Stiftungshochschule verschärfen die Wohnungsknappheit. Die Diözese habe ein neues Studentenwohnheim ins Gespräch gebracht, "aber noch ist nichts spruchreif". Dass ihn die Leute im Dorf jetzt mit "Herr Bürgermeister ansprechen", daran müsse er sich noch gewöhnen, sagt Ortlieb. Für ihn sei klar: "Ich will der bleiben, der ich bin."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: