Während allerorten zwischen Glühwein und Stollen das Jahresende durch Herunterfahren der Betriebsamkeit eingeläutet wird, läuft in der Musikwerkstatt Jugend die Arbeit auf Hochtouren. Der Ickinger Verein bereitet mit seinen zwei großen Ensembles, der Neuen Philharmonie München und der Sinfonietta Isartal, die Programme fürs Frühjahr vor. Dabei wird die Neue Philharmonie zum Jahreswechsel in China erwartet – eine Konzertreise, die gut geplant sein will. Und ein Liederabend mit dem winterlichsten aller Vokal-Zyklen steht am Mittwoch, 4. Dezember, auch an. So wird eines deutlich: 20 Jahre nach seiner Gründung sind der Verein und seine Orchester aktiv-kreativer denn je, ziehen junge Talente an und stellen sie einem kontinuierlich interessierten Publikum vor.
Immer wieder hat der Verein in seinen Konzerten auch auf Besetzungen zurückgegriffen, die sich nicht aus den Vereinsensembles ergeben. Man ist flexibel, glücklicherweise, und so erwartet die Zuhörerinnen und Zuhörer in der Loisachhalle am 4. Dezember von 19.30 Uhr an eine Begegnung mit einigen der emotional brisantesten Lieder zur kalten Jahreszeit. Der für seinen geschmeidig ausdrucksstarken Bass gefeierte Tareq Nazmi und die Pianistin Henriette Zahn machen sich auf, in Franz Schuberts „Winterreise“ die subtilen Grautöne eines verhangenen Winterhimmels in Musik zu übersetzen – in Liedern von enttäuschter Liebe, vom Herbeiträumen des Frühlings und von den Außenseiter-Gestalten, die den Schubert’schen Liedern ihre herzerschütternde Kraft geben.


„Man muss das auch aushalten, diese Dunkelheit, diese langen Bögen, die man spannen muss, weil es so starke Emotionen sind“, sagt Henriette Zahn. „Aber da ist auch diese Gleichzeitigkeit von Trauer und Trost.“ Dieses Musizieren zwischen den Extremen erfordere auch eine besondere Vertrautheit von Sänger und Pianistin. „Man zieht an einem Strang“, sagt Zahn. Doch sie zeigt sich unbesorgt. Mit Tareq Nazmi hat sie schon oft gemeinsam musiziert, man kennt sich aus Münchner Schultagen.
Noch länger kennen Henriette Zahn und Franz Deutsch sich. „Er war mein erster guter Klavierlehrer“, sagt Zahn über den Vorsitzenden der Musikwerkstatt. Deutsch war es auch, der dem Verein vor zwei Jahrzehnten den inneren Antrieb gab. Denn der Motor, der die Ensembles des Vereins in Bewegung hält, ist didaktisch: „Ein ganz wichtiger Aspekt war mir, dass man nicht nur spielt, sondern dass die Ausbildung im Vordergrund steht“, sagt Deutsch.

Das gilt für alle Gruppen des Vereins, nur dass sich die Lernstufen unterscheiden. Die Sinfonietta Isartal etwa wendet sich an jüngere Streicherinnen und Streicher, die gleichwohl über eine solide Grundbildung verfügen. Am Mittwoch, 5. März, wird sich das Streichorchester unter der Leitung seiner Chefin Sophia Herbig von 19 Uhr an mit einem Jubiläumsprogramm in der Loisachhalle zeigen. Vital, jung und mit guten Ideen, so wird neben Carl Reineckes Serenade Opus 242 oder Mozarts Serenata notturna (KV 239) etwa auch Georg Philipp Telemanns Konzert für zwei Hörner mit den Solisten David Fliri und Erik Košak zu hören sein. In bewährter Weise ergänzen das Konzert auch hier kundige Wort-Impulse der jungen Musizierenden.
Die nächste Stufe der Musikwerkstatt-Familie besetzt die Neue Philharmonie München. Dass das „erwachsene“ Orchester des Vereins, bestehend aus jungen Studierenden von Musikhochschulen in ganz Europa, sich als Klangkörper weit über die regionalen Grenzen hinweg etabliert hat, beweist auch die Einladung nach Fernost. Zum dritten Mal reist die Neue Philharmonie nach Shenzhen, eine der größten Städte Chinas. Auch wenn das bedeutet, dass das Orchester Silvester im Flugzeug feiern wird, ausgebucht waren die Plätze schnell. Innerhalb von zehn Tagen haben sich rund 160 junge Musikerinnen und Musiker angemeldet, unter denen dann ausgewählt werden musste, so Franz Deutsch.
Gestärkt von den Erfahrungen (und ausgestattet mit einer notwendigen Finanzspritze aus der klassikinteressierten Metropole) konzentriert sich die Neue Philharmonie im Frühjahr auf ihr Programm, mit dem sie ihr 20-jähriges Bestehen feiert. Dazu hat man sich einiges vorgenommen: Mit Mahlers zweiter Symphonie probt man eines der mythischen Orchesterwerke des 20. Jahrhunderts, ein Symphonie gewordenes Epos von Tod und Auferstehung. Unterstützt wird das Orchester dabei von den Ausnahmesolistinnen Lydia Teuscher (Sopran) und der jungen Mezzosopranistin Natalie Lewis, die als Mitglied des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper von sich reden machte. Ebenfalls einfinden werden sich der Passionschor Oberammergau, mit dem die Neue Philharmonie bereits zusammengearbeitet hat und der Münchner Orpheus-Chor. Dessen Leiter Gerd Guglhör kennt Deutsch bereits, seit sie beide noch dem Lehrerkollegium des Pullacher Gymnasiums angehörten.

Und nicht zuletzt bedeuten die China-Tour und das Mahler-Konzert, das am Samstag, 15. März, von 19.30 Uhr an in der Loisachhalle stattfindet, ein Wiedersehen mit Fuad Ibrahimov. Der Dirigent hat die Neue Philharmonie geprägt mit seiner Vorliebe für große, komplexe Programme, die das Orchester an Ausdrucks-Extreme gehen lassen. Das wird auch im März nicht anders sein.
Ob Franz Deutsch geahnt hat, dass sein Verein einmal solche Blüten treiben wird, dass die Orchester einmal solches Renommee erlangen werden? „Ganz sicher nicht“, sagt er. „Man hat vielleicht davon geträumt, Visionen gehabt. Aber bei all dem bleibt für mich als Klavierlehrer die Ausbildung das wichtigste.“ Doch auch die Zuhörenden haben etwas davon. Für sie fällt exquisite Musik ab, mit Konzerten im Dezember und im März.
Tareq Nazmi und Henriette Zahn, Franz Schubert, Winterreise, Mittwoch, 4. Dezember, 19.30 Uhr, Loisachhalle. Karten unter www.muenchenticket.de. Informationen zu den weiteren Konzerten unter www.mwj.nphm.info