Musik im Barocksaal:Ein ungetrübtes Gaudium

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Das Benediktbeurer Silvesterkonzert begeistert das Publikum diesmal mit einer musikalischen "Liebesqual durch Partnerwahl". Countertenor Andreas Pehl glänzt trotz Indisposition.

Von Reinhard Szyszka, Benediktbeuern

Im Barocksaal des Klosters Benediktbeuern gab das Ensemble Raccanto ihr Silvesterkonzert mit dem klangvollen Namen: Crudo Amor - Liebesqual durch Partnerwahl. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ganz schöne Schwerenöter müssen sie gewesen sein, die Komponisten des Barock. Zum Beispiel Alessandro Stradella, der einem anderen Mann die Frau ausspannte und dadurch - Homer lässt grüßen! - beinahe einen Krieg zwischen Frankreich und Savoyen heraufbeschworen hätte. Oder Scarlatti, dessen singende Schwester einen massiven Korruptionsskandal am Hof von Neapel auslöste. Nicht zu vergessen auch Händel, der eine widerspenstige Sängerin kurzerhand zum Fenster hinaushielt, bis sie einwilligte, die geforderte Arie zu singen. Stoff genug also für ein amüsantes Silvesterkonzert mit dem Countertenor Andreas Pehl und dem Ensemble Raccanto. Diese Konzerte gehören für viele Benediktbeurer Musikfreunde so untrennbar zu Silvester wie "Dinner for one" für manche Fernsehzuschauer, und so war der Barocksaalausverkauft.

Neu war diesmal, dass auch eine Sängerin auftrat, die slowakische Sopranistin Anna Morva. Diese wollte gerade mit ihrer ersten Arie beginnen, als sich eine krächzende Stimme von der Tür her vernehmen ließ. Eine alte Frau mit Kopftuch schlurfte, tief gebeugt und auf ihren Stock gestützt, zum Podium und sang dabei Mozarts Lied "Die Alte". Man musste schon zweimal hinschauen, um unter dieser Maskerade Andreas Pehl zu erkennen.

Die heisere Altfrauenstimme war Absicht, wie Cembalist Robert Schröter erläuterte, nicht so die leichte Erkältung, die sich Pehl zugezogen hatte. Doch keine Sorge - Pehl sang, und für alle Fälle hatten die Künstler noch einen Plan B in der Hinterhand. Dass die Spitzentöne Pehls unter diesen Umständen nicht ganz so strahlend aufblitzten wie sonst, wer wollte es dem Sänger verdenken? Doch mit großer Erfahrung und solider Technik überspielte der Künstler die Indisposition und sang trotz allem mit klarer, sauberer Stimme, die bei den Duetten gut mit dem Sopran von Morva harmonierte. Es gab einige kleinere Änderungen gegenüber dem ausgedruckten Programm, aber der große Plan B trat nicht in Kraft.

Um Pehl nicht auch noch als Sprecher zu belasten, übernahm Cembalist Schröter die Moderation und erzählte zwischen den Stücken Anekdoten aus dem Leben der Komponisten. Man erfuhr, dass Johann Adolph Hasse, Ehemann der Sängerin Faustina Bordoni, seine eigene schöne Tenorstimme im Alter gänzlich einbüßte. "Das ist Liebe", meinte Schröter, "wenn die Starsopranistin ihrem Komponisten-Gatten die Hand tätschelt und dabei sagt: 'Früher hast du aber auch schön gesungen!'"

Die musikalische Seite des Abends war natürlich wieder erste Sahne. Mit der Barockspezialistin Anna Morva hatten die Musiker eine hervorragende Mitstreiterin gewonnen, die mit mächtiger, aber flexibler Stimme ihre Rezitative und Arien gestaltete. Durch die Indisposition Pehls kam sie sogar noch öfter zum Zuge als ursprünglich geplant, und gerade die neu eingeschobene Arie "In mezza voi due" aus Händels "Imeneo" erwies sich als ein Paradestück für die Sängerin. In den Duetten übte sie sich in Zurückhaltung, um ihren angeschlagenen Gesangspartner nicht zu übertönen. Doch auch die beiden Instrumentalisten glänzten. Bei den Gesangsnummern war Robert Schröter am Cembalo nicht nur eine sichere Stütze der Sänger, sondern er gestaltete die Lieder und Arien aktiv mit. Bei einem Lied kam das Wort "Loch" vor, und Schröter illustrierte das Loch durch eine Generalpause, die so nicht in den Noten steht, aber überaus sinnfällig ist.

Und der Cellist Anderson Fiorelli unterstützte nicht nur den Generalbass, sondern konnte bei zwei Sonaten von Alessandro Scarlatti sein großes Können und seine schöne Tongebung zur Geltung bringen.

Bei so viel guter und unterhaltsamer Musik verging die Zeit wie im Fluge, und beim Blick auf die Uhr stellten die Künstler mit Schrecken fest, dass es bereits zwei Stunden vor Mitternacht war. Daraufhin wurde das Programm abgekürzt und mit dem Duett "Man is for the woman made" von Henry Purcell beendet. Hier durfte das Publikum nach kurzer Instruktion von Pehl mitsingen, was zum allgemeinen Gaudium beitrug und das Silvesterkonzert zu einem würdigen Abschluss brachte.

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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