Brauchtum und Freizeit im Oberland:Ringo und die Ochsen-Jockeys

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Jockeys in Lederhosen: 1996 jagten zum ersten Mal Ochsen durch die Münsinger Naturarena. (Foto: Repro: Hartmut Pöstges)

Joseph Großmann zählt zu den Initiatoren des Münsinger Ochsenrennens, das am 1. September in die siebte Runde geht. Inspiriert waren er und 17 weitere Ochserer 1996 von der Serie „Irgendwie und Sowieso“.

Von Benjamin Engel, Münsing

Wohl kaum eine Serie hat das bayerische Landleben zwischen Tradition und Aufbruch der späten 1960er-Jahre so gut eingefangen wie „Irgendwie und Sowieso“ von Regisseur Franz Xaver Bogner. Zu den legendären Szenen zählt ein Ochsenrennen, bei dem der Bauernsohn Sir Quickly (Ottfried Fischer) mit dem Ochsen Ringo zur Musik des Byrds-Coversongs „Mr. Tambourine Man“ als erster ins Ziel kommt. Womöglich lag es daher für die Organisatoren des mittlerweile siebten Münsinger Ochsenrennens nahe, in einem aktuellen Werbevideo für die Veranstaltung am 1. September szenisch an „Irgendwie und Sowieso“ anzuknüpfen.

Auch Joseph Großmann und weitere 17 Entschlossene hatten die Ringo-Szene vor Augen, als sie 1994 den Verein D’Ochserer Münsing gründeten. Wie ein Ochsenrennen abläuft, wussten sie zudem aus Haunshofen bei Weilheim. „Da haben wir uns gesagt, so etwas machen wir in Münsing auch“, erzählt der Metzgermeister und Gastwirt. Dafür brauchte es aber erst einmal Geld. Für das erste Rennen, das zwei Jahre später stattfand, musste seinen Worten nach jedes Vereinsmitglied 200 Mark einbringen, um Stammkapital für die Veranstaltung zu haben. Zugleich galt es, Ochsen aufzuziehen und zu trainieren.

Joseph Großmann hat die Geschichte des Münsinger Ochsenrennens archiviert. (Foto: Hartmut Pöstges)

Kaum absehbar war vor drei Jahrzehnten, dass sich das Rennen zu einem Großereignis auswachsen würde, das alle vier Jahre Scharen von Schaulustigen anlockt. 2016 wurden an die 15 000 Besucher registriert. 2020 musste das Fest pandemiebedingt ausfallen. Ein Publikumsmagnet war das Münsinger Ochsenrennen aber von Anfang an. Zur Premiere mit Festzeltbetrieb im Jahr 1996 kamen bereits um die 6000 Gäste, glücklicherweise hielt auch das Wetter. „Wir haben die Veranstaltung extra eine halbe Stunde früher gelegt, weil rundherum so viele schwarze Wolken waren“, erinnert sich Großmann. „Es hat dann überall in der Umgebung geregnet, nur in Münsing nicht.“

Das zeigt, wie schwierig es sein kann, für eine Freiluftveranstaltung zu planen. 2016 gingen den Organisatoren am Rennsonntag die alkoholfreien Getränke aus, obwohl drei Kühllaster Nachschub geliefert hatten. Damals hatte es ungefähr 30 Grad Celsius. Von einer Frau sei er noch Tage später angesprochen worden, dass das Rennen zwar toll gewesen sei, sie aber nicht einmal ein Wasser bekommen habe. Reibungslos klappt also nicht immer alles.

Bereits zum ersten Rennen kamen 6000 Gäste. (Foto: Repro: Hartmut Pöstges)

Bei der Premiere 1996 wagten der Burschenverein und die Ochserer als Organisatoren eine kleine Revolution, die sich auszahlen sollte. Bis dahin habe es bei Festen im Bierzelt immer nur Blasmusik gegeben, sagt Großmann. Mit der Eabach Säsch’n wurde erstmals für einen Abend des Drei-Tage-Programms eine Partyband engagiert. Das habe nicht allen im Dorf so gut gefallen, sagt der Gastwirt. Gerade bei den jüngeren Leuten sei das jedoch sehr gut angekommen.

