Süddeutsche Zeitung

Münsing:Auf einem guten Weg

Die Meisterschüler von Susanne Kelling und Ingolf Turban beim Abschluss der Holzhauser Musiktage

Von Sabine Näher, Münsing

So reizvoll die Reithalle auf Gut Ried als außergewöhnlicher Konzertort immer wieder ist, so chaotisch gestaltet sich zuvor immer wieder die Parkplatzsuche der anreisenden Besucher. Doch wenn man das Auto endlich abgestellt hat, kann man das wirklich spezielle Ambiente genießen. Fast komplett besetzt sind die in der Reithalle aufgestellten Stühle, als der elfjährige Nicolas Schad aus Berg mit seiner Geige das Podium erklimmt und mit einer Fantasie über Bizets "Carmen" des tschechischen Komponisten Franz Drdla das Publikum entzückt. In Outfit und Auftreten schon ein Routinier, technisch hervorragend, geht ihm das wahre Feuer für die Gestaltung dieses sinnlichen Stoffes aber noch ein wenig ab.

Nicolas hat die Meisterklasse von Ingolf Turban besucht, der betont, er lasse keine eigenen Studenten für diese Klasse zu, sondern treffe in der zehntägigen Arbeitsphase ausschließlich auf unbekannte junge Musiker. Das bedeutet, dass sich Schüler und Dozent erst einmal kennenlernen und aufeinander einstellen müssen.

Susanne Kelling handhabt das in ihrer Meisterklasse anders: Fünf von insgesamt acht Teilnehmern studieren bei ihr, setzen die Arbeit aus der Münchner Musikhochschule hier also nur im angenehmen ländlichen Ambiente fort. Beide Dozenten loben das hohe künstlerische Niveau der Kursteilnehmer. Kelling erzählt, man habe hier Zeit gefunden, um an der deutschen Sprache zu feilen und sich mit dem Rollenstudium zu beschäftigen. Also etwa die Frage zu stellen: "Wie fühlt sich der Graf an dieser Stelle in der Oper?" Damit ist der Auftritt von Nan Jiang gemeint, der die Arie "Hai gia vinta la causa" aus Wolfgang Amadeus Mozarts "Figaro" vorträgt. Der fesselnde Vortrag des Südchinesen beweist, dass Kelling gute Arbeit geleistet hat. Ingolf Turban erzählt, die Fortschritte seiner Teilnehmer hätten ihn sehr gefreut: "Da hat sich richtig was bewegt!" Natürlich seien die Bedürfnisse sehr unterschiedlich, abhängig vom jeweiligen Ausbildungsstand. So präsentiert Sören Bindemann, Student aus Stuttgart, mit dem dritten Satz einer Sonate von Johannes Brahms eine schon recht reife künstlerische Leistung; Johannes Rosenberg, der in Würzburg studiert, kann mit einer Polonaise von Henryk Wieniawski, souverän und elegant gestaltet, vollkommen überzeugen.

Auch die Sänger präsentieren sich auf unterschiedlichem Ausbildungsniveau: Die gerade 16-jährige Georgia Tsonis, Jungstudentin bei Kelling in Nürnberg, bezaubert in Pagenkleidung als niedlicher Cherubino und lässt ahnen, dass aus ihr eine tolle Opernsängerin werden kann. Neben Nan Jiang begeistert vor allem der aus Nordchina stammende Chun Ding: Mit eindrucksvoller Stimme und einnehmender Gestaltung verkörpert er den Wolfram aus Richard Wagners "Tannhäuser" und besingt den "holden Abendstern" berückend schön. Als Don Giovanni zeigt er im Duett mit Stephanie Wagner als Zerlina ein erhebliches Verführungspotenzial, dem nicht nur die Bühnenpartnerin, sondern auch das Publikum erliegt. Auch Helena Steiner, wie Jiang und Ding bei Kelling im Masterstudium, beweist mit Ännchens Arie "Einst träumte meiner sel'gen Base" aus Carl Maria von Webers "Freischütz", dass sie eine fast fertige Sängerin mit Ausstrahlung und Bühnentalent ist, die nur noch den letzten Schliff braucht. Grégoire Dalamare, der aus Paris angereist ist, verwirrt mit Taminos berühmter Bildnis-Arie aus der "Zauberflöte" allerdings ein wenig: Er geht den schwerelos-schwebenden Mozart eher wie einen schweren Wagner an. Auch Hazal Akyaz aus der Türkei ist noch nicht ganz am Ziel: Antonio Vivaldis unglaublich intensives "Sposa, son disprezzata" kann in ihrer Interpretation seine untröstliche Verzweiflung noch nicht ganz entfalten. Doch auf einem guten Weg befinden sich alle - und werden vom Publikum auf Gut Ried mit entsprechend herzlichem Beifall bedacht. Ebenso wie Johannes Umbreit, der alle Protagonisten des Abends routiniert und umsichtig am Klavier begleitet.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2016
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