Kabarett und Kunst:Mit Stubenmusik die Welt retten

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Mit zahlreichen Instrumenten und Humor zogen die Well-Geschwister über moderne Lebensformen, Politiker und Alltagsirritationen her.
Mit zahlreichen Instrumenten und Humor zogen die Well-Geschwister über moderne Lebensformen, Politiker und Alltagsirritationen her. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Münsinger Pallaufsaal zeigen die Wells, wie man Politik und Zeitgeist mit Alphörnern, Zither und messerscharfer Satire seziert.

Von Anja Brandstäter, Münsing

Scharfzüngig nehmen die Wellküren und die Wellbrüder die Zeit musikalisch und humoristisch auf die Schippe. Das ursprünglich geplante Programm mussten sie für die Aufführung am Freitagabend in Münsing kurzfristig umschreiben, da Michael Well erkrankt war. Kein Problem für Bärbi, Moni, Stofferl und Karl. Fast zwei Stunden ohne Pause ziehen die vier in Mundart über unseren modernen Lebensstil her und die Politprominenz bekommt ihr Fett ab. Die virtuosen Multiinstrumentalisten haben an diesem Abend neben Tuba, Harfe, Klarinette, Trompete, Saxofon, Dudelsack, Akkordeon, Zither, Tamburin, Nonnentrompete und Brummtopf auch zwei Alphörner dabei.

 Die Stimmung im Saal ist von Anfang an ausgelassen. Das Publikum ist altersmäßig gut durchmischt und kommt aus Münsing und der Region. Dieser Abend ist der Auftakt des Pallauf Abos, eine Reihe von sechs Veranstaltungen, die der Impresario Wolfgang Ramadan künstlerisch zusammengestellt hat.

Die Plätze im Pallaufsaal waren ausverkauft.
Die Plätze im Pallaufsaal waren ausverkauft. (Foto: Harry Wolfsbauer)

 Im ausverkauften Pallaufsaal erfährt das Publikum einiges über „Hausen“, das imaginäre Heimatdorf des Quartetts. Dort ist alles ausgebaut und betoniert, dort können sogar zwei Mähdrescher problemlos nebeneinander fahren, dort gibt es einen Kunstkreisel und die Firma „Rupp Rohre Rohrbach“, die eine Weihwasserpipeline, die sogenannte „Black Mary 2“, gebaut hat. Jeder hilft jedem und während der Pandemie hätten sich die Dorfbewohner gegenseitig getestet. Auch Georg Friedrich Händel sei damals auf seiner Reise von Wien nach London durch Hausen gekommen. Weil ein Rad seiner Kutsche gebrochen sei, hätte Händel dort die „Feuerwehrmusik“ komponiert.

 Ob das stimmt oder nicht sei doch egal, sagt Stofferl Well: „Lügen ist heute salonfähig geworden“. Auf Hubert Aiwanger, den stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten und Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, haben es die Wells besonders abgesehen. Für ihn haben sie eigens ein Lied komponiert: „Ei, Ei, Ei ein Aiwanger“. Darin wird unter anderem der Flugblatt-Skandal thematisiert: „Wenn oana unsere Demokratie abschaffen wui, in seina Jugend mit am Flugblatt kummt in d’ Schui und si dafür heit ned moi schämt und dabei schaugt, ois ob er ned bis drei zählen ko. Wenn oana liagt, dass si da dickste Balken biegt und ois auf sein großen Bruada schiebt,…“. Das Publikum singt den Refrain „Ei, Ei, Ei, ein Aiwanger, ein Aiwanger“ laut und fröhlich mit.

 Die Wells spotten, dass AfD die Abkürzung für „Asyl für Deppen“ sei. In der Finsternis sehe man nicht so weit. Bei der AfD seien sie durcheinander: Steht die Alice Weidel jetzt links oder rechts von Adolf Hitler? Auf die Kanzlerkandidatin, Alice Weidel, singen sie das Gstanzl: „Manche Frauen haben Haare auf den Zähnen, das gehört zu ihrer Natur, bei der Alice Weidel, hat jeder Zahn eine eigene Frisur.“

Auch Markus Söder trifft ihr Spott. Ihn plage die Eitelkeit. „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Schönste im ganzen Land?“ Und der Spiegel antwortet: „Der mit dem Apfelsaft, der ist der Allerschönste“.

Markus bringt das 49-Euro-Ticket, aber kein Zug kommt. Da pilgert Markus nach Kloster Banz und geht in sich. Dort hörte er die Stimme von Franz Josef Strauß: „Lass dir einen Bart wachsen“. Der Markus wartet auf den Ruf nach Berlin und wartet und wartet und wartet bis heute. Markus wird sich auf den Weg machen, er wird mit dem Kreuz durch das Brandenburger Tor reiten. Er wird als Verkehrsminister enden. Schallendes Gelächter.

Alpinismo tropical

 Im Lied „Alpinismo tropical“ besingen die Wells die neuesten Ideen für das Skigebiet. „Im Himmel schwirren die Drohnen, es schweigen die Schneekanonen“. Die Hütte heißt jetzt Hacienda und vor der Hütte grasen Lamas. „Des is alles ganz normal, Klimawandel scheißegal“.

 Die Wellküren machen sich lustig über den Wisch-Putz Roboter des Nachbarn. „Der hatte so einen gehabt, bis er drüber gefallen ist. Und stellt’s euch vor, der Roboter weiß dann, wie es bei euch aussieht“, warnen die Wellküren. Dagegen ist das Mikrofasertuch „Wishing Well“ eine Offenbarung: „Das können sie verwenden, wann immer sie wollen. Das ist der Wahnsinn, seitdem putze ich wirklich gerne. Das können sie für 4,50 Euro am Ausgang kaufen.“

 Was macht eine Frau, wenn sie im Kleiderschrank nichts findet? Ganz einfach, man bestellt im Internet und wenn dann auch noch der Black Friday ist, kann man vor lauter Schnäppchen gar nicht mehr aufhören zu bestellen. Ein paar Tage später stehen die Lieferwagen vor der Tür. Nichts passt von all den Klamotten. „Scheiß auf das Internet“, rufen die Wellküren.

Trump an der Zither

Aber Stubenmusik hilft in allen Lebenslagen. Das wusste schon die Mutter Well. Schließlich hat sie fünfzehn Kinder zur Welt gebracht. „Bei fünfzehn Kindern wurde auch schon mal gestritten“, erzählt Moni Well. Dann hat die Mutter gesagt: „Jetzt machen wir Stubenmusik“. Damit kann man hervorragend Konflikte austragen, man stimmt irgendwann überein. Das empfehlen die Wells den Trumps auf dieser Welt. „Stubenmusik machen und der Trump an der Zither“. Was für eine schöne Vorstellung.

 Nach diesem fulminanten Auftakt ist Wolfgang Ramadan sichtlich erleichtert: „Die Akustik im Saal ist hervorragend“, schwärmt er. Bis zu 450 Personen fasst der Saal, der mit einer exzellenten Technik ausgestattet ist, sodass jedes Wort bis zum letzten Platz gut verständlich ist.

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