Süddeutsche Zeitung

Interview:"Kitsch muss gut dosiert sein"

Dominik Halamek hat die Kostüme und die Choreografie für das Weihnachtsmusical "Die Stille Nacht" von Espen Nowacki entworfen. Sein Credo: Ein bisschen Glitzer kann nicht schaden.

Interview von Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

"Die Stille Nacht" heißt das neueste Musical des aus Norwegen stammenden Produzenten Espen Nowacki. Premiere feiert es am 26. November in Günzburg; drei Tage später geht es über die Bühne der Wolfratshauser Loisachhalle. Für die Kostüme und die Choreografie ist der Wolfratshauser Tänzer und Choreograf Dominik Halamek verantwortlich.

SZ: Herr Halamek, ein rockiger Weihnachtsmann, rappende Heilige Drei Könige - fürchten Sie sich nicht ein bisschen vor der nächsten Beichte?

Dominik Halamek: Nein!

Das Musical richtet sich an "all diejenigen, die noch an das Christkind, den Weihnachtsmann oder Wunder glauben". In welcher Kategorie finden Sie sich wieder?

Ich glaube natürlich nicht real an das Christkind oder den Weihnachtsmann, aber ich glaube an ihre Magie. Die traditionelle Weihnachtsgeschichte hat diese positive, friedliche Energie. Und die strahlt auch der Weihnachtsmann aus, auch wenn er eine stark kommerzialisierte Figur ist und dafür immer wieder kritisiert wird.

Stille Nacht und Musical - wie geht das zusammen? Oder schwingt da ein bisschen Ironie mit?

Ein kleines bisschen Ironie schwingt da schon mit.

Die Geschichte hat sich Espen Nowacki ausgedacht, der auch die Musik komponiert hat. Was zeichnet sie aus?

Das Spannende ist, dass sie auf zwei Zeitebenen spielt. Zum einen gibt es Maria, Josef und Jesus, zum anderen eine moderne Familie. Phil und Gabrielle landen durch eine Zeitreise in Bethlehem im Jahre null. Und umgekehrt verirren sich Maria und Josef in unsere heutige Welt. Dadurch werden interessante Parallelen deutlich, während die Ästhetik der Erzählweise ganz neu und ungewöhnlich ist. Die Heiligen Drei Könige sind beispielsweise drei bunte exotische Typen, wie man sie auch heute treffen könnte.

Seit wann arbeiten Sie an der Produktion?

Seit eineinhalb Jahren. Die Premiere hätte eigentlich schon vor einem Jahr stattfinden sollen. Mit Espen Nowacki arbeite ich seit zwölf Jahren zusammen. Gerade sind wir in Mannheim, wo wir eine Halle gemietet haben, um einmal das komplette Bühnenbild aufzubauen. Für die Vorproben mit den Darstellern waren wir vor einer Woche in Giengen an der Brenz. Jetzt fügt sich alles zusammen.

Sie sind für die Choreografie und die Kostüme verantwortlich. Wo konnten Sie aus einem größeren Fundus schöpfen?

Die Kostüme sind komplett neu. Was anspruchsvoll war: Es gibt nur sehr wenig Zeit für die Kostümwechsel, und zugleich treffen die beiden Welten aufeinander. Da mussten viele individuelle Lösungen gefunden werden, was aufwendig war. Und für die Choreografie gilt das Gleiche, ich bin da komplett neu rangegangen. Bei einer neuen Komposition fängt man bei null an.

Wie sieht das aus? Stellen Sie sich vor einen Spiegel und probieren Figuren aus?

Zunächst höre ich die Musik fünf, sechs Mal durch, während ich im Büro oder im Fundus arbeite, bis ich sie im Ohr habe. Dann setze ich mich hin, am liebsten nachts oder in den frühen Morgenstunden, nehme mir das Textbuch vor, höre die Musik und warte, welche Bilder in meinem Kopf entstehen. Ich choreografiere nicht über die Bewegung, sondern über Bilder. Zu ihnen denke ich mir dann passende Bewegungen und passende Kostüme aus.

Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie viel Kitsch braucht ein Weihnachtsmusical?

Ich würde sagen drei bis vier, wobei jeder die Messlatte zwischen klassischem Krippenspiel und kitschiger Weihnachtsdeko vermutlich sehr individuell ansetzt. Ich hab mich gefreut, dass es den amerikanischen Weihnachtsmann gibt, weil der ja eine sehr präsente Figur ist. Und der amerikanische Weihnachtszauber hat ja auch was in der grauen Jahreszeit, da tun die Farben und der Glitzer richtig gut. Zu einem Musical gehören sie natürlich auch dazu. Aber der Kitsch muss gut dosiert sein, weil man sonst keinen emotionalen Tiefgang mehr hat. Bei uns gibt es den Weihnachtsmann, Rentiere und einen Disko-Engel als unterhaltsame Faktoren und als Gegengewicht ein tiefgründiges Spiel.

Tanzen Maria und Josef auch?

Das fände ich fehl am Platz. In zwei Chorszenen singen und tanzen die beiden mit, spielen in dem Moment aber nicht Maria und Josef. Maria ist bei uns eine junge, vitale Mutter, die gesagt bekommt, dass sie ein besonderes Kind geboren hat. Dieser Ansatz gefällt mir sehr gut. Sie singt dann auch eine wunderschöne Ballade mit dem Titel: Wer bist du? Das ist so ein Moment, den vermutlich alle kennen, die schon einmal einem Säugling ins Gesicht geschaut und sich gefragt haben: Was wirst du für ein Mensch werden? Was für ein Leben erwartet dich? Eine sehr emotionale Nummer!

Das Stück ist für Erwachsene konzipiert. Dürfen Kinder auch mitkommen?

Natürlich! Kinder sind herzlich willkommen, sie sollten aber schon ein bisschen älter sein, so um die acht. An einer Stelle will Herodes den Eltern ihre Kinder wegnehmen. Die Szene wird sehr schön aufgelöst, aber sie würde jüngere Kinder womöglich überfordern.

Wie werden Sie Weihnachten feiern?

Mit der Familie zu Hause. Und im Vergleich zu meinem sonstigen Leben definitiv still.

Die Stille Nacht, Dienstag, 29. November, 19 Uhr, Loisachhalle, Wolfratshausen, Infos und Karten unter www.wacky-showkultur.de

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