Süddeutsche Zeitung

Münsinger Politik:Verspäteter Ehrentitel

Erst nach einem Jahr bekommen Münsinger Räte eine Urkunde

Den österreichischen Nachbarn sagen die Bayern nach, besonders auf Titel versessen zu sein. Wer etwa im Wirtschaftsleben tätig sei, führe den Kommerzialrat oder -rätin stolz als Ehrenbezeichnung, andere ließen schon gerne der Herr Hofrat nennen, und wer vergäße, den Magister in der Anrede zu erwähnen, begehe einen Fauxpas befürchten. Vergleichbares gibt es in Bayern nicht. Dort hat der Gemeinderat Ernst Grünwald (Wählergruppe Ammerland) aus Münsing aber nun urkundlich bestätigt einen Titel für ein Amt, das er inzwischen gar nicht mehr innehat.

Daran ist vor allem die Corona-Pandemie schuld. Für die 18-jährige Tätigkeit im Gemeinderat hatte der bayerische Innenminister zum Ende der Amtsperiode im Vorjahr dem Ammerlander Bildhauer und ebenso dem Zweiten Bürgermeister Josef Strobl (Wählergruppe Münsing) am 30. April 2020 eine entsprechende Urkunde ausgestellt. Darin wird Grünwald noch als Dritter Bürgermeister bezeichnet. Inzwischen ist er nur noch einfaches Gemeinderatsmitglied. Auf ihre Anerkennung mussten er und Strobl nun fast ein Jahr warten. Denn pandemiebedingt fiel die übliche Feierstunde samt Übergabe durch den Landrat aus. Die Urkunde gab es nun nur im Gemeinderat.

Zu wenig gewürdigt dürften sich beide angesichts der Aufzählungen von Bürgermeister Michael Grasl (FW) allerdings kaum fühlen. Als Kulturreferent und Dritter Bürgermeister von 2008 bis 2020 hat sich Grünwald für die Kommune engagiert. Der 65-Jährige setzte sich für das Loriot-Denkmal des 2011 gestorbenen Ehrenbürgers am Dorfplatz ein. Er gründete die Energiewende Münsing und die Non-Profit-Genossenschaft der Energiewende mit. Grünwald habe vor allem die Bevölkerung und die Schulkinder aufklären und sensibilisieren wollen, würdigte ihn der Bürgermeister. Darüber hinaus setzte sich Grünwald für Photovoltaikanlagen auf kommunalen Dächern ein und ist langjähriges Mitglied der Ammerlander Feuerwehr. Als Kümmerer, Vermittler und Berater, etwa zur Gestaltung des Degerndorfer Gemeindefriedhofs, bezeichnete ihn der Bürgermeister.

Der 66-jährige Josef Strobl ist seit 2008 Zweiter Bürgermeister. In einer Amtsperiode war er Jugendbeauftragter, kümmerte sich um Jagd- und Gemeindewaldthemen. Als Pionier der Nahwärmeversorgung bekam er den Umweltpreis des Landkreises. "Er war zudem maßgeblicher Urheber für das gemeindliche Nahwärmeheizwerk, das mittlerweile viele Privathaushalte, Pfarrheim und Pfarrhof, das Sport- und Vereinszentrum, Schule und Gemeindezentrum mit Wärme aus heimischen Holzhackschnitzeln versorgt", sagte Grasl. Münsings Rathauschef bezeichnete Strobl als Bindeglied zwischen dem Gemeinderat und den örtlichen Landwirten. "Wir schätzen deine Besonnenheit, Erfahrung und Ausgeglichenheit."

Die beiden Geehrten durften zusätzlich zur Urkunde ein Getränkepräsent entgegennehmen - statt Feierstunde eben in der Gemeinderatssitzung. Zumindest in Österreich dürfte sich der Landwirt Strobl Ökonomierat nennen - ganz sicher.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5275345
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.04.2021 / bene
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.