Seither wird die Veranstaltung in Münsing stetig professioneller aufgezogen. Traten 1996 noch fünf Feuerwehrleute an, um unter anderem das Parken zu ordnen, sind es laut Großmann mittlerweile 36. Auch das Sicherheitskonzept sei entsprechend umfangreicher geworden.

Im Jahr 2000 war Prinz Luitpold von Bayern Schirmherr

Für das zweite Ochsenrennen im Jahr 2000 gelang es den Organisatoren, die Veranstaltung gleichsam zu adeln. Die Vereine konnten Prinz Luitpold von Bayern einmalig als Schirmherrn gewinnen, der in dieser Funktion das erste Fass anzapfte. Der Kontakt sei entstanden, weil dieser Inhaber der Brauerei war, deren Bier im Münsinger Festzelt ausgeschenkt wurde, so Großmann.

1996 trat auch Joseph Großmann beim Rennen an. (Foto: Repro: Hartmut Pöstges)

Wenn der Mittfünfziger durch die zwei Ordner mit Bildern und Dokumenten der ersten beiden Ochsenrennen blättert, kann er sich selbst und viele Mitstreiter in einer jüngeren Version sehen. Etwa, als er im Jahr 2000 mit Fritzi und Franzi zwei Tiere für den Wettkampf anmeldete, mit Franzi gewann und Fritzi mit einem anderen Jockey Dritter wurde. Bis dahin waren Alois Graf und Hans Hofner hauptverantwortlich gewesen, das Rennen zu organisieren. 2004 und 2008 übernahmen dies Großmann und Thomas Sebald vom Staudacher Hof. Aktuell teilen sich Anton Leinbach und Peter Bauer die Leitungsaufgabe.

Dass die Spitze des Organisationsteams regelmäßig wechsle, sei wichtig, findet Großmann. Denn neue Leute brächten frische Ideen ein, so wie etwa die Trachten-Modenschau im Jahr 2016, die es heuer auch wieder zum Festauftaktabend geben wird.

Nur ein einziges Mal konnte ein Ochse nicht antreten, weil er vor dem Rennen lahmte

Unter den Jockeys sind auch Frauen wie etwa Ela Sappl, die 2012 mit Mr. Charly Brown – einem Murnau-Werdenfelser Ochsen – antrat. 2016 hatte sie allerdings Pech. Kurz vor Rennbeginn lahmte Charly Brown und durfte nicht starten. Das sei das einzige Mal gewesen, dass ein Ochse vom Veterinär aus Tierschutzgründen ausgeschlossen wurde, sagt Großmann. Wiederholt verletzt hätten sich nur die Reiter, etwa wenn sie von ihren Ochsen abgeworfen wurden.

Für die Rennen machen sich die Organisatoren die natürlichen Geländesenken der Moränenlandschaft südlich von Münsing zunutze – einst östlich der Staatsstraße Richtung Holzhausen auf der Krummleitn, nun auf der Hertawies westlich davon. Die von den Kühen eingetreten Geländestufen an den Hangseiten fungieren dabei als natürliche Tribünen für die Zuschauer. Dass es dort eng werden könnte, liegt nicht zuletzt daran, dass auch die Nachrichtenagentur Reuters oder die US-amerikanische Zeitung Washington Post über die Veranstaltung berichtet haben.

Inzwischen reitet Großmann nicht mehr selbst, sondern lässt einen anderen Jockey mit seinem Ochsen starten. Ums Gewinnen, sagt er, gehe es aber beim Ochsenrennen nicht. Was zähle, sei der Spaß, gemeinsam mit den Mitgliedern der Ochserer und des Burschenvereins eine gelungene Veranstaltung zu organisieren.

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