Naturschutz kontra Sicherheit:Die Baum-Fehde von Münsing

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In der Gemeinde ist unter Nachbarn ein Streit um eine mehr als 100 Jahre alte Winterlinde entbrannt. Auf der einen Seite des Gartenzauns würde man diese gerne fällen, die andere Seite kämpft für den Erhalt

Von Benjamin Engel, Münsing

Das weitläufige Gartengrundstück von Catherine Rennert mit dem vielen Grün ist ein absolutes Idyll. Ein Baum sticht aber besonders hervor: die mächtige, mehr als 100 Jahre alte Winterlinde an der Grundstücksgrenze zum Hauserweg 28. Umso mehr entsetzt die Münsingerin, dass der Nachbar, der dort gerade ein Haus baut, den Baum fällen lassen will. "Ich finde, die Linde kann man doch nicht einfach so umschneiden", sagt Rennert. "Die hat einen Wert, gerade in Zeiten wie diesen, wo freitags Jugendliche für die Umwelt kämpfen." Mit allen Mitteln will Rennert deshalb verhindern, dass der um die 25 Meter hohe Baum mit seinem Stammumfang von 3,90 Meter weichen muss.

Allerdings klafft am Fuß der Winterlinde eine große Wunde. Dort sei wohl durch einen Blitzeinschlag ein Stämmling ausgebrochen, sagt Rennert. Holzzersetzende Pilze haben hier eine weitreichende Fäule verursacht. Daher hat Rennert schon ein paar Tausend Euro für Gutachten zur Stand- und Bruchsicherheit ausgegeben. Zuletzt hat die Münsingerin im vergangenen Sommer Baumpfleger beauftragt, die Winterlinde mittels Zugversuchen zu überprüfen. Demnach ist der Baum standsicher. Die Krone sollte aber zurückgeschnitten werden, um die Verkehrssicherheit noch zu erhöhen. Rennert will deshalb für den Erhalt der Winterlinde kämpfen. "Im Baum haben auch viele Vögel ihr Zuhause."

Über die Angelegenheit will der Nachbar nur ungern sprechen. "Wer einen Baum fällen lässt, ist ja immer der Böse", sagt er. Gegen so alte Exemplare wie die Winterlinde habe er nichts. Er sei selbst Architekt und empfehle seinen Bauherrn immer, solche Bäume zu erhalten. Doch durch den Blitzeinschlag sei die Winterlinde schwer beschädigt. "Sie steht fünf Meter neben meinem Haus", sagt er. "Ich will einfach nur einen sicheren Zustand." Für seine Familie sei ihm das Risiko zu groß. Er selbst habe Rennert schon einige Vorschläge gemacht. Wenn die Winterlinde bis auf den Torso heruntergeschnitten werde, könne er damit leben. Das sehe zwar nicht schön aus. So bleibe der Baum aber auch als ein Habitat für Tiere erhalten.

Eine Baumschutzverordnung existiert in Münsing nicht. Bürgermeister Michael Grasl (FW) betont aber, dass die Kommune Bauherren darauf hinweise, alten Baumbestand zu schützen und zu erhalten. "Grenzbäume bilden da einen Sonderfall, der Vernunft und Kommunikation auf beiden Seiten voraussetzt", sagt Grasl.

Eine Baumschutzverordnung sei in einer Flächengemeinde wie Münsing nur schwer zu vollziehen, erklärt der Rathaus-Chef. Außerdem fehle in der Verwaltung das Personal dafür. Vielfach beachteten Bauherren eine solche Verordnung auch gar nicht, so Grasl. "Da wird dann das Bußgeld billigend und berechnend in Kauf genommen." In der Regel seien die Leute aber vernünftig. Denn Bäume hätten eine hohe Qualität. Er selbst habe auch einen haushohen Walnussbaum in der Zufahrt seines Hauses. Das Pflaster wölbe sich stark. Zudem sei es aufwendig, den Baum zuzuschneiden und dessen Laub zu entsorgen.

Zur Fällung muss die Untere Naturschutzbehörde im Tölzer Landratsamt Stellung nehmen. Zum aktuellen Fall in Münsing äußert sich die Behörde mit Hinweis auf das laufende Verfahren aber nicht. Zu den Aufgaben der Unteren Naturschutzbehörde zähle es, Bauhemmnisse zu prüfen, heißt es nur aus der Pressestelle des Landratsamts. "Dazu gehören Fälle, bei denen zum Beispiel kartierte Biotope vorhanden sind oder größere Baumbestände, Fälle in Schutzgebieten und ein möglicher Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten wild lebender Tiere."

Wenn innerorts ein Baum gefällt wird, könne die Behörde dafür keine ökologischen Ausgleichsflächen verlangen - zumindest, wenn keine Baumschutzverordnung besteht. Es gelte dann die Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz, so die Auskunft des Landratsamts. In solchen Fällen prüften Mitarbeiter immer, ob es naturschutzfachliche Hindernisse gebe, die eine Fällung verbieten würden. Das könnten zum Beispiel Beeinträchtigungen der Landschaftspflege sein. Bei der Winterlinde von Münsing wird das aber erst noch geprüft.

© SZ vom 10.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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