Münsinger "Freiraum":Ösis machen Laune

Münsinger "Freiraum": Satire, Klamauk, gute Laune: "Die Austriösen" im Freiraum.

Satire, Klamauk, gute Laune: "Die Austriösen" im Freiraum.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Jürgen Wegscheider und Barbara Weinzierl sind die satirisch-klamaukigen "Austriösen"

Von Wolfgang Schäl, Münsing

Die große Kabarettbühne kann das Münsinger Kunst-Café "Freiraum" nicht bieten, dafür aber einen etwas antiquierten Flügel in der Ecke, auf dem sich allerlei Requisiten deponieren lassen, eine improvisierte, gehobene Wohnzimmeratmosphäre, die enge Kontakte zwischen Akteuren und Publikum gewährleistet, und vor allem: begeisterungsfähige Gäste. Zusammengenommen stellte dies alles den idealen Rahmen dar für Barbara Weinzierl und Jürgen Wegscheider, zwei österreichstämmige Kabarettisten, die sich als Die Austriösen zu ihrem ersten gemeinsamen Programm zusammengefunden und ziemlich genau das erfüllt haben, was man generell von Ösi-Satire erwarten darf: ein bisschen Nestbeschmutzung und natürlich das obligatorische Sich-Abarbeiten an den Piefkes.

"Austriös", das klingt ein bisschen nach Infektionskrankheit, nach Aussatz, aber so schlimm kam es nicht, es war keine scharfzüngige Abrechnung, welche die beiden Schauspieler inszenierten, sondern ein amüsant-klamaukiger, mit sehr einfachen Mitteln inszenierter Streifzug durch ein kunterbuntes Themenspektrum unter der Rubrik "Oh mei Du Österreich". Wohlbekannte Gestalten der Geschichte tauchten darin auf: Kaiser Franz, in bizarren Tanzverrenkungen vereint mit seiner Sisi, Josefine Mutzenbacher, im sündigen, über dem Pullover getragenen Büstenhalter, komplettiert mit Billig-Perücke, und natürlich der unsterbliche Hans Moser, der eine Pflichtnummer für jeden angehenden Ösi-Schauspieler ist.

Das alles ging sehr zügig, sketchartig und nicht besonders strukturiert voran, streckenweise so sprunghaft, dass nicht auf Anhieb alle literarischen Anspielungen für die dicht gedrängt im Freiraum sitzenden Piefkes erkennbar waren. Welche Textstelle war jetzt dem Satiriker Karl Kraus zuzuordnen, welche dem Schriftsteller Arthur Schnitzler? Und gibt es den Starkoch Wolfgang Amadeus Hinterkogler tatsächlich jenseits der Alpen? Ist er wirklich der Meister der Salzburger Nockerln, deren korrekte Zubereitung ein gewichtiger Programmbestandteil war, oder ist er nur eine Kunstfigur?

Egal, so genau musste man es im Einzelfall gar nicht wissen, denn schon entführten die beiden Mimen ihr Publikum, nach Absingen des unseligen Kufsteinliedes, in eine Mehrzweckhalle im Zillertal. Dorthin, in diese von der Hypo-Alpe Adria gesponserte Freizeiteinrichtung fahren wir Teutonen nämlich, wenn wir das Tirolerische lernen wollen. Denn dann können auch wir auf die Tische steigen und mitsingen: "Ich bin so schön, ich bin so doll, ich bin der Anton aus Diroll".

Bei alledem durfte das Wiener Thema schlechthin, der Tod, nicht ausgespart bleiben: "Es lebe der Zentralfriedhof", der ironische Gassenhauer von Wolfgang Ambros, fand da ebenso Eingang wie Ferdinand Raimunds "Hobellied", demzufolge das Schicksal am Ende doch alle gleich macht. Poetisch nimmt Johann Nestroy Abschied vom Leben: "Noch einmal möcht ich vor dem Sterben um Frauenhuld beseligt werben. Und eine Blonde müsst es sein, mit Augen sanft wie Mondenschein ..."

Das Melancholische aber ist Sache von Wegscheider und Weinzierl gar nicht, sie stellen stattdessen die sehr konkrete Frage: "Wissen Sie eigentlich was passiert, wenn oana in sei'm Sarg liegt?" Eine makabre Antwort darauf hat der verstorbene Ludwig Hirsch gegeben mit seinem düsteren Friedhofs-Hit "I lieg am Ruckn" - die Gefühle eines Toten, der tief unter der Erde spürt, wie die ersten Würmer in den Füßen kribbeln.

Der guten Laune im Freiraum war dies alles nicht abträglich. Am Ende freilich stand eine ehrliche, aber niederschmetternde Bilanz der beiden Austriösen: "Die Piefkes denken immer, wir mögen sie nicht. Aber es kommt viel schlimmer. Sie sind uns wurscht."

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