Das landwirtschaftlich genutzte Bauernland mit seinen Wiesen und Fichtenwäldern trennen südöstlich Münsings nur wenige Meter von urwüchsigerem Terrain. Unter jedem Schritt beginnt der Boden immer deutlicher zu schwingen. Kiefern und Birken prägen den lichten Wald, in dem sich zwischen aufgeschütteten Torfdämmen das Regenwasser staut - bis sich eine zentrale freie Hochmoorfläche mit Wollgras öffnet.
Das ist nur das, was oberflächlich auffällt. Elisabeth Pleyl spricht von einem ungeheuren Artenreichtum, als sie am Rande des Münsinger Filz steht. "Wir haben hier allein 14 Libellenarten gefunden", berichtet die Fachkraft für Moorrenaturierung am Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen. Zudem bietet das Filz ein Refugium für größere, seltene Tierarten wie den Waldwasserläufer, eine Art aus der Familie der Schnepfenvögel, der dieses feuchte Terrain in den Zugzeiten zur Nahrungssuche nutzt.
Damit das Münsinger Filz seine Klimaschutz- und Lebensraumfunktion für seltene Tier- und Pflanzenarten behalten kann, hat der Arbeitskreis Tölzer Moorachse das Areal weiträumig wieder vernässt und somit renaturiert. Fünf Jahre haben die Arbeiten inklusive Planungen gedauert, sie konnten zum Ende des Vorjahres abgeschlossen werden. Das Team um Pleyl hat 180 Torfdämme eingezogen, hinter denen sich das Regenwasser durchschnittlich bis zu einem halben Meter anstaut.
Im Laufe der Zeit werden die Wasserflächen mit Torfmoosen zuwachsen. Die Pflanzen können dank ihrer enormen Schwammwirkung besonders viel Feuchtigkeit speichern. Insofern mildern sie die Folgen des Klimawandels ab, weil sie das Regenwasser nach starken Niederschlägen unmittelbar aufnehmen und nur um viele Tage und Wochen verzögert wieder abgeben. Damit reduziert sich die Überschwemmungsgefahr. Denn das Niederschlagswasser wird an Ort und Stelle zurückgehalten, statt sich sturzflutartig in die Umgebung zu ergießen.
Der ursprüngliche Charakter des um die 60 Hektar großen Münsinger Filzes drohte verloren zu gehen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Torf aus den Mooren teils kleinteilig in Handtorfstichen, teils großflächig abgebaut, die Gebiete dafür entwässert. Die Moore dienten vor allem in Notzeiten als Brennmaterial oder Einstreu in den Viehställen, wie Pleyl erläutert. Der Boden begann auszutrocknen und verwaldete so mehr und mehr.
Das Münsinger Filz musste daher erst einmal ausgelichtet werden, ehe der Wiedervernässungsprozess beginnen konnte. Der Schwabbrucker Forstwirtschaftsmeister Eduard Huber hat dafür mit seinem Team um die tausend Festmeter Holz gefällt, meist Fichten. Die mussten aus den geplanten Wasserstauflächen entfernt werden, da sonst massiver Borkenkäferbefall gedroht hätte, wie er sagt.
Zur Renaturierung haben Eigentümer laut Projektleiterin Pleyl 46 Hektar der Münsinger Filz-Fläche, also etwa drei Viertel, bereitgestellt. Davon konnte etwa die Hälfte wieder vernässt werden. So entweicht weniger klimawirksames Kohlendioxid (CO₂) in die Atmosphäre, das zur Erderwärmung beiträgt. Denn im feuchten Untergrund bleibt der Kohlenstoff im Torf gebunden. Dagegen zersetzen in ausgetrockneten Moorschichten Mikroorganismen den Torf zu CO₂, das in die Luft gelangt. Pro Jahr und Hektar renaturierter Moorfläche entspricht das laut Pleyl einer Menge von etwa 15 Tonnen CO₂. Auf die gesamten 20 renaturierten Hektar des Münsinger Filzes hochgerechnet, entweichen also pro Jahr rund 300 Tonnen Kohlendioxid weniger in die Atmosphäre. "Und dabei gehen mit dem Wasserrückhalt im Moor so viele positive Nebenwirkungen vor allem für Pflanzen, Tiere und den Wasserhaushalt einher", erklärt Pleyl.
Richtung Degerndorf sind die Torfschichten im Münsinger Filz bis zu sechs Meter dick. Um so weit anzuwachsen, brauchte es mindestens 6000 Jahre. "Pro Jahr wächst Torf einen Millimeter", sagt Pleyl. Um sich auf dem labilen Boden bewegen zu können, arbeitete das Renaturierungsteam zum Aufbauen der Dämme mit leichten kettengeführten Baggern. Mit weniger als 320 Gramm Belastung pro Quadratzentimeter Erde ist der Bodendruck im Einsatz laut Pleyl nicht größer, als wenn ein Mensch auf dem Untergrund geht.
Der Faktor Mensch spielt auch beim Landschaftserhalt der Moore eine wichtige Rolle. Am nordöstlichen Rand des Niedermoores mähte bislang lediglich ein Besitzer seine Streuwiese regelmäßig. Damit verhinderte er, das die Fläche langsam zuwächst. Nun aber konnte Pleyl noch drei weitere direkt angrenzende Eigentümer dazu bewegen, es ihm gleichzutun: ein wertvoller Beitrag auch zum Artenschutz. Die Streuwiesen sind etwa für den seltenen Warzenbeißer - eine Heuschreckenart - zum Überleben elementar. Die Übergangszonen zwischen Hoch- und Niedermoor sind für besondere Tagfalterarten ein wichtiger Lebensraum. "Die Raupe nährt sich etwa von Hochmoorpflanzen", sagt Pleyl. "Der adulte Falter fliegt zur Nahrungssuche auf die Streuwiesen."
Insgesamt ist das Münsinger Filz ein Teil von circa 12 000 Hektar Moor im Landkreis, was einem Anteil von etwa elf Prozent entspricht. 560 Hektar wurden bislang wiedervernässt und leisten so einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Artenschutz.