Für das 19. Jahrhundert hat Franz Graf von Pocci, der damals ein Sommerschloss bei Münsing bewohnte, mit der Figur des „Staatshämorrhoidarius“ den Verwaltungsbürokraten karikiert. Der Adlige zeichnete einen etwas behäbigen Amtmann, dessen Paradies der Aktentisch ist, der am Arbeitsplatz erst einmal gemütlich Zeitung liest und das Büro kurz vor 12 Uhr verlässt, um nachmittags nicht mehr zu erscheinen.
Eine wenig schmeichelhafte Charakterisierung, deren Klischee sich in Teilen der Bevölkerung bis heute hartnäckig hält und den Berufsstand kaum attraktiver gemacht haben dürfte. „Dieses Image ist schade“, sagt Fabian Bergler, der erst 24 Jahre alt ist und doch seit März 2025 neuer Geschäftsleiter der Kommune Münsing am Ostufer des Starnberger Sees. Das stereotype Bild des faulen Verwaltungsmenschen gehe zudem an der aktuellen Hauptproblematik in staatlichen Behörden vorbei, denen immer mehr Vorgaben die Arbeit komplexer und zeitaufwendiger machen.
Das dafür benötigte zusätzliche Personal zu finden, wird für Verwaltungen wie das Münsinger Rathaus schwieriger. Um eine neue Geschäftsleitung zu finden und einzuarbeiten, hat die Gemeinde bereits Mitte 2022 damit begonnen, Stellen auszuschreiben. Ein Jahr später präsentierte die Verwaltung den Bankkaufmann Stefan Holzheu, der auch im Gemeinderat aktiv war, als stellvertretenden Geschäftsleiter. Der Holzhauser sollte im Jahr 2027 zum Geschäftsleiter aufsteigen, sich aber davor erst einmal zwei Jahre berufsbegleitend zum Verwaltungsfachwirt fortbilden. Doch nach wenigen Monaten schied Holzheu aus Münsings Rathausverwaltung wieder aus.
Die Anforderungen stiegen, sagt der Kämmerer
„Generell ist es ein Problem, das dem Fachkräftemangel geschuldet ist, dass es gerade für den einfachen und mittleren Dienst der öffentlichen Verwaltung zu wenig ausgebildetes Personal gibt“, äußert sich Münsings Kämmerer Hubert Kühn auf Nachfrage. Wegen der Gesetzesvielfalt und langwieriger Verfahrensabläufe stiegen die Anforderungen ständig. Das erfordere mehr Spezialwissen, das das von Quereinsteigern oft nur sehr schwer oder gar nicht zu erfassen sei, so Kühn.

In Münsing hat sich die Personallücke erst mit Fabian Bergler als neuem Geschäftsleiter geschlossen. Lange hatten sich Kämmerer Kühn und Bürgermeister Michael Grasl (Freie Wähler) die zusätzlichen Geschäftsleitungsaufgaben geteilt. Auch Bauamtsleiter Stephan Lanzinger sprang ein, etwa wenn es darum ging, Wahlen zu organisieren. Er war zudem für Soziales, Melde- und Ordnungsamt hauptverantwortlich, was nun ins Aufgabengebiet des neuen Geschäftsleiters Bergler fällt.
Nach der Gebietsreform, in deren Folge die einst selbständigen Gemeinden Degerndorf und Holzhausen in der Großkommune Münsing aufgingen, ist die Verwaltung laut Bürgermeister Grasl mit einer Handvoll Mitarbeiter ausgekommen. Doch die heutige Situation lasse sich mit der in den Achtzigerjahre nicht mehr vergleichen, sagt der Rathauschef. Die Aufgaben eines Kämmerers würden mehr, allein in Fragen von Förderverfahren oder der Steuerproblematik. Und auch Bauamtsleiter Lanzinger war mit großen Projekten wie dem Neubau des Bürgerhauses intensiv beschäftigt.
20 Bewerber, darunter auch Berufsfremde, gab es für die Stelle
Auf die Inserate für den Geschäftsleiterposten, welche die Kommune in Lokalzeitungen, dem Bayerischen Staatsanzeiger sowie Online-Job-Portalen geschaltet hatte, meldeten sich laut Kühn 20 Bewerber. „Teils berufsfremd beziehungsweise ohne entsprechende Qualifikation“, so Münsings Kämmerer. „Mit neun Bewerbern wurden Bewerbungsgespräche geführt.“
Fabian Berglers Berufsentscheidung dürfte durch die Eltern vorgeprägt sein – beide sind als Beamte im Polizeidienst tätig. Er wuchs in Huglfing (Landkreis Weilheim-Schongau) auf, wo er nach ein paar Jahren in der Stadt Weilheim wieder lebt. In der Gemeinde seines Heimatortes, für die schon seine Großmutter gearbeitet hat, absolvierte er ein Praktikum. Im Landratsamt Starnberg mit knapp 600 Mitarbeitern begann Bergler im Jahr 2017 dann seine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten. Nach dem Abschluss 2020 arbeitete er für kurze Zeit im Corona-Management und Gesundheitsamt der Kreisbehörde, ehe er ins Büro des Landrats wechselte und in der Pressearbeit aktiv war. Parallel bildete er sich zum Verwaltungsfachwirt fort.
Mit der Qualifikation war klar, dass er sich nach einer neuen Stelle umsehen musste, sagt Bergler. An der Münsinger Verwaltung mit ihren knapp 40 Mitarbeitern – inklusive Bauhof und Kindergarten – schätze er vor allem die Vielfältigkeit der Aufgaben: von der Einführung der neuen Bürger-App bis zu Themen aus dem Ordnungsamt. Bergler ist nun außerdem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. In dieser Funktion kann er sich vorstellen, den Social-Media-Auftritt der Kommune aufzubauen. An den Titel Geschäftsleiter müsse er sich noch gewöhnen, sagt der 24-Jährige.
Über sein Privatleben ist zu erfahren, dass er eine Freundin hat und früher im Fußballverein, bei der Huglfinger Feuerwehr und für die Wasserwacht Uffing aktiv war. „Ich rede aber lieber über die Arbeit als über mich“, sagt er. Und fürs Vereinsleben bleibe in seinem neuen Beruf kaum mehr Zeit.