Fischer:Leere in den Netzen

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Seit einigen Jahren sind die Renken im Starnberger See kleiner als früher, nun ist auch noch ihre Zahl deutlich zurückgegangen. Die Berufsfischer diskutieren über die Gründe für die Probleme

Von Benjamin Engel, Münsing/Starnberg

Mangelwirtschaft und den Starnberger See verbindet zunächst kaum etwas. Und doch ist ein eigentlich gewohntes Gut in diesem Jahr so selten, dass der Versuch, es zu kaufen, manchmal fehlschlägt. Das Produkt ist zu normalen Zeiten so zahlreich, dass es als "Brotfisch" gilt: die Renke. Doch von ihr verfangen sich derzeit nur noch wenige Exemplare in den Netzen der Fischer.

Eine so lange Periode mit schlechten Fängen ist für Fischermeister Robert Müller aus Sankt Heinrich ungewöhnlich. Höchstens 20 Renken, vielfach aber auch nur sechs, acht oder zehn Renken fängt er bei einer täglichen Ausfahrt. 2014 seien es 100 bis 200 Renken pro Fang gewesen, sagt er. Angefangen hat die Misere mit einem Sturm am Dienstag nach Palmsonntag. Der habe den See aufgewühlt, so dass er noch in vier Meter Tiefe Blätter in den Netzen gefunden habe. Gleichzeitig sei der See um vier Grad abgekühlt, sagt Müller. Noch einen Tag zuvor habe er 50 Renken gefangen, doch seither nur noch wenige. An einen solchen abrupten Einbruch kann sich der Fischermeister trotz jahrzehntelanger Erfahrung nicht erinnern.

Doch als Erklärung für die mageren Fänge lässt Müller das stürmische Ereignis nicht gelten. Warum diese 2015 so gering seien, kann er schwer einschätzen. Doch zumindest eine einfache Gleichung lässt sich aus seinen Beobachtungen ableiten: Der Starnberger See hat wenig Nährstoffe und deshalb weniger Plankton. Die Folge: Die Renken, die sich von Plankton ernähren, finden weniger Futter und entwickeln sich schlecht. Eine These, die auch andere Fischer anführen. Die wenigen Renken, die er fange, seien jedenfalls halb verhungert, sagt Müller.

Die Renken sind im Starnberger See selten geworden: Deshalb kann Fischermeister Sylvester Huber derzeit meist nur noch wenige Exemplare verarbeiten.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Im Bruthaus in Allmannshausen kommen die befruchteten Renkeneier in zylinderförmige Behälter.

Für Andreas Gastl-Pischetsrieder, Vorsitzender der Fischereigenossenschaft Würmsee, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle für die magere Ausbeute. Die Nahrung für die Renken werde weniger, wodurch die Produktivität verloren gehe. Letztlich sei es aber so wie bei der Apfelernte, mal gebe es mehr, mal weniger, sagt er. Womöglich spielten aber auch strengere Auflagen in der Landwirtschaft eine Rolle, etwa beim Düngen, wodurch weniger Nährstoffe in den See gelangten. Derweil konzentriert er sich auf Karpfen und Brachsen, von denen es mehr gibt.

Ist also der See zu sauber für Renken? Der Ammerlander Fischermeister Sylvester Huber ist anderer Ansicht. Doch mit seiner Meinung sieht er sich unter den 34 Kollegen der Fischereigenossenschaft ziemlich allein. Für ihn trägt die Kalterbrütung im Bruthaus der Fischereigenossenschaft die Hauptschuld an der mageren Renkenpopulation. Alljährlich im Dezember wird der Fischlaich der weiblichen Renken beim Laichfischen abgestreift und im Bruthaus in Allmannshausen zu sogenannten Brütlingen herangezogen. Weil sie im auf ein Grad Celsius abgekühlten Wasser erbrütet werden, wird ihre Reifung verzögert. Erst Ende März bis Mitte April kommen sie wieder in den See, fast einen Monat später, als sie auf natürlichem Wege aus dem Laich schlüpfen würden.

Und genau das ist für Huber zu spät. Um sich im See ernähren zu können, brauchten die Larven, wie die kleinen Fische im ersten Lebensmonat heißen, anfangs ein bestimmtes Futter, nämlich die Copepoden (Ruderfußkrebse), die zum Zooplankton gehören, sagt Huber. Doch die Zahl der Copepoden gehe Anfang April deutlich zurück. Denn sie ernährten sich von Kieselalgen, die nur im kalten Wasser gediehen. Mit der Erwärmung des Seewassers reduzierten sich Kieselalgen und Copepoden. Grünalgen und damit anderes Zooplankton nehme zu. Die kleinen Renkenlarven konkurrierten um die weniger werdenden Copepoden und entwickelten sich darum schlecht. Die Folge: Es gebe weniger Jungfische, sagt Huber. Der Ammerlander Fischer hat selbst jahrelang am Max-Planck-Institut gearbeitet. Während dieser Zeit hat er viele Versuche zu den Ernährungsgewohnheiten der Renken gemacht.

Fischermeister Johann Schuster aus Allmannshausen, der heute das Bruthaus leitet, bleibt gelassen. Es gebe eben gute und schlechte Jahre, sagt er. Die Fangrückgänge seien in diesem Jahr zwar schmerzhaft. Doch es werde auch wieder aufwärts gehen, sagt er.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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