Coronavirus in Bayern:Wenn der Apotheker sich weigert, das Impfzertifikat zu digitalisieren

Apothekenversorgung auf dem Land in Gefahr

Laut Apothekerverband bieten etwa 90 Prozent der Mitglieder die Digitalisierung von Impfzertifikaten an.

(Foto: dpa)

Ein Kunde und ein Pharmazeut geraten aneinander. Verharmlost der Inhaber der Apotheke Corona? Verband und Kammer verweisen auf die Meinungsfreiheit - aber auch auf die Pflicht, den Beruf nach Stand von Wissenschaft und Technik auszuüben.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Zwischen Kunde und Apotheke sollte ein ähnliches Vertrauensverhältnis bestehen wie zwischen Patient und Arzt, schließlich geht es in beiden Fällen um das kostbare Gut der Gesundheit. Doch die Corona-Pandemie und die politischen Versuche, sie unter Kontrolle zu kriegen, um Menschenleben und Gesundheitssystem zu schützen, spalten inzwischen auch diese sensible Beziehung. Es mehren sich Stimmen und Hinweise, dass nicht alle Apotheken im Landkreis ihre Kunden willkommen heißen, wenn diese Covid-19-spezifische Anliegen haben.

So berichtet ein Leser, welcher der Redaktion namentlich bekannt ist, aber nicht öffentlich genannt werden will, von seinem Erlebnis in einer Tölzer Apotheke: "Als ich dort meinen Impfausweis digitalisieren lassen wollte, traf ich dort auf den Inhaber", berichtet der Mann. Auf seine Bitte hin, dies zu tun, habe ihm der Inhaber der Apotheke erklärt, das "Virus existiere nicht, er wüsste nicht, was eine Booster-Impfung sein sollte, wir lebten in einem totalitären Regime und ich wäre ein dummer Untertan, welcher mit der großen Masse schwimmt." Der Kunde habe daraufhin die Apotheke verlassen. "Ich bin zutiefst bestürzt und fürchte um die Gesundheit meiner Mitbürger in Bad Tölz", sagt der Betroffene.

"Das ist völliger Quatsch", entgegnet der Apotheken-Inhaber auf Nachfrage der SZ. Er räumt zwar ein, sich an den Kunden zu erinnern, stellt aber den Verlauf des Gesprächs und vor allem den Inhalt ganz anders dar. Denn seine Apotheke biete lediglich den Service nicht an, Impfzertifikate zu digitalisieren. Als er dies dem Kunden mitgeteilt habe, habe dieser ihn unterstellend gefragt: "Sind Sie etwa ein Corona-Leugner?" Er habe die Frage des Kunden nicht ernst genommen und deshalb leichtfertig ironisch "Ja, klar" geantwortet. Er sei davon ausgegangen, dass der Kunde die Ironie verstehe - denn, so betont der promovierte Apotheker, niemand könne ernsthaft die Existenz von Corona-Viren infrage stellen. "Sonst wäre ich doch in einer Apotheke am völlig falschen Platz", erklärt er. Corona-Viren seien in der Wissenschaft schon wesentlich länger bekannt als jene, die nun die Pandemie verursachten. Er habe sich aber, gibt er zu, an dem Wort "Corona-Leugner" gestört. Denn dieses Wort werde als "pauschaler Totschlag-Begriff" auch immer wieder auf Menschen gemünzt, welche die politischen Maßnahmen kritisch hinterfragen. "Das hat aber mit Leugnung nichts zu tun", betont er. Seinem Angebot eines Dialogs sei der Kunde dann aber ausgewichen, indem er einfach gegangen sei. Die Digitalisierung von Impfzertifikaten biete er in seiner Apotheke nicht als Service an, "weil ich das ganz klar nicht als Aufgabe von Apotheken sehe". Jedwede medikamentöse Therapie, und dazu zähle für ihn eine Impfung, müsse aus seiner Sicht in Ärztehand bleiben, inklusive der Dokumentation.

Der Bayerische Apothekerverband, in dem der betreffende Inhaber allerdings nicht Mitglied ist, bewertet den Vorfall als "sehr unerfreulich". Der Jurist Matthias Rehtanz bestätigt jedoch, dass die Digitalisierung von Corona-Impfzertifikaten ein freiwilliges Angebot von Apotheken und keineswegs verpflichtend sei. Beschwerden dieser Art häuften sich jüngst, wären aber dennoch "Einzelfälle", heißt es dort.

Die Bayerische Landesapothekerkammer, an die sich der Kunde gewandt hatte, will sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. Rechtsanwalt Klaus Laskowski erklärt aber, dass Apothekern wie allen anderen Menschen freilich die freie Meinungsäußerung zustehe. Auf der anderen Seite müssten Apotheker ihren Beruf nach dem Stand von Wissenschaft und Technik ausüben und Kunden entsprechend informieren. Sollten Apotheker diesem Berufsgrundsatz zuwiderlaufen, werde zunächst die Aufsichtsbehörde vor Ort mit einem Ordnungswidrigkeitsverfahren tätig. Im Nachgang prüfe dann die Kammer, ob es zudem eines disziplinarrechtlichen Verfahrens bedürfe. Das sei bislang aber lediglich "in absoluten Einzelfällen" vorgekommen, etwa bei Verstößen gegen die Maskenpflicht. Die Linie der Kammer ist derweil klar: "Wir unterstützen aktiv die Kampagnen der Regierungen zum ausreichenden Impfschutz der Bevölkerung und haben zum Beispiel aktuell als Bayerische Landesapothekerkammer die Schulungsangebote gestartet, die Apotheken benötigen, um künftig auch gegen Corona impfen können", sagt Laskowski. "Dies entspricht auch dem ganz überwiegenden Interesse und erkennbarem Engagement der Apothekerinnen und Apotheker in Bayern", fügt der Jurist an.

Aus kartellrechtlichen Gründen darf die Kammer keine Empfehlungen an Apotheken-Kunden geben, wie man sich vor corona-bedingten Meinungsverschiedenheiten schützen kann. Der Wirtschaftsverband der Apotheker hingegen schon: "Wir raten dazu, sich unter www.mein-apothekenmanager.de über die Angebote der Apotheken in der Umgebung zu informieren", sagt Rehtanz. Dort sei relativ einfach zu sehen, ob eine Apotheke auch Kunden empfängt, die Corona-Impfzertifikate digitalisieren lassen wollen.

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