Wenn Tom Carstens mit Wasser ablöscht, während er die Kohle in seinem Schmiedeofen auf 3000 bis 3500 Grad Celsius erhitzt, nutzt er die Backeigenschaften des Brennmaterials. „So pappen selbst kleinste Partikel wieder zusammen“, sagt der 51-jährige Metallgestalter aus Degerndorf. Und das sei für eine gute Glut optimal.
Was nur ein winziges technisches Detail sein mag, steht doch beispielhaft für das Arbeitsverständnis von Carstens. Denn dem Kunsthandwerker ist es wichtig, Menschen zusammenzubringen und am Entstehungsprozess teilhaben zu lassen oder gemeinsam mit Kollegen Projekte umzusetzen – wie etwa bei der Team-Weltmeisterschaft der Schmiede im italienischen Stia, die er 2023 gewonnen hat oder bei den Workshops zum gemeinsamen Metallgestalten für Laien.
All das könnte durchaus Pate für sein neuestes Projekt stehen, dem Carstens den Namen „Grenzenlos“ gegeben hat. Dieser steht dafür, dass er innerhalb von etwa zwei Jahren weltweit möglichst viele Menschen und insbesondere Berufskollegen motivieren will, um knapp tausend Friedenstauben aus Eisen zu schmieden. Daraus soll zum Abschluss ein großes, dreidimensionales Peace-Zeichen mit zweieinhalb Meter Durchmesser entstehen, das Carstens dann in einen mehrtägigen Workshop in seiner Degerndorfer Werkstatt zusammenschmieden will. Er wolle damit er dem global anscheinend immer weiter um sich greifenden Hass und den sich ausbreitenden Gewaltkonflikten etwas entgegensetzen. „Was in der Welt abgeht, verstehe ich gerade nicht mehr“, sagt Carstens.

Der Titel „Grenzenlos“ soll für den Metallgestalter vor allem auch dafür stehen, Denkbarrieren in den Köpfen der Menschen zu überwinden. „Das Projekt soll zeigen, dass es total egal ist, welche Nationalität oder Religion Menschen haben, um zusammenarbeiten zu können“, sagt Carstens. „Wir alle machen zusammen ein großes, schönes Peace-Zeichen.“ Sowohl das als auch die Tauben seien vielleicht fast zu klischeehafte, aber eben auf der ganzen Erde universell verständliche Friedenssymbole, erklärt er. Deswegen habe er sich dafür entschieden.
Begonnen hat das Projekt Anfang August auf der Biennale im oberbayerischen Kolbermoor bei Rosenheim. Mit seiner in einem kleinen Anhänger eingerichteten, mobilen Schmiede ist Carstens genauso dorthin gefahren wie erst kürzlich zur Nacht der Demokratie der Miesbach. Mitgebracht hatte er mit Laser geschnittene Tauben-Rohformen aus Eisen. Die konnten die Besucher unter seiner Anleitung mittels Setzhämmern bearbeiten oder abschmieden, wie es fachlich ausgedrückt heißt. Dafür wird die 375 Gramm schwere Rohform in der auf 3000 bis 3500 Grad erhitzten Kohlenglut erhitzt. Ist die rot-gelb glühende Taube bearbeitungsfähig, herrschen laut Carstens im Kern Temperaturen von 1200 bis 1300 Grad Celsius.
„Etwas zu machen ist immer wichtig“
„Ich bin wahnsinnig positiv überrascht, wie viele Leute voller Freude mitmachen wollten“, sagt der Metallgestalter. Der bislang älteste Teilnehmer sei ein 87-jähriger Musiker gewesen, der jüngste ein 13-jähriger Jugendlicher. Auch der evangelische Pfarrer aus Bad Aibling habe mitgeschmiedet. Für Carstens erzählt jeder, der sich am Projekt beteiligt, damit auch seine Geschichte und trägt die Botschaft in die Welt. „Etwas zu machen ist immer wichtig“, sagt der Degerndorfer Metallgestalter.
Um das Projekt voranzutreiben, setzt Carstens auf Mundpropaganda. Bislang sind 36 Tauben entstanden. Berufskollegen aus Finnland, Österreich, Luxemburg, Schweden, der Schweiz und den USA haben sich beteiligt. Die fertigten laut Carstens ihre Taube von Grund auf und nicht mithilfe einer Rohform. „Jeder so, wie es ihm am besten gefällt.“

Für die Aktion will Carstens am zweiten Oktoberwochenende mit seiner mobilen Schmiede in die Schweiz fahren. Wer sich beteiligen wolle, könne sich aber gerne bei ihm melden, sagt der Metallgestalter. „Dann machen wir einen Termin in Degerndorf aus.“ Parallel laufe auch das 2016 mit Alfred Bullermann initiierte Projekt „Schmieden für den Frieden“ weiter, in dem es darum geht, sogenannte Friedensnägel herzustellen. „Mir ist es wichtig, immer wieder neue Sachen zu machen“, sagt Carstens. „Ich bin ein Freund neuer Dinge. Sonst wird mir langweilig.“