Süddeutsche Zeitung

Kunstmarkt:Das Leben beim Schopf packen

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Nina Böck hat im Weinlager des Ambacher Gasthauses "Zum Fischmeister" einen Kunstsalon eingerichtet. Die erste Ausstellung mit Ölgemälden von Vroni Schwegler thematisiert das Vergehen.

Von Benjamin Engel, Münsing

Das Leben ist ein fortlaufender Veränderungs- und Übergangsprozess. Davon kündet der Pfau, dem Vroni Schwegler eine Serie von Ölgemälden gewidmet hat. Mit seinem leicht nach oben gereckten Kopf und dem leuchtend blauen, grün eingesprenkelten Halsgefieder wirkt er zunächst fast rege und munter. Dann aber verblassen die kräftigen Farbtöne immer mehr, das klar akzentuierte Schwanzgefieder verschmilzt mit dem erdigen Naturfarben-Hintergrund. Das gleiche Spiel zwischen Leben und Tod findet man bei ihren Blumenbildern: welkende Tulpen mit hängenden Köpfen, dazwischen ein lichtes Blau oder Pink-Violett. Womöglich macht sich darin der Einfluss von Hermann Nitsch (1938-2022) bemerkbar, dessen Meisterschülerin die in Penzberg geborene Vroni Schwegler war.

Von der "Auseinandersetzung mit dem Vergänglichen" spricht Nina Böck. Die Kunsthistorikerin hat im neu ausgebauten Weinlager des Ambacher Gasthauses "Zum Fischmeister" ihren Kunstsalon eingerichtet. Mit den Ölbildern von Vroni Schwegler eröffnete sie Ende Juni ihre erste Ausstellung. Böck hatte die 52-jährige gebürtige Penzbergerin kennengelernt, als sie selbst noch Geschäftsführerin der Münchner Galerie von Fred Jahn war. Spontan habe Schwegler zugesagt, für die erste Ausstellung im Kunstsalon bereitzustehen, so Böck. Gelegenheiten müsse man am Schopf packen. Danach handele sie. "Zugreifen und anpacken, das ist meine Lebensdevise."

Das gilt auch für den Ambacher Kunstsalon. Die Galerie teilt sich den Erdgeschossraum mit dem Weinlager des Gasthauses "Zum Fischmeister". Dessen Wirte-GmbH hat das frühere Remisengebäude nördlich des lang gezogenen Gasthauses maßstabsgetreu durch einen Neubau ersetzt - mit einer Wohnung im Obergeschoss und dem Weinlager samt Verkaufsraum eine Etage darunter. Kurzentschlossen fragte Böck im Frühjahr an, ob darin nicht auch Platz für eine Kunstgalerie sein könnte. "Ja, mach' doch", habe Fischmeister-Mitgesellschafter Thomas Hausmann gesagt, erzählt die Kunsthistorikerin.

Böck und Hausmann kennen sich bereits aus dessen Zeit im "Blauen Haus" der Münchner Kammerspiele. Wein und Kunst zu kombinieren, sei befruchtend, findet Böck. "Mir ist wichtig, einen Ort der Begegnung und des Austausches, der Kommunikation über die Kunst hinaus zu schaffen." Daher hat sie auf das Wort Galerie für den Ausstellungsort verzichtet. Denn mit dieser Bezeichnung sei immer eine gewisse Schwellenangst verbunden, so ihre Erfahrung. Die Leute trauten sich nicht hinein.

Böck dagegen scheint viel ausprobieren zu wollen. In Augsburg und München studierte sie Kunstgeschichte, arbeitete danach im Zentralinstitut für Kunstgeschichte, weil sie eine Wissenschaftskarriere anstrebte. Doch sich stundenlang mit Forschungsliteratur zu beschäftigen, sei ihr schnell zu "verstaubt" vorgekommen. "Ich wollte unter Menschen", schildert Böck. "Ich wollte näher an die Kunst heran." Also schaute sie einfach einmal persönlich in der Galerie von Fred Jahn vorbei und fragte nach einem Job. Sie bekam ihn. Genauso organisierte sie auch Führungen in Museen wie dem Haus der Kunst und war im Auktionshaus Ketterer angestellt. Heute ist Böck selbständig tätig, berät unter anderem Kunden, die Kunstsammlungen aufbauen wollen. Dafür ist sie viel auf Messen unterwegs, besucht Galeristen und Künstlerateliers. Als teils alleinerziehende Mutter von zwei Kindern - mittlerweile 19 und 14 Jahre alt - sei das nicht immer einfach gewesen.

Letztlich treibt Böck wohl die Begeisterungsfähigkeit, anderen Kunst und ihre gesellschaftliche Relevanz vermitteln zu wollen. "Kunst ist immer ein Spiegel der Gesellschaft", sagt sie. In den Ambacher Ausstellungsräumen solle es darum gehen, zu Diskussionen anzuregen. Auch Musik und Lesungen seien vorstellbar, so Böck.

Damit die Bilder im Weinlager auch zur Geltung kommen, hat die Kunsthistorikern mobile Stellwände aus fünfmal lackiertem Holz anfertigen lassen. Daran hängen jetzt die ausdrucksstarken, in Öl auf Holzplatten gemalten Bilder von Vroni Schwelger noch bis Anfang August. Die nächste Ausstellung soll im September folgen.

Die mobilen Kunst-Stellwände kontrastieren mit der unverputzten Betondecke und den auf Holzpaletten gestapelten Weinkartons. Dass die Besucher zwanglos vom Wein zur Kunst und umgekehrt ins Gespräch kommen, wünscht sich Böck. "Über Kunst zu reden ist bereichernd", sagt sie.

Die Ölbilder von Vroni Schwegler sind im neuen Kunstsalon von Nina Böck im Weinlager des Ambacher Gasthauses "Zum Fischmeister" bis 6. August zu sehen. Mittwoch bis Freitag jeweils 13 bis 16 Uhr sowie samstags 12 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung unter Telefon 08801/915423.

